Review Kvelertak – Meir

(Hard Rock / Punk Rock / Black Metal) Drei Jahre ließen sich KVELERTAK Zeit, um einen Nachfolger zu ihrem selbstbetitelten Debüt, mit dem sie schon 2010 amtlich durch die Decke schossen, vorzulegen. Mal abgesehen davon, dass die Norweger vor lauter Touren ohnehin nur schwer eine Gelegenheit fanden, sich mal wieder ein Studio von innen anzusehen, ist das eine ungewöhnlich lange Albumpause für einen Newcomer wie das skandinavische Sextett. Doch anstatt einen Schnellschuss abzuliefern, um die hungrigen Mäuler zu stopfen, die auch außerhalb des typischen Metal-Publikums auf die Ausnahmemusiker aufmerksam geworden sind, haben KVELERTAK mit „Meir“ alles richtig gemacht.

Dabei waren die Erwartungen alles andere als niedrig, wurden die Herren doch mit Lob und Preisen regelrecht überschüttet: Bestes norwegisches Debüt aller Zeiten, bester Newcomer, bestes Rockalbum, und, und, und. Entweder war das dem Sechser schlicht egal oder es hat ihn nur noch mehr motiviert, denn man kann nicht behaupten, dass KVELERTAK mit ihrer neuen Scheibe vor lauter Druck auf Nummer sicher gegangen sind. Zwar erinnert der Opener „Åpenbaring“ mit den aufheulenden Gitarren und dem Chor-Schlachtruf zunächst verdächtig an den ersten Track des Debüts, anschließend lassen sich die Jungs doch etwas mehr Zeit, um in die Gänge zu kommen. Anstatt wie auf dem Vorgänger sofort mit dem Kopf durch die Wand zu rocken, bieten KVELERTAK erst mal nur einen kleinen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.

Mit „Spring Fra Livet“ folgt dann aber sogleich eine der besten Hymnen, die die Band bis dato geschrieben hat und die alle Trademarks vereint: Großartige Melodien treffen auf fies keifende Vocals und Chöre, energische Blastbeats treffen auf erhabene Gitarrenleads, Harmonie trifft auf Härte. Keine andere Band hat es bisher geschafft, scheinbar gegensätzliche Elemente wie klirrendes, schwarzmetallisches Tremolo-Picking und ruhige Akustik-Rock-Passagen in einen Song zu packen und dabei so mitreißend, eingängig und vor allem unelitär zu klingen wie KVELERTAK. Oder um es klischeetriefender auszudrücken: Ob Killernietenträger oder Club-Mate-Trinker – Meir“ lädt alle dazu ein, sich knapp 50 Minuten lang dem Rock ’n‘ Roll zu ergeben.

Die Norweger verlassen sich indes nicht nur auf kompakte Nummern wie „Evig Vandrar“ mit seinen zackigen Downstrokes, „Snilepisk“ mit seiner überraschenden orientalischen Seite oder „Månelyst“ mit seinen wütend voranpreschenden Rhythmen, die allesamt lediglich mit der Drei-Minuten-Marke flirten. Nein, auch überlange Tracks jenseits der sechs Minuten funktionieren auf „Meir“ prächtig und werden für ausgiebige Ausflüge in den Classic-Rock-Bereich und intensive Instrumental- und Solo-Parts genutzt. „Nekrokosmos“ stellt mit seinen etlichen Stil- und Tempowechseln sowie dem selbst für Bandverhältnisse unkonventionellen Ende den wohl abwechslungsreichsten Song auf „Meir“ dar, während in „Undertro“ ein lässiges Kiss-Signature-Riff über die gesamte zweite Liedhälfte abgefeiert wird. In „Tordenbrak“ wird ein weiteres Mal deutlich, dass die Gitarrenarbeit deutlich ausdifferenzierter als auf der ersten Platte daherkommt und dadurch für noch mehr musikalische und instrumentale Dichte sorgt. Die Bandhymne „Kvelertak“ dient als locker rockender Rausschmeißer, der sich im Fahrwasser der Landsmänner Turbonegro bewegt und zeigt, warum auch Foo-Fighters-Chef Dave Grohl große Stücke auf den Sechser hält.

Dass „Meir“ übersetzt einfach „mehr“ heißt, dürften manche Hörer schon im Vorfeld mitbekommen haben. Dass KVELERTAK auf „Meir“ auch tatsächlich mehr bieten – mehr Intensität, mehr Vielseitigkeit, mehr Rock –, bestätigt sich schon nach dem ersten Durchlauf. Ich wage nicht zu behaupten, dass es so etwas wie den typischen KVELERTAK-Fan gibt, aber wem das Erstlingswerk gefallen hat, der wird auch diese Scheibe lieben. Als Einstiegsdroge dürfte „Meir“ allerdings ebenso gut funktionieren wie als bestes Rock-Album des noch jungen Jahres.

Wertung: 9.5 / 10

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