Review Nucleus Torn – Street Lights Fail

NUCLEUS TORN verkörpern derzeit vielleicht am besten, was die Labelphilosophie Prophecys ausmacht: Unkonventionelle, tiefgehende, emotionale Musik. Dabei gehen die Schweizer jedoch deutlich radikaler vor als ihre Labelkollegen – zwischen tiefschwarzen Black-Metal-Ausbrüchen, romantischen Akustikgitarren und eigenwilliger Neoklassik präsentierte sich die Band um Mastermind Fredy Schnyder stehts maximal unangepasst. Die Albentrilogie aus „Nihil“, „Knell“ und „Andromeda Awaiting“ gehört nicht umsonst zu den absoluten Geheimtipps des avantgardistischen Metals.

„Street Lights Fail“ verändert am Prinzip, nach dem NUCLEUS TORN funktionieren, nur wenig: Nach wie vor sind die Songaufbauten sehr fordernd, die Melodien gewöhnungsbedürftig. Stärker denn je hört man den Songs den Konzeptcharakter des Albums an: Funktionierten die vorangegangenen Scheiben jeweils auch für sich, baut „Street Lights Fail“ einen Spannungsbogen auf, der mit „The Promise Of Night“ sehr abrupt abbricht und überdeutlich auf das 2015 folgende, zugehörige „Neon Light Eternal“ verweist. Ohne also eine echte Aussage bezüglich der Message des musikalischen wie textlichen Gesamtkonzepts abgeben zu können, lässt sich doch festhalten, dass NUCLEUS TORN auf „Street Lights Fail“ deutlich moderner klingen als zuvor – wo man die vorangegangenen Alben mit einem zugedrückten Auge noch im experimentellen Folk verordnen konnte, hat diese Scheibe einen unverkennbar urbanen, kalten Touch: Die komplett von Anna Murphy übernommenen Gesangsparts stehen mit unkonventionellen Melodien wie gehabt etwas abseits vom Sound, durch Effekt-Verfremdung klingen sie aber noch deutlich exzentrischer als auf den Vorgängern. Karge Emotionslosigkeit regiert dabei nach wie vor, wird aber mit anderen Mitteln umgesetzt als bisher: Die instrumentale Bandbreite wurde etwas heruntergeschraubt; oft dominiert das Klavier die Songs, abwechselnd mit gefühlt häufiger auftretenden Metal-Sequenzen. Auch von Störgeräuschen durchsetztes Soundgewaber, aus dem sich die Songs nur langsam herausschälen, ist dabei an der Tagesordnung.
Unabhängig vom nach wie vor progressiven Stilmix und bisweilen schwer verdaulichen Sequenzen verkaufen sich NUCLEUS TORN 2014 aber eingängiger und strukturierter als zuvor. Häufiger als sonst fühlt man sich nicht vollkommen verloren in ihrem einzigartigen Klangkosmos. Dadurch klingt die Band zwar geringfügig angepasster, angesichts des nach wie vor avantgardistischen Sounds wird der ein oder andere Hörer jedoch genau das begrüßen und die ein oder andere greifbarere Melodie und den minimalistischeren Ansatz dankend annehmen: Wer die Schweizer noch auf „Golden Age“ zu extrem fand, könnte mit „Street Lights Fail“ glücklich werden.

Eine endgültige Bewertung im Kontext von „Neon Light Eternal“ steht noch aus, wenn dieses die Versprechungen von „Street Lights Fail“ einlöst, könnte das Gesamtprodukt jedoch noch einmal so groß werden, wie die konzeptionell allesamt zusammengehörenden Vorgängeralben. Es wird sich zeigen, ob man sich, wenn man die musikalische Essenz NUCLEUS TORNs hören will, wirklich nur auf diese beiden Scheiben beschränken kann, wie Fredy Schnyder das andeutet.

Keine Wertung

Publiziert am von Marius Mutz

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