Review Prinz Pi – Im Westen nix Neues

  • Label: Keine Liebe
  • Veröffentlicht: 2016
  • Spielart: Entmetallisiert, Hip-Hop

Friedrich Kautz, besser bekannt unter seinem Pseudonym PRINZ PI – früher Prinz Porno – gehört zur ersten Riege der von Hatern verächtlich Studenten-Rap genannten, textlich anspruchsvollen Strömung im deutschen Hip-Hop, die mit Vorreitern wie Casper oder Marteria derzeit landesweit Erfolge feiert. Bereits 2013 konnte PRINZ PI mit „Kompass ohne Norden“ die Spitze der Charts erobern und vor ausverkauften Hallen rappen. Nun erscheint der mit Spannung erwartete Nachfolger: „Im Westen nix Neues“.

Dass der Titel einzig das Textkonzept veranschaulicht, keinesfalls aber auf das Schaffen von PRINZ PI bezogen werden kann, ist rasch klar: Denn sowohl textlich als auch musikalisch hat „Im Westen nix Neues“ einiges Neues zu bieten. An seinem Stil hat PRINZ PI freilich nichts Grundlegendes geändert: Zu für Hip-Hop ungewohnt filigraner Musik, oft mehr Indie denn Hip-Hop, liefert PRINZ PI – mittlerweile selbst zweifacher Vater – auch 2016 nachdenkliche, mit Charme und Witz erzählte Texte, die stets persönlich klingen und doch immer gerade so allgemein gehalten sind, dass man öfter, als es einem lieb sein kann, auch das eigene Leben darin wiederfindet.

Dennoch ist „Im Westen nix Neues“ kein „Kompass ohne Norden II“: Musikalisch bleibt PRINZ PI zwar auch mit seinem neuen Album abwechslungsreich. Wie als Kontrast zum sehr präsenten Piano rücken diesmal jedoch eher Beats denn instrumental erzeugte Melodien ins Zentrum der abermals mit viel Liebe zum Detail arrangierten Musik. In der Folge fallen einige der 16 Songs nicht so prägnant und eingängig aus wie noch auf dem ohrwurmreichen Vorgänger. „Im Westen nix Neues“ braucht deshalb ein paar Durchläufe mehr, um im Ohr hängen zu bleiben. Das macht insofern nichts, als mit der Musik auch die Texte erwachsener geworden sind und sich, statt mit jugendlicher Offenheit auf den Hörer zuzugehen, diesem erst nach einem nicht immer unkomplizierten Kennenlernprozess anvertrauen.

Wirkten viele der Songs auf „Kompass ohne Norden“ noch maßgeblich von pubertärem Weltschmerz geprägt, hat PRINZ PI mit „Im Westen nix Neues“ die Teenager-Zeit schneller hinter sich gelanssen als sein Publikum: Mit „Rebell ohne Grund (Kompass Reprise)“ holt PRINZ PI den Hörer zwar zunächst mit einem musikalischen Selbstzitat und textlichen Rückblick auf die Schulzeit dort ab, wo er ihn mit „Kompass ohne Norden“ hingeführt hatte. Doch bald schon verlässt „Im Westen nix Neues“ die Fußstapfen seines Vorgängers: Häufig fallen Schlagworte wie Job, Kinder oder Scheidung, und selbst das melancholisch-romantische „1,40 m“ kann so richtig erst verstehen, wer den Wechsel vom Jugend- ins Ehebett selbst durchlebt hat.

Ganz so trist, wie PRINZ PI das stereotype Erwachsenenleben in „Kartenhaus“, „Familienalbum Seite 19“ oder „Schornsteine“ darstellt, ist „Im Westen nix Neues“ zum Glück nicht: Texten wie „21:04 / Schwarzer Lack“ mit Gegenwartsliteraturcharakter im Stile Sven Regeners, Christian Krachts oder Moritz von Uslars, stehen mit Songs wie „Weiße Tapete“ oder dem eingängigen „Wasser zu Wein“ genug Hip-Hop-typischere Karriere-Rückblick-Lyrics gegenüber, um das Album am Ende als Ganzes nicht zu verkopft klingen zu lassen.

PRINZ PI mag, zumindest was den Hype und die Verkaufszahlen angeht, noch nicht ganz auf dem Level von Casper oder Marteria angekommen sein. Doch lange kann es nicht mehr dauern, bis der Berliner Rapper zu den Kollegen aufgeschlossen hat: Mit „Im Westen nix Neues“ legt er nach „Rebell ohne Grund“ und „Kompass ohne Norden“ ein weiteres Album vor, das durch musikalische Vielfalt und textlichen Tiefgang zu überzeugen weiß: So ist „Im Westen nix Neues“ wohl vor allem für die Generation von Friedrich Kautz spannend – alle jüngeren Fans seien damit getröstet, dass man, wie in Kleider, auch in Musik hineinwachsen kann.

Wertung: 8 / 10

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