Review Prinz Pi – Kompass ohne Norden

  • Label: Keine Liebe
  • Veröffentlicht: 2013
  • Spielart: Entmetallisiert, Hip-Hop

Man muss von einem Trend sprechen: Spätestens, seit Casper mit seinem Erfolgsalbum „XOXO“ ein so fulminanter wie spektakulärer Durchbruch gelang, ist auch der „intelligente Rap“ im Mainstream angekommen. Statt mit dem stumpfen Dissen anderer Rapper oder dem Pflegen des eigenen Ghetto-Kind-Images wird hier mit den oft anspruchsvollen, oft aber auch nur trivial-philosophischen Texten Eindruck geschunden – auch, wenn das wohl keiner der Protagonisten so zugeben würde. Schließlich werden hier ja authentische Gefühle ausgedrückt, und Lebensphilosophien und so.

Mit „Kompass ohne Norden“ legt nun auch PRINZ PI eine CD in diese Schublade. War der Berliner, der seine Karriere als Prinz Porno mit klassischem Hip-Hop begonnen hatte, nach dem Pseudonymwechsel zu PRINZ PI stets als experimentierfreudig und gesellschaftskritisch aufgefallen, wurde spätestens mit „Rebell ohne Grund“ das Studenten-Rapper-Image gepflegt: „Nerd-Chick-Brille im Gesicht und der Hoodie einer elitären Uni zeigen an, wie ich drauf bin“ („iGod“, 2011). War diese Attitüde damals noch ein Aspekt von vielen, steht das neue Album nun komplett im Zeichen des „Lebensweisheiten-Rap“: „Es hieß: „Leb dein‘ Traum“ – doch was ist mein Traum?“ wird hier gleich im textlich ansonsten sehr stimmigen „Fähnchen im Wind“ philosophiert.
Doch während PRINZ PI in „Moderne Zeiten“ noch eine spitzfindige Abrechnung mit dem „modernen Lifestyle“ abliefert, verliert sich bereits „Kompass ohne Norden“ trotz großartiger Einzelverse wie „Ein letztes Mal beisammen, wie die Kugel eines Löwenzahn. – Bevor die Böe kam, und uns in die Höhe nahm.“ in einem Konzept, das sich von Song zu Song mehr überholt: So sind Finessen wie die Mario-Kart-Metapher der „Schwarzen Wolke“ („Die schwarze Wolke – Meine ganz private schwarze Wolke wartet über mir – Macht mich klein, sie wird mich stets verfolgen – Selbst in überdachten Räumen“) zwar durchaus gut gewählt, jedoch lesen sich die Lyrics oft etwas ziellos und ungerichtet. Mag man genau das als „intuitiv“ oder „authentisch“ feiern – schlussendlich liegt aber wohl genau hier der Grund dafür, dass sich die Texte thematisch oft überschneiden, PRINZ PI bereits Gesagtes in anderen Worten nochmals wiederholt, ohne seiner Darstellung des Lebens jedoch eine neue Facette hinzuzufügen.

Beeindruckend an „Kompass ohne Norden“ ist hingegen die für Hip-Hop außergewöhnliche Instrumentierung, vor allem aber der organische, warme Sound, den man, ganz der Intention des Künstlers folgend, eher einer 60er-Jahre-Rock-Platte zuschreiben würde, denn einem modernen Hip-Hop-Album. Statt auf elektronische Beats bauen die Stücke fast ausnahmslos auf Piano-Begleitung sowie ergänzende Instrumentierung mit Gitarren und Schlagzeug. Das Ziel, die beiden Musikrichtungen, die seine Jugend geprägt haben, nämlich Old-School-Hip-Hop sowie Bands wie die Beatles, verschmelzen zu lassen, hat PRINZ PI hier tatsächlich sehr gekonnt umgesetzt … auf Kosten der klassischen Hip-Hop-Beat-Kultur, die sich so eigentlich nur noch in „100x“ finden lässt. In diesem Punkt hebt sich PRINZ PI tatsächlich von den Kollegen (oder sollte man besser sagen: den Kommilitonen?) ab und kann sich so den einen oder anderen Extrapunkt sichern – bekommt man statt stumpfer Beats hier doch tatsächlich detailverliebt arrangierte Musik geboten.

Doch wie schon bezüglich des Inhalts, sind sich die Stücke auf „Kompass ohne Norden“ auch musikalisch insgesamt recht ähnlich: Von den stilistischen Ausreißern wie dem Titeltrack (der großartigen Ohrwurm-Melodie wegen) oder „Glück“, welches sich einer im Hip-Hop selten gehörten musikalischen Vielfalt bis hin zu Trompeten bedient, abgesehen, bleibt PRINZ PI hier dem sehr gefälligen, allerdings nicht sonderlich abwechslungsreichen „Old-School-Rock meets Hip-Hop“-Konzept treu – ganz anders noch als auf dem Vorgänger, welcher sich stilistisch quer durch die gesamte Hip-Hop-Landschaft schlängelte. Das ist beileibe nicht schlecht – weiß über die volle Spielzeit von fast einer Stunde nicht immer mitzureißen.

Warum die Musik von Künstlern wie Casper (der in „100x“ ein sehr gelungenes Feature singt) oder eben PRINZ PI kommerziell so erfolgreich ist, ist schnell erklärt: Anders als mit klunkerbehangenen Gangster-Rappern, die von ihrem harten Ghetto-Leben singen und damit allenfalls eingeschworene Hip-Hopper beeindrucken, vertonen sie den Zeitgeist: ein bisschen rebellisch, ein bisschen hipster, ein bisschen emo, ein bisschen gesellschaftskritisch und ein bisschen elitär. In wenigen, gekonnt wortmalerischen Versen werden Gedanken ausgesprochen, die eine breite Masse umtreiben, werden Unsicherheit und Verunsicherung der „Jugend von heute“, sowie deren vielleicht banale, jedoch eben deshalb so brisanten Probleme thematisiert.
Das ist, zugegebenermaßen, ein eleganter Schachzug und funktioniert (erwiesenermaßen) mitunter auch perfekt – allein, das Risiko, dabei in Kitsch, Belanglosigkeit und Affektiertheit abzurutschen, ist nicht eben gering. Casper hat dieser Gefahr durch ein thematisch wie auch musikalisch breit gefächertes Albumkonzept elegant abgewendet – PRINZ PI gelingt das mit „Kompass ohne Norden“ leider nicht immer.

Fazit: Bestanden, aber nur „Cum Laude“.
Anspieltipps: „Moderne Zeiten“, „Kompass ohne Norden“ & „100x“

Wertung: 7 / 10

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