Review Rammstein – Herzeleid XXV

„Herzeleid“ ist nicht nur ein gutes Album – es ist der Ausgangspunkt der beispiellosen Karriere von RAMMSTEIN. Kein Wunder also, dass die Berliner ihr Debüt zum 25. Geburtstag nochmal ordentlich feiern. Schade ist allerdings, dass die Party ziemlich klein ausfällt – und daran ist, anders als bei so ziemlich allen anderen Party-Plänen für 2020 – ausnahmsweise mal nicht Corona schuld.

Statt ihrem Debüt mit einer fetten Deluxe-Edition Tribut zu zollen, das neben einem Remaster ordentlich Bonusmaterial – Liner Notes, Bildmaterial, B-Seiten oder Bootlegs (Audio oder Video) – enthält und für den Fan tatsächlich ein wertiges Package abgibt, fahren RAMMSTEIN ein absolutes Schmalspurprogramm. Dabei hätte die Band mit der bislang nur auf Vinyl erschienenen B-Seiten-Sammlung „Raritäten (1994–2012)“ sogar schon eine passende Bonus-CD fix und fertig in der Schublade gehabt. So hingegen bekommt der Fan eigentlich sogar weniger als vorher: Während das „Broilerfoto“ der mit Bräunungscreme verunstalteten Jungs erhalten bleibt, ist die feurige Gerbera aus dem Hintergrund verschwunden. Das ist die denkbar schlechteste Lösung: Mit etwas Humor hätten RAMMSTEIN das Foto 25 Jahre später nachgestellt, mit etwas Sinn für Ästhetik alles außer der Blume weggelassen.

Wie man diesen Purismus geschickt verpackt, ja regelrecht zelebriert, zeigt nicht nur die im MS-Dos-Look von 1990er-Jahre-Computern neu aufgesetzte Homepage (inklusive RAMMSTEIN-Snake-Spiel), sondern auch die Albumankündigung: „Unter dem Titel ‚Herzeleid (XXV Anniversary Edition – Remastered)‘ wird das Album mit seinem originalen Tracklisting dann als Einzel-CD im aufwändigen Digipack in Kreuz-Form samt Deluxe-Schuber sowie in digitaler Form erhältlich sein, wohlgemerkt erstmals in remastertem HD-Sound.“ Hat je eine Band ihren Fans das Fehlen jedweder Extras eleganter als Feature verkauft? Wohl kaum.

>> Per Klick auf das Bild kommst du zum Interview mit Jacob Hellner – © Magnus Åström

Neben einigen bislang unveröffentlichten Bildern im Booklet und dem fragwürdigen Cover-Remake vom ursprünglichen Artwork-Designer Dirk Rudolph ist der Remaster also das einzig wirklich Neue an „Herzeleid XXV“. Was es mit dem angepriesenen HD-Sound auf sich haben soll, weiß nicht mal Produzent Jacob Hellner so recht. Das Remaster auf Basis der 2015 neu gemasterten LP-Version des Albums ist aber zumindest grundsolide: Getreu dem Motto „Man sollte nichts reparieren, was nicht kaputt ist“ wurde nicht mehr geändert als notwendig, um den Songs auf allen Wiedergabewegen etwas mehr Druck zu verleihen. Viel mehr ist es (zum Glück) gar nicht – denn „Herzeleid“ klingt im Original auch aus heutiger Sicht noch extrem fett und „tanzbar“.

Was an einem Digipak in Kreuzform aufwändig ist, bleibt leider ebenso ungeklärt wie die Frage, ob „das originale Tracklisting als Einzel-CD“ für den Fan, der dieses Album ohne jeden Zweifel bereits besitzt, wirklich das Höchste der Gefühle ist. Dass der Remaster kompetent umgesetzt ist, steht außer Zweifel – die Unterschiede liegen aber eher im Detail als auf der Hand. Das ist zwar auch gut so, macht die Neuauflage in dieser Form (und zu diesem Preis) jedoch zu einer fragwürdigen Angelegenheit. Wer das Original noch nicht besitzt, sollte definitiv mit der neuen Version nachrüsten. Am Ende werden aber wohl vornehmlich diejenigen zugreifen, die von dieser 20-€-Investition am wenigsten profitieren: nicht bis ins letzte Detail soundfixierte, dafür aber treue Fans, die „Herzeleid“ in einer kaum minderwertigen Form schon lange besitzen. Ein Hoch auf geschicktes Marketing.

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Mehr über das Album selbst erfährst du in unserem „Herzeleid“-Review:

Rammstein – Herzeleid

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