Interview mit Adélaïde Panaget und Naïri Badal (Duo Játékok) - Support von Rammstein

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Bei den Shows spielen sie als Erste, in unserem „RAMMSTEIN – Hinter den Kulissen der Stadiontour“-Special bilden sie den Abschluss: Das DUO JÁTÉKOK aus Frankreich. Adélaïde Panaget und Naïri Badal berichten, wie das Album und Notenbuch „Klavier“ entstanden ist, wie sie ihre Auftritte vor zigtausend RAMMSTEIN-Fans erleben und  welche Einblicke in das RAMMSTEIN-Universum einer Vorband überhaupt zuteil werden.

DUO JÁTÉKOK wurde vor zehn Jahren gegründet. Was war damals euer Ziel?
Nach vielen Jahren des Übens im Solo-Klavierspiel haben wir uns dafür entschieden, uns auf das Piano-Duo zu spezialisieren – also zwei Pianos und vierhändiges Spielen. Es war für uns erfrischend und interessant, dabei ein ganz neues Repertoire zu entdecken, die Bühne mit einer alten Freundin zu teilen und gemeinsam zu reisen. Wir haben an diversen internationalen Wettbewerben teilgenommen, die uns auf diesem Weg bestätigt haben.
Im Übrigen haben wir uns während einem dieser Wettbewerbe für den Namen JÁTÉKOK entschieden. „Játékok“ ist das ungarische Wort für „Spiele“ und außerdem ein Stück des Komponisten György Kurtág. Der Name passt perfekt, weil wir gemeinsam und mit dem Publikum Spaß haben wollen.

2017 habt ihr RAMMSTEIN das erste Mal supportet. Wart ihr damals schon RAMMSTEIN-Fans? Und – Hand auf’s Herz – seid ihr es heute? Gibt euch diese Musik etwas?
Tatsächlich waren wir damals noch keine Fans, weil wir sie nicht kannten. Es war für uns eine große Entdeckung. Wir kannten ein paar Metal-Bands wie System Of A Down oder Metallica, aber RAMMSTEIN waren uns neu. Wir haben uns ihre Musik dann viel angehört, um reinzukommen – und ja, jetzt mögen wir sie.

Wie kam es damals dazu – DUO JÁTÉKOK als Support von RAMMSTEIN?
Der französische Booker von RAMMSTEIN wollte einfach mal eine andere Art Vorband und hat nach etwas eher Klassischem gesucht, nicht immer nur Metal. Er hat dann einen Freund gefragt, ob er professionelle Pianisten kennt. Und dieser Freund hat in einem Musikladen in Nîmes gearbeitet, wo wir leben. Es war aber die Voraussetzung von RAMMSTEIN, dass wir das „Klavier“-Album spielen.

Haben RAMMSTEIN die Songs ausgewählt, die ihr spielen solltet, oder habt ihr die Setlist erstellt?
Wir haben uns von „Klavier“ die Songs herausgepickt, die wir für zwei Pianos umarbeiten wollten. Die Setlist haben also wir erstellt, und zwar ganz nach unserem Geschmack – und natürlich danach, wie gut der Song zum Klavier passt. Manche Songs klingen auf dem Piano einfach nicht gut. Es ist ziemlich schwierig, die Energie von E-Gitarren mit Schlagzeug in ein Stück klassische Musik auf Klavier zu übertragen. Aber im Metal gibt es ja auch sehr viele Balladen – die klingen auf Klavier großartig.

Welcher Song funktioniert denn nicht?
„Du Hast“ beispielsweise, wegen seines Electro-Touchs.

Und welcher Song hat besonders gut geklappt?
Wir finden „Engel“ und „Mein Herz brennt“  sehr gut, die machen wirklich Spaß zu spielen. Wir mögen aber auch „Seemann“ sehr gerne, weil wir da sogar singen.

Wie viel Freiheit haben euch RAMMSTEIN bei der Interpretation gelassen?
Sie haben uns große Freiheiten gelassen. Es gab ja bereits die Partituren von „Klavier“, das war für uns eine gute Grundlage. Darüber hinaus haben wir uns sehr eingehend mit ihrem Stil befasst und versucht, ihre musikalischen Effekte auch in unseren Versionen umzusetzen. Für die aktuelle Stadiontour haben wir jetzt zwei Alpha-Pianos bekommen. Also haben wir mit einem Freund daran gearbeitet, alle Partituren auf zwei Klaviere umzuarrangieren.

Wie habt ihr den Moment empfunden, als ihr das Angebot bekommen habt, für RAMMSTEIN auf ihrer Stadiontour 2019 zu eröffnen?
Wir waren so aufgeregt! Das ist einfach einmalig. Es ist eine grandiose Erfahrung, zu erleben, wie es in anderen musikalischen Welten abläuft. Davon abgesehen haben wir uns auch etwas Sorgen gemacht, weil es schon eine sehr lange Zeit ist, die wir nicht daheim sind – und ohne unsere Klaviere. Auf Tour können wir nicht so viel üben wie sonst.

Zumindest in München hat euer Show-Konzept nur zum Teil funktioniert – Bei „Ohne dich“ hat das gesamte Stadion mitgesungen und einen echten Gänsehautmoment erzeugt, aber bei anderen Songs hatte man das Gefühl, dass das Publikum sie fast nicht erkennt. Was ist euer Résumé zur bisherigen Tour?
Tatsächlich funktioniert es von Mal zu Mal besser. In Dresden und Berlin waren die Zuschauer fantastisch, haben viel mitgesungen und großartige Momente erzeugt. Aber tatsächlich ging es uns nicht darum, die Fans dazu zu bringen, das ganze Set mitzusingen. Wir wollten da schon mit unserem Stil, Klavier zu spielen, für Abwechslung sorgen. Manchmal folgen wir auch nicht exakt der Songvorlage von RAMMSTEIN. Und das ist ja eigentlich für die Zuhörer noch spannender, weil es eine neue Sichtweise auf den Song ist. Das funktioniert ganz gut, wir haben zumindest schon viele Nachrichten von Fans bekommen, die uns nach den Noten gefragt haben. In Paris war es noch besser, weil wir im Dunkeln mit Licht auf unserer Bühne spielen konnten – da hat wirklich jeder zu uns geschaut und zugehört. Das war wirklich ein großartiger Moment in unserer Heimatstadt.

Ihr seid zwei herausragende Pianistinnen – jetzt spielt ihr die vielleicht größten Shows eures Lebens, weil ihr simple Rock-Songs auf dem Klavier nachspielt. Ist das nicht auch irgendwie frustrierend?
Das Frustrierendste daran ist eigentlich, dass wir nicht auf echten Flügeln spielen können. Aber das wäre zu kompliziert gewesen, weil es in einem Stadion regnen kann oder so heiß wird, dass die Instrumente die Stimmung nicht halten. Und dass die Tour über drei Monate geht, in denen wir nicht so viel üben können, wie wir das normalerweise tun.

Hätte euch auch ein Stück vom neuen Album „Rammstein“ gereizt?
Ja, „Deutschland“ – es ist sehr rhythmisch und auch politisch. Und natürlich „Diamant“.

Wie findet ihr das neue RAMMSTEIN-Album?
Wir mögen es, weil sie damit ihrer Musik einen neuen Stil geben. Für einen Künstler ist es immer wichtig, nicht sein ganzes Leben lang das Gleiche zu machen. Wir wissen, dass die alteingesessenen Fans andere Alben lieber mögen, aber Musiker müssen sich auch weiterentwickeln und neue Inspirationen nutzen.

Wie viel Kontakt zu RAMMSTEIN habt ihr als Vorband eigentlich, von den gemeinsamen Songs im RAMMSTEIN-Set einmal abgesehen? Feiert ihr auch mal gemeinsam oder läuft das strikt getrennt?
Wir haben sie ein paar Mal bei den After-Show-Partys getroffen. Und einmal haben wir im gleichen Hotel wie sie übernachtet und mit Till gefrühstückt. Das war schon großartig, sich mal miteinander zu unterhalten. Paul, Richard und Schneider sind auch sehr nett und freundlich zu uns. Aber wir wissen, dass Touren harte Arbeit ist und sehr ermüdend … ständig fragt alle Welt nach ihnen. Deswegen versuchen wir, nicht wie Kletten an ihnen dranzuhängen.

Habt ihr trotzdem eine lustige Anekdote von der Tour parat?
Einmal waren wir in Tills Umkleide, um Hallo zu sagen – da hatte er gerade eine Fotosession für eine Tierrechtsorganisation, deswegen haben wir ihn mit einem Igel in einem Brot angetroffen, wie in einem Sandwich. Das war wirklich lustig.

Jetzt, wo ihr sie kennengelernt habt: Sind RAMMSTEIN als Menschen so, wie ihr sie euch vorgestellt habt?
Wir waren sehr froh, als wir festgestellt haben, dass sie sehr bescheiden und stilvoll sind, auch im Umgang mit uns. Sie verlieren ihren Sinn für die Realität nicht. Und sie sind wirklich professionell.

2020 wird die RAMMSTEIN-Stadiontour fortgesetzt. Werdet ihr wieder dabei sein?
Das wissen wir selbst noch nicht.

Vielen Dank für eure Zeit und Antworten – die letzten Worte gehören euch!
Es hat uns sehr gefreut, zu sehen, wie nett und aufgeschlossen die Zuschauer auf dieser Tour waren. Hoffentlich hatten wir auch etwas Erfolg mit unserem Versuch, sie für klassische Musik zu begeistern. Es lohnt sich so sehr, die eigene Komfortzone auch mal zu verlassen!

Das ganze Special exklusiv auf Metal1.info:

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

2 Kommentare zu “Rammstein

  1. Einfach großartig.
    Super Teams in allen Bereichen. Ganz, ganz großen Respekt von mir für die extrem umfangreiche/vielseitige Gesamtkoordination aller Ebenen im RAMMSTEIN-Universum. Nach meinem Empfinden ist ein wichtiger Grundstein für das gute Gelingen, den funktionierenden Ablauf eines der RAMMSTEIN Credos:
    „Ein Kollektiv“

    Herzlichst
    Tobias

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