Das Cover von "Blood On Blood" von Running Wild

Review Running Wild – Blood On Blood

  • Label: SPV
  • Veröffentlicht: 2021
  • Spielart: Heavy Metal

Seit sie von einer echten Band zum De-Facto-Soloprojekt von Bandgründer Rock ’n‘ Rolf Kasparek geworden sind, lässt sich nur noch schwer sagen, ob RUNNING WILD heute in erster Linie vom Ruhm vergangener Tage leben. Hört man missglückte Platten wie „Rogues En Vogue“ oder das vor den Schrank gelaufene Comeback-Werk „Shadowmaker“, scheint der Fall klar: Spätestens nach „The Brotherhood“ von 2002 war es vorbei mit der Relevanz der Hamburger. Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Vermutlich werden RUNNING WILD in diesem Leben nicht mehr an Jahrhundertalben wie „Port Royal“, „Death Or Glory“ oder „Black Hand Inn“ anknüpfen können. Ihre letzte volle Platte „Rapid Foray“ hat aber gezeigt, dass Herr Kasparek noch immer einen ganzen Langspieler mit guten Songs füllen kann. Nach der zumindest anständigen EP „Crossing The Blades“ erscheint mit „Blood On Blood“ nun endlich ein neues Album der norddeutschen Metal-Urgesteine.

Tatsächlich dürften Fans an „Blood On Blood“ nur wenig auszusetzen haben: Schon der Titeltrack entführt mit für RUNNING WILD typischen Riffs und Melodien nebst charakteristischen Gesangslinien zurück in die Zeit von „Port Royal“ oder „Black Hand Inn“. Auch „Diamonds And Pearls“ erweckt das Power-Metal-Feeling der stilbildenden Phase der Hamburger zu neuem Leben und die Shanty-Melodien von „The Shellback“ schicken den Hörer sofort auf Kaperfahrt mit Käpt’n Kasparek. Natürlich sind all diese Songs auch Selbstzitate, aber sie umschiffen gekonnt das – peinliche – Selbstplagiat und zeigen, dass RUNNING WILD und ihr Bandkopf auch heute noch in der Lage sind, authentische Songs zu schreiben. Besser als in diesen Nummern könnten die Hanseaten 2021 vermutlich nicht klingen.

Wie schon immer bei RUNNING WILD finden sich neben diesen Piratenhymnen auch jene Songs, in denen der Bandchef seiner Liebe zum klassischen Hard Rock frönt. Die gelungensten dieser Nummern sind sicherlich „Say Your Prayers“, das in seiner Kantigkeit auch auf Platten wie „The Rivalry“ Platz gefunden hätte, sowie „Wings Of Fire“ mit seinem teutonisch-bissigen Mainriff. Das eindeutig an Thin Lizzy angelehnte „Wild And Free“ fällt ebenfalls nicht weiter aus der Rolle, erfüllt aber eher die Fuktion von Füllmaterial. Die größte Überraschung auf „Blood On Blood“ kommt mit „One Night One Day“, einer balladesk einsetzenden AOR-Hymne mit Kiss-Charakter, die vollkommen anders als jeder bisherige RUNNING-WILD-Song klingt. Zunächst fühlt sich der Song somit etwas seltsam an, baut aber schön auf und überzeugt mit tollen Melodien. Obendrein ist  es wirklich schön, dass die Truppe auch heute noch zu überraschen weiß.

Was den Klang von „Blood On Blood“ angeht, so gehen RUNNING WILD respektive ihr Bandkopf den gleichen Weg wie schon in der Vergangenheit: Im Alleingang vom Chef aufgenommen und abgemischt, klingt die Platte ganz ähnlich zu ihrem Vorgänger druckvoll und staubtrocken. Schön daran ist, dass der traditionelle Sound der Band so seit einiger Zeit mit einem fetten, modernen Klangbild versehen wird. Im Großen und Ganzen geht das auch in Ordnung, allerdings erscheint es manchmal so, als füge sich vor allem das Schlagzeug nicht so recht ins Gesamtbild ein. Das mag daran liegen, dass vor allem die Snare mit einer Hallfahne versehen wurde, die sogar in den ’80ern ein bisschen zu viel des Guten gewesen wäre. Vielleicht wären RUNNING WILD beim nächsten Mal ganz gut beraten, mit einem externen Mischer zu arbeiten – einfach, weil der etwas mehr Abstand zum Material hat.

Im Falle von „Blood On Blood“ hat Kapitän Kasparek nicht nur ein Album mit guten Songs gefüllt, sondern wahrscheinlich die beste RUNNING-WILD-Platte seit der Rückkehr der Band im Jahr 2011 zustande gebracht. Überraschen die Songs im Einzelnen? Kaum. Aber das Werk als Ganzes klingt doch (noch) authentischer als die sonstigen jüngeren Veröffentlichungen der Hamburger. Tatsächlich fühlt man sich in den besten Momenten von „Blood On Blood“ in die Zeiten legendärer Alben wie der eingangs erwähnten „Port Royal“ oder „Black Hand Inn“ zurückversetzt. Das macht „Blood On Blood“ nicht zum besten Album der Karriere von RUNNING WILD, wie es der Frontmann bei diversen Ankündigungen vollmundig verkündete – das Feeling aus der bis heute stärksten Phase der Truppe ist aber zumindest deutlich spürbar. Das ist viel wert.

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Wertung: 8.5 / 10

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