Review Saxon – Heavy Metal Thunder – The Movie

  • Label: EMI
  • Veröffentlicht: 2012
  • Spielart: Heavy Metal

Freunde der Musikdokumentationen aufgepasst! SAXON veröffentlichen dieser Tage ihre neue DVD „Heavy Metal Thunder – The Movie“. Wie der Name schon sagt, gibt es hier nicht primär einen Konzertmitschnitt zu bewundern, sondern eine Dokumentation über den Aufstieg und die Zwischentiefs einer der bekanntesten Bands der New Wave Of British Heavy Metal.

Die Reise beginnt im recht trostlos wirkenden Großbritannien der 70er Jahre. Junge Arbeiterkinder tun sich zusammen und gründen eine Band, die sie zuerst „Son Of A Bitch“ nennen und die anfänglich mit Coverauftritten, später vermehrt mit eigenem Material „in jedem Keller Englands“ spielt, wie der Erzähler erklärt. Acht Jahre führt die Band ein Wandermusiker-Dasein und schläft oft in einem zugigen Tourbus. Die Dokumentation legt besonderen Wert auf diese konstitutive Phase der Band, also auf das Ende der 70er bis hin zu den großen Erfolgen Anfang der 80er. Erfreulich viel Raum wird zudem der folgenden Phase stilistischer Verwirrungen eingeräumt, die ihre Ursache in dem Versuch hatte, den US-amerikanischen Markt zu erobern und mit dem „Crusader“-Album begann (1984). Hier zeigt sich sogar Biff selbstkritisch, wenn auch der Fehler vor allem im Management gesucht wird. Über den langsamen Weg zurück nach oben, den man wohl mit dem „Solid Ball Of Rock“-Album (1991) ansetzen kann, führt die Dokumentation danach in die jüngste Gegenwart und zum qualitativen Hoch im Schaffen, das die Band seit dem „Lionheart“-Album (2004) wieder erreicht hat.

Erzählerisch ist die Dokumentation nicht gerade kreativ, aber gut gemacht. Interviews mit Musikern der Band, allen voran natürlich Biff, werden mit Bildern prägender Orte sowie historischen Fotografien und immer wieder Liveauftritten abgewechselt. Aufgelockert wird dies durch Gespräche mit anderen Musikern, die mit SAXON aufgetreten sind oder sie schon lange kennen – dabei darf natürlich der unvermeidliche Lemmy Kilmister nicht fehlen, der unter anderem erzählt, wie er versucht hat, den jungen Briten Drogen und Schnaps zum Frühstück näher zu bringen (er scheiterte). Zwischendurch gibt es immer wieder intime Einblicke in den Alltag der Band – zumindest in der Form, wie sich die gealterten Herren heute daran erinnern. Ob tatsächlich Groupies immer rumgereicht wurden und einer der Musiker Sex mit „nur“ zwei Personen in einem Raum erst kennenlernte, als er später heiratete, sei einmal dahingestellt. Denn ob es sich dabei nicht eher um rückwirkende Projektionen etwas älterer Herrschaften handelt, ist wohl auch nach dieser DVD nicht abschließend entschieden. Und darüber, wie viel SAXON tatsächlich zu den Szenen in „Spinal Tap“ beigetragen haben, gibt es sicher auch mehr als eine Geschichte. Plausibler, weil durch mehrere Quellen abgesichert, wirkt schon, dass die Band im Wesentlichen Tee trank, wenn sie tourte, und dem Alkohol abstinent blieb.

Was die Dokumentation aber wirklich interessant macht, ist, dass sie an anderer Stelle erstaunlich ehrlich wirkt. Die Streitereien in der Band, die mit dem Aufstieg Anfang der 80er einhergingen, und der ruppige Umgang mit ehemaligen Bandmitgliedern können deshalb so gelungen beleuchtet werden, weil eben auch die geschassten Bandmitglieder ordentlich Redezeit bekommen und ihre Sicht der Dinge darstellen können. Besonders der unter unschönen Umständen und auf unschöne Weise entlassene Ur-Bassist „Doobie“ Dawson rückt als Kronzeuge der Bandgeschichte fast gleichberechtigt zu Biff in den Fokus und setzt damit einen interessanten Kontrapunkt zur ansonsten präsentierten „Wir sind eine große Familie“-Erzählung, die Biff über die frühen Bandjahre ausbreitet.

Weil SAXON aber wissen, dass Metaller sich über Konzertmitschnitte freuen, gibt es auf „Heavy Metal Thunder – The Movie“ eine zweite DVD mit einer Bonus-Section. Dort findet sich noch einmal ordentlich Material, z. B. alte Interviews, Dokumentationen aus dem Studio oder zur gemeinsamen Tour mit Motörhead. Vor allem aber gibt es zwei Konzerte zu betrachten: SAXON auf dem St. George’s Day 2008 und SAXON im Beat Club 1981. Besonders Letzteres ist interessant, wenn auch ob des Alters die Qualität von Bild, Ton und Bühnenoutfits fragwürdig ist.

Fazit: SAXON haben hier ein Paket geschnürt, das jedem Fan der Band, aber eben auch an der eigenen Geschichte interessierten Metallern gefallen wird. Zudem gehört einiges an Mut dazu, nicht einfach eine geglättete SAXON-Geschichte zu verbreiten, sondern die alten Bandmitglieder nahezu gleichberechtigt mitwirken zu lassen. Wer Musikdokumentationen mag, sollte hier zugreifen.

Keine Wertung

Publiziert am von Marc Lengowski

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert