The Halo Effect Days Of The Lost
August 2022

Review The Halo Effect – Days Of The Lost (+)

Diese Ankündigung hat im Oktober 2021 so richtig eingeschlagen: Fünf ehemalige Mitglieder von In Flames gründen die neue Band THE HALO EFFECT. Dark-Tranquillity-Frontmann Mikael Stanne hat zwar nur das In-Flames-Debüt „Lunar Strain“ eingesungen und Niclas Englin war unter anderem bei den eher ungeliebten Alben „Battles“ und „I, The Mask“ an der Klampfe zu hören, die Freude über diese Nachricht war bei allen, die den „alten“ In Flames hinterhertrauern.

Mit der ersten „Days Of The Lost”-Single „Shadowlands“ haben THE HALO EFFECT das Lager der gespannten Anhänger direkt in zwei Hälften gespalten. Da ist die eine Hälfte, die sich wie kleine Kinder über dieses nostalgische Gefühl im Sound freuen. Das klingt wie ein Klassentreffen ehemaliger Freunde, die einfach wieder das spielen, was ihnen und vielen anderen früher so viel Laune gemacht hat. Dass der Song und das gesamte Album ganz stark nach „Clayman“ von In Flames (2000) und „Damage Done“ von Dark Tranquillity (2002) klingt, ist immer überdeutlich. THE HALO EFFECT sind sowas von extrem in den frühen 2000er Jahren des Göteborger Melodic Death Metal verwurzelt, dass alle Anhänger dieser Glanzzeit des Genres mit Freudentränen in Glückseligkeit ergehen müssten.

Das zweite Lager bringt aber ebenso seinen Standpunkt vor. Ein müder Abklatsch alter Großtaten sei THE HALO EFFECT, nichts Neues würde geboten werden und Altes nur aufgewärmt. Zum Teil stimmt das: „Days Of The Lost“ bietet nichts Neues – THE HALO EFFECT wollen aber ja gerade diese guten alten Zeiten wieder aufleben lassen, denen so viele Fans hinterhertrauern. So bietet „Days Of The Lost“ alle Trademarks, die den Melodeath und sowohl In Flames als auch Dark Tranquillity Anfang der 2000er so groß gemacht hat: Traumhafte Melodien, mitreißende Riffs, diese besondere, emotionale Atmosphäre und das alles in ziemlich direkten Songs, die schnell auf den Punkt kommen. Ob und wie sehr man sich an THE HALO EFFECT erfreuen kann, hängt also viel an der eigenen Einstellung dazu.

Wie das bei Klassentreffen so ist, werden die Freunde auch älter und so ist „Days Of The Lost“ keine reine Retro-Show und bietet durchaus auch ein paar moderne Elemente. Das großartige „Conditional“ ist sowohl ein waschechtes „Clayman“-/„Reroute To Remain“-Riffmonster mit starkem Refrain, sondern erinnert in manchen Melodien auch etwas an die „Sounds Of A Playground Fading“-Ära. „In Broken Trust“ zeigt im Riffing nicht nur überraschende Amorphis-Anleihen, sondern macht auch den Einfluss von Mikael Stanne deutlich: Hier und bei weiteren Songs lässt er seinen Klargesang hören, der die melancholische Atmosphäre von „Haven“ und „Projector“ aufleben lässt. Stanne befindet sich sowieso in der Form seines Lebens, der ausdrucksstarke Sänger ist mit unfassbarem Charisma ist in jeder Sekunde eine Wucht.

Überhaupt schlägt das stilistische Pendel aufgrund der gezeigten Atmosphäre öfter in Richtung Dark Tranquillity aus. „Gateways“ oder das abschließende, modern klingende „The Most Alone“ klingen stark nach Stannes Hauptband, auch eine emotionale Prise Insomnium steckt durchaus drin. Meistens, wie bei „A Truth Worth Lying For“ oder “Last Of Our Kind” – mit Trivium-Sänger Matt Heafy als Gast – drücken THE HALO EFFECT aber aufs Gaspedal und sind flott unterwegs.

THE HALO EFFECT machen auf “Days Of The Lost” alles richtig. Der Fünfer lässt die glorreichen Zeiten des Melodic Death Metal wieder aufleben und legt genau das Album vor, dass sich so viele Hörer nach „Reroute To Remain“ und „Damage Done“ gewünscht haben. Damit sind THE HALO EFFECT nicht etwa 20 Jahre zu spät dran, sondern geben vielen Menschen in schweren Zeiten ein Stück Nostalgie mit Gedanken an schönere und unbeschwertere Tage. Vielleicht ist „Days Of The Lost“ auch durch diesen Umstand ein so schönes, so wohltuendes, so glücklich machendes Album geworden. Manchmal ist nicht das Neue und Unerwartete das, was man braucht und will, sondern etwas verloren geglaubtes, das der Gemeinde so lange gefehlt hat.

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Wertung: 8.5 / 10

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5 Kommentare zu “The Halo Effect – Days Of The Lost (+)

  1. Solides Album. Für ein solches All-Stars Line-Up zwar insgesamt eine etwas zu generische Reise durch die Melodeath-Geschichte, aber macht schon trotzdem Spaß. Innovativ ist daran leider aber gar nichts.

  2. Also für mich ist es bis jetzt das Album des Jahres…… Melodien, Sound, Gesang, Songs, alles nicht neu, aber vom Feinsten, bin weder In Flames noch DT Fan, von In Flames kenne und liebe ich wenigstens das Clayman Album, von DT habe ich noch kein einziges Album angehört, live zwar paarmal gesehen aber hat nie gezündet. The Halo Effect habe ich live bei Ihrem ersten Konzert beim Sweden Rock gesehen und es hat mich sofort abgeholt. Habe dem Album Release entgegen gefiebert und wurde nicht enttäuscht, bis jetzt bestimmt 20x gehört und keinerlei Abnutzungserscheinungen. Habe mir nacheinander die neuen Alben von Arch Enemy, Amon Amarth und eben The Halo Effect angehört und die einzige Scheibe die ich noch einmal oder immer wieder anhören wollte war Days of the Lost…. Für mich 10/10

  3. Ich kann mir nicht helfen, ich finde das Album von vorne bis hinten enttäuschend. Aus diversen Gründen. Stanne ist imo zwar der sympathischste, aber leider kein sonderlich vielseitiger Sänger – und er versuchts ja auch nicht. Nicht zuletzt deshalb klingen die besseren Teile halt 1:1 wie langweilige Dark Tranquillity („The Needless End“), andere sind genau solche Songs, die bei In Flames jeder gehasst hat („Conditional“). Das schlimmste aber ist, dass die meisten Songs an mir über weite Teile komplett spurlos vorüberdüdelt … und dieser Ensiferum-Einschlag bei DOTL ist richtiggehend unangenehm. „Klassischen“ Göteborg-Metal hört man hier gar nicht, und ansonsten … ja, wie gesagt … wenn DAS jetzt die Offenbarung sein soll, kann ich mir auch gleich nochmal „I, The Mask“ reintun. Ne, sorry.

  4. „THE HALO EFFECT machen auf “Days Of The Lost” alles richtig. Der Fünfer lässt die glorreichen Zeiten des Melodic Death Metal wieder aufleben und legt genau das Album vor, dass sich so viele Hörer nach „Reroute To Remain“ und „Damage Done“ gewünscht haben.“ – Schöner hätte man es nicht sagen können. Ob es jetzt tatsächlich Nostalgiegründe sind, ich weiß es nicht, aber ich feiere das Album auch sehr.
    Und wie im Rezer ja schon beschrieben, klingt das Album auch für mich nicht, wie eine reine 1-zu-1-Kopie alter Heldentaten, sondern lässt eben auch mal einige Auflockerungen zu.
    Für mich zum jetzigen Zeitpunkt eines der persönlichen Top 10 Alben 2022.

    1. Danke! Bin echt sehr überrascht worden von dem Album und hatte die Band nach den ersten beiden Singles insgeheim schon ein bisschen abgeschrieben, weil das alles sehr nach reinem Aufwärmen alter Kamellen klang. Schön, dass es anders gekommen ist und das Potential für ein Top-10-Album ist auf jeden Fall gegeben.

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