Review Wöljager – Van’t Liewen Un Stiäwen

Vor über zwanzig Jahren wurden die vermeintlich so gegensätzlichen Genres Black Metal und Folk erstmals miteinander vermischt und damit etwas ganz Besonderes geschaffen, das auch heute noch fasziniert und emotional fesselt. Große Namen wie Ulver, Dornenreich und natürlich nicht zuletzt Empyrium haben sich zumindest phasenweise sogar gänzlich dem Folk zugewandt. Da verwundert es nicht, dass nun auch Helrunar diesen Schritt wagen. Genauer gesagt eigentlich nur Frontmann Marcel Dreckmann, der mit WÖLJAGER ein rein den akustischen Klängen frönendes Projekt geschaffen hat. Aber hat dessen Debüt „Van’t Liewen Un Stiäwen“ überhaupt noch Relevanz oder handelt es sich dabei nur um eine durchschnittliche Folk-Platte, die schon bald wieder in Vergessenheit geraten wird?

Bereits der Titel lässt Ungewöhnliches erahnen, denn tatsächlich sind die gesamten Texte des Albums im Münsterländer plattdeutschen Dialekt verfasst. Nicht minder interessant ist das Themenkonzept, es geht nämlich um einen sogenannten Spökenkieker, einen Schwarzseher, der am Übergang vom 19. ins 20. Jahrhundert sein Dasein mit seiner unheilvollen Gabe fristet und sogar den Ersten Weltkrieg miterlebt. WÖLJAGER erzählen eine Geschichte über das Außenseitertum, über verlorene Liebe und über gesellschaftlichen Wandel. Trotz der eigentümlichen sprachlichen Umsetzung kann man der Geschichte gut folgen, je genauer man hinhört, desto mehr versteht man intuitiv, selbst wenn man dieses Dialektes nicht mächtig ist.
Neben den Texten begeistern WÖLJAGER aber auch musikalisch. Nicht nur bezüglich des Covers lassen sich Parallelen zu Empyrium ziehen, allerdings klingt „Van’t Liewen Un Stiäwen“ die meiste Zeit über sogar noch schwermütiger als beispielsweise „Weiland“. Der Titeltrack ist Musik gewordene Melancholie, die Akustikgitarren in „Swatte Äer“ und die Streicher in „Up’n Likwä“ erzeugen hingegen eine eher mysteriöse, düstere Stimmung. Demgegenüber stehen das ausgelassene „Kuem To Me“ und das tanzbare „Junge Dään“, die eine eigentümliche Mischung aus Freude und Melancholie ausdrücken. Und dann gibt es da noch Tracks wie das instrumentale „De Aolle Schwatters Föert To’n Deibel“, das tragischer als jede Trauerprozession klingt.
WÖLJAGER behandeln also ein großes Spektrum an musikalischen Motiven, was sich unter anderem damit erklären lässt, dass das Album ursprünglich als Theaterstück umgesetzt werden sollte. Trotzdem ist das Album durchgehend stringent, zumal man sich bei der Instrumentalisierung auf das Wesentliche, also Akustikgitarren und tragische Streicher sowie spärliche Perkussion besonnen hat. Der Gesang ist sehr kraftvoll, aber keinesfalls rau, dasselbe lässt sich eigentlich auch von der Produktion sagen.

Marcel Dreckmann hat mit WÖLJAGER trotz aller Ähnlichkeit zu Empyrium & Co eine eigenständige musikalische Entität geschaffen. „Van’t Liewen Un Stiäwen“ ist unglaublich ausdrucksstark, mitreißend, gefühlvoll und durch den Einsatz des eigentümlichen Dialektes auch noch sehr authentisch. Schon beim ersten Mal Hören taucht man so sehr in die Geschichte ein, dass man sich in der Zeit zurückversetzt fühlt. Trotzdem kann man nur hoffen, dass das angedachte Theaterstück eines Tages doch noch Realität wird, sodass man die Handlung in einer weiteren Kunstform miterleben kann.

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Wertung: 9 / 10

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