Interview mit Aldrahn von Urarv

URARV veröffentlichen mit „Aurum“ das Album, auf das Fans alter Dødheimsgard vermutlich seit 20 Jahren warten. Warum Gutmenschentum und psychedelische Drogen, Norweger und Schweden oder Black Metal und Punk durchaus zusammen passen, und was es bedeuten kann, wenn man einmal zusammen über denselben Zaun schaut, lest ihr in einem sehr persönlichen Gespräch mit dem so sympathischen wie eigensinnigen Bandleader Bjørn „Aldrahn“ Dencker.

Du sagtest mir einmal, du würdest mit URARV etwas machen wollen, das du noch nie zuvor getan hast. Was ist an dieser Band anders als an allen deinen vorigen musikalischen Erfahrungen?
Cheers! Ja, das stimmt. Ich habe mich zumeist irgendwie eingeengt gefühlt in den Kompositionen anderer Leute, mit denen ich mich dann arrangieren musste, künstlerisch und auch auf einer sozialen Ebene. Diesmal hatte ich volle Freiheit in allen Aspekten der Musik, was mich dazu geführt hat, eine Quelle vieler Geheimnisse aufzutun, die in meinem künstlerischen Labyrinth verborgen sind. Ich habe alle möglichen Ideen und Stimmungen untergebracht, die mich schon seit Ewigkeiten begleiten. Ich bin in der Lage gewesen, eine Symbiose verschiedener Genres und musikalischer Tätigkeitsfelder zu erschaffen, die immer schon ein großer Teil meines Lebens und meiner Inspiration waren. Diesmal gibt es keine Grenzen und Kompromisse, was ich sehr genieße.

Letztes Jahr bist du, relativ überraschend, ein weiteres Mal aus Dødheimsgard (DHG) ausgestiegen und relativ gleichzeitig mit der URARV-Promo an die Öffentlichkeit getreten. Sind beide Bands etwas, das nicht parallel existieren kann oder möchte, oder was war der Grund für dein Ausscheiden aus DHG? Ist das eine dauerhafte Entscheidung, oder wirst du später zurückkehren?
Immer dasselbe Problem, Koexistenz mit anderen Menschen scheint eine Überforderung in meinem Leben zu sein, zumindest auf lange Sicht. Ich finde Menschen langfristig irritierend, selbst die, die ich meine Freunde nenne, und wie ich eben schon sagte, bin ich nicht so gut im Kompromisse Machen und Kontrolle Abgeben, oder noch schlimmer, darin, der Zweite dabei zu sein, Entscheidungen zu treffen. Eine Menge Egoprobleme, die mich herausfordern.
Es gab aber auch noch andere Umstände, die dazu führten, dass ich aus dem DHG-Camp raus wollte, wie Touren zum Beispiel. Ich hasse es, in diesen beschissenen Nightlinern auf Tour zu gehen. Das ist nicht meine Vorstellung vom Leben, schlechte Betten, schlechtes Essen, schlechte Duschen, schlechte Toiletten, alles ist scheiße. Und am Ende kommst du zurück nach Hause, komplett pleite und mit Problemen, deine Rechnungen zu bezahlen. Wenn du Musik machst, ist es doch immer so, dass die anderen Leute mit dem Geld abhauen, das du verdient hast, wenn du überhaupt was verdient hast. Nein, das ist einfach nicht meins. Ich würde es bevorzugen, auf Festivals zu spielen, da gibt es meistens wenigstens vernünftige Unterkünfte, das ist mir echt wichtig.
Vor allem aber ist die Zusammenarbeit und die Mischung aus Freundschaft und Arbeit mit Yusaf (Vicotnik – Anm. d. Red.) unmöglich geworden und für uns beide zu schwierig zu händeln. Ich denke, es ist an der Zeit, getrennte Wege zu gehen, wenn du das Gefühl hast, dass es keinen Spaß mehr macht, im selben Raum zu sein.

Wann hast du begonnen, mit und für URARV zu arbeiten? Wolltest du von Anfang an eine komplette, live-fähige Band aufbauen, oder sollte es mehr eine Studioband sein?
Die Idee für URARV kam 2003, während eines Aufenthaltes in der lokalen Nervenheilanstalt. Ich erinnere mich, dass ich eines Abends ausgesperrt draußen auf dem Gelände war, als mir die Idee für das Projekt kam. Alle möglichen Fetzen und Puzzleteile drangen in mein Bewusstsein. Aber es brauchte viele Jahre, bis sie eine passende Form annahmen.
Zuerst dachte ich, es könnte eine Einmannband mit Drumcomputer sein. Dann dachte ich, es könnte echt spaßig sein, eine ganze Band daraus zu machen, zu proben und so, also schrieb ich irgendwas auf Facebook, dass ich einen Drummer und einen Bassisten suche. Es dauerte nicht lange, bis Patricia (Trish – Anm. d. Red.) mich wegen der Drums anschrieb und nachdem ich Kontakt zu verschiedenen Bassisten hatte, stieß ich auf den brillianten Sturt als einen wirklich interessierten Musiker, der diesen Teil übernehmen wollte.
Nachdem wir einige Monate lang geprobt hatten, sprachen wir über die Möglichkeit, auch live zu spielen, und entschieden uns, nach einem zweiten Gitarristen zu suchen. So kamen wir in Kontakt mit Jacob (Ynleborgaz – Anm. d. Red.) von Make A Change, Kill Youself und Angantyr, der sich bereithält, wenn wir ein gutes Angebot bekommen sollten, zu spielen.
Das ist allerdings nicht mein wesentliches Interesse. Ich mag es einfach, Musik zu machen und aufzunehmen und dann zu veröffentlichen – und dann wieder zurückzukehren zum Notizblock und weitere Musik zu machen. Mein Gefühl sagt mir, dass diese Bühnensache gelegentlich ganz spaßig ist, aber nachdem wir mit DHG lange gespielt hatten, hatte ich genug davon. Wenn das Angebot nun aber echt attraktiv ist, spielen wir vielleicht trotzdem.

Damit besteht das URARV-Line-Up vollständig aus sehr erfahrenen Musikern der norwegischen und dänischen Black Metal-Szene. Prätentiösere Bands würden das vermutlich als „Supergroup“ bezeichnen. Was verbindet dich musikalisch und persönlich mit deinen Mitmusikern? Haben Sie Einfluss auf deine Musik?
Neben den Dingen, die ich eben schon nannte, haben sie alle fantastisch sowohl musikalisch als auch praktisch zur Band beigetragen. Patricia ist ein ruhelos tätiger Mensch, was sie zu einer perfekten Schlagzeugerin macht, außerdem ist sie überaus entspannt und hochgradig verlässlich und zudem inspirierend und antreibend. Sturt ist ein fabelhafter Bassist, er komponiert seine Basslinien frei aus seinem eigenen kreativen Repertoire, und das passt perfekt, so hätte ich es vermutlich auch gemacht. Wie er es mal formuliert hat, als wir über diese synchronisierten Ideen sprachen: „Du und ich, wir müssen mal über den selben Zaun geschaut haben!“. Das trifft es wohl.
Jacob ist ein sehr aufnahmefähiger Mensch und Gitarrist, scharfsinnig und technisch klasse, gut zu wissen, dass er an Bord ist, wenn wir mal live spielen sollten. Er musste nicht Teil des Albums sein, weil ich das selbst konnte, aber er hat von Anfang an viel Enthusiasmus und Hingabe gezeigt, sodass ich ihn mit einer dritten Gitarre auf dem Album haben wollte. Das ist auch ziemlich nett geworden, würde ich sagen.

Aurum“ hat viel „Kronet Til Konge“- und teils auch „Monumental Possession“-Flair, teils wegen der avantgardistischen, swingenden Parts erinnert es mitunter sogar an „666 International“. War das etwas, das du intendiert hast, oder ist das einfach ein Resultat deines Kompositionsstils?
Ich verstehe, was du meinst und stimme dir zu. Trotzdem war das nicht meine Intention. Ich bin nicht mit dem Vorhaben gestartet, etwas Vergleichbares zu machen, aber es ist wohl natürlich, dass einige Parts an Zeug erinnern, das ich früher komponiert habe. Das stammt alles aus der selben Quelle, wenn auch eventuell etwas gerichteter und weiter entwickelt, über die letzten Jahre.
Es gibt einen Song, der davon handelt, wie ich nach einer langen Zeit der Abwesenheit wieder zurück zur Musik kam. Das Stück heißt „The Retortion“, und ich würde sagen, es ist der Song mit dem höchsten Grad an „Kronet Til Konge“-Stil-Riffing.

Ich vermute, dass es relativ schwierig ist, mit einer so weit verstreut lebenden Band aufzunehmen. Wir habt ihr das gemacht, wer hat euch bei Mix und Mastering geholfen? Hattest du einen speziellen Klang oder eine Atmosphäre im Kopf, die ihr verfolgt habt?
Eigentlich leben wir gar nicht so weit auseinander. Wenn man Jacob ausnimmt, der in Dänemark lebt, leben zwei von uns in Oslo und ich eine kurze, zweistündige Fahrt mit dem Zug von Oslo entfernt. Das mit dem Mix war mehr oder minder Zufall, auch wenn ich nicht an Zufälle glaube. Wie dem auch sei, ich besuchte meine Freundin in Paris, und als ich dort war besuchte ich einen langjährigen Die-Hard-DHG-Fan, der gerade eine Coverversion von einem der „Kronet Til Konge“-Songs machte. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, den Gesang beizusteuern und das klang interessant. Als wir in seinem Studio waren, kam mir die Idee einer möglichen Kooperation und ich fragte ihn, ob er interessiert wäre, das Album zu mischen – und er war absolut angetan davon.
Ich bin so froh, ihn getroffen zu haben und habe ihm mächtig zu tun gegeben. Insgesamt ist das besser geworden, als ich es je vorhergesehen habe. Er hat echt ein Händchen dafür und eine Menge Ahnung vom Mixen und das kam uns sehr gelegen. Weil er eben auch ein DHG-Fan ist, wusste er schon, wohin die Reise gehen sollte, und meinem Geschmack nach ist das Ergebnis wirklich besser als alles, worauf ich hätte hoffen können. Irgendeinen speziellen Sound hatte ich aber nicht im Kopf, nein.

Was hast du für künstlerische Ziele, wenn du so ungewöhnliche Elemente wie Pfeifen, Didgeridoos und „Yee-Haw“-Ausrufe in deiner Musik unterbringst?
Weiß ich wirklich nicht. (lacht) Ich mache einfach, was mir in den Sinn kommt, und wenn es mir gefällt, lasse ich es so. Trotzdem finde ich es unterhaltsam, die Grenzen traditioneller Black-Metal-Mentalität zu sprengen. Und ich wollte tatsächlich kein sogenanntes Black-Metal-Album erschaffen. Ich wollte vielmehr in viele Richtungen experimentieren, die vorher schwierig für mich waren, wo es zu viele Bedenken und Kompromisse gab – wie ich vorhin erklärt habe – , mich so weit wie möglich mit dieser Band ausdrücken, und damit bewegt sich das Album sicherlich mitunter an den Grenzen des Black Metals. Das ist aber völlig in Ordnung für mich. Es ist ja nicht wichtig, Black Metal zu erschaffen, sondern Musik ohne irgendwelche Bezeichnungen.

Als Künstler mit vielseitigen Talenten – welcher Aspekt des Erschaffens ist für dich der schönste? Komponieren, Schreiben, Gitarre Spielen, Singen, Aufnehmen, live Spielen, Malen, Zeichnen… ?
Danke dir. Alles im richtigen Moment. Da sind alle diese Leidenschaften in meinem Leben und waren auch immer schon da, und das ist so ziemlich das einzige in meinem Leben, das ich interessant finde und womit ich nie aufgehört habe. Alles davon macht auf verschiedene Arten und Weisen Spaß, aber da es fast unmöglich ist, mit Musik Geld zu verdienen, habe ich mich im Wesentlichen auf Zeichnen und Tätowieren als Hauptausdrucksform verlegt, weil es auch für Essen auf dem Tisch sorgt und weil es das Betätigungsfeld ist, bei dem ich am meisten spüre und wo ich am meisten beitragen kann.

Ihr habt, soweit ich weiß, 14 oder mehr Songs aufgenommen, aber nur acht davon sind auf dem Album „Aurum“ zu finden. Wie habt ihr die Stücke dafür ausgesucht, und was passiert mit den anderen?
Das stimmt, wir hatten viel zu viel Musik für ein Album, also mussten wir ein paar ausschließen. Das ist natürlich die Hölle, aber mit vielen Vorschlägen und Ratschlägen meiner lieben Freundin und ewigem Durchdenken kamen dann am Ende die acht heraus, die jetzt auf dem Album sind. Die übrigen werden irgendwann später auf einem Mini-Release landen.

Wenn man sich das Material anhört, das ihr aufgenommen habt, beeindruckt zumindest mich enorm, wie konsequent ihr auf Genregrenzen und Konventionen pfeift. Meine Erfahrung ist, dass sehr wenige Menschen wirklich nach dieser Attitüde leben, während sie sie gleichzeitig preisen – jedenfalls in der Black Metal-Szene. Wie hast du diese Einstellung entwickelt?
Ja, das ist witzig, oder? Ich habe einfach nicht im Kopf, dass irgendwas so und so klingen soll oder bestimmte Klischees erfüllen muss, ich mache einfach, was sich für mich natürlich anfühlt, ohne Angst, dass es seltsam sein oder nicht den Geschmack anderer Leute treffen könnte.
Ich mochte es nie, irgendetwas so strikt zu bezeichnen, das schafft nur illusorische Grenzen und täuscht auch über vieles. Ich liebe die Freiheit, und Musik ist vielleicht die einzige Sache im Leben, wo ich das in diesem Ausmaß finde, zumindest in Bezug auf die Freiheit des Ausdrucks. Ich wäre verdammt, wenn ich diese einzigartige Chance zur Freiheit nicht in vollem Ausmaß nutzen würde.
Über die Jahre bin ich mehr und mehr aus meiner Hülle des Selbstbetrugs und der Unsicherheiten hinausgewachsen und eine ehrlichere Persönlichkeit geworden, die eigentlich nur ihr eigenes Ding machen und ihren eigenen Weg gehen möchte, in allen Aspekten des Lebens. Ich fand standardisierte Wege und Konventionen immer schon provokant. Konservativismus ist schon seit meiner Kindheit mein Feind und jetzt, als Mensch im Erwachsenenalter, kümmere ich mich einfach nicht mehr so sehr um alles außerhalb meiner Interessengebiete. Ich liebe es, wenn ich jemanden so richtig ankotze mit meiner „ich pisse auf deine Türschwelle“-Attitüde. Na gut, ich gebe zu, das ist nicht allzu erwachsen. (lacht)

Über die letzten zwanzig Jahre bin ich immer wieder in Diskussionen über die Kernidee des Black Metal verwickelt. Ich würde sagen, dass Black Metal im Wesentlichen als lose Verbindung von Rebellen und Freidenkern begann, besonders in der norwegischen Szene, und sich dann schnell in eine sorgfältig überwachte Szene mit strikten Regeln und Vorgaben entwickelt hat. Für mich hat Black immer bedeutet, auszudrücken, was du fühlst, ohne Regeln und Rahmen, die es zu beachten gilt. Wie ist deine Meinung dazu, als Musiker mit 25 Jahren direkter Erfahrung?
Als teilhabender Musiker finde ich es traurig, zeitweise peinlich, lächerlich und auch schmerzhaft, weil das doch sehr deprimierend sein muss, sich an so viele Restriktionen halten zu müssen. Muss ein schlimmer Fall von „Jailhouse Rock“ (gemeint ist wohl eine Tanzveranstaltung im Rahmen eines Gefängnisses, nicht der Elvis-Presley-Song – Anm. d. Red.) sein. (lacht) Ich finde das auch schwer zu verstehen, ich meine, diese ganzen Individuen reden über Freiheit, Ehre, Stolz und so etwas, mit so großen Worten, dass sie den Himmel zum Einsturz bringen könnten. Und dann, am Ende, strahlt das Ergebnis so hell wie eine Glühbirne, wenn überhaupt. So viel Gerede darüber, kein Schaf zu sein, das den Massen folgt, aber in Wahrheit tun diese Menschen innerhalb ihres Umfeldes auch nichts anderes. Alles Schafe, genau wie die anderen, und der einzige Unterschied ist vielleicht, dass sie kein Glöckchen um den Hals haben, sondern einen Thorshammer oder ein umgedrehtes Kreuz.
Aber … vielleicht verstehe ich das zum Teil auch. Black Metal ist, genau wie andere Subkulturen, ein Tummelplatz für Außenseiter und Leute, die woanders nicht reinpassen. In solchen Fällen geht es immer eher darum, Teil von irgendetwas zu sein als darum, musikalisches Erbe oder eine bestimmte Ideologie zu pflegen. Da hilft so etwas, eine Kultur so zu erhalten, „wie sie immer war“, was für Menschen wichtig ist, die Angst haben vor Veränderungen. Das trägt dazu bei, ein Gefühl der Konsistenz zu erleben, oder die Illusion von Sicherheit. Ich weiß auch nicht… das ist definitiv ironisch, da stimme ich dir voll zu, dass das Musik ohne Grenzen und Regularien sein soll, da wirkt dieses starre Regelwerk erst recht absurd.

Was ist denn das künstlerische Anliegen von URARV im Gegenzug dazu? Teilst du durchaus noch klassische Black Metal-Ideale mit anderen Musikern? Ist die Band mehr eine persönliche, kathartische Ausdrucksform, oder möchtest du etwas in den Köpfen deiner Hörer verändern?
Wenn es ein Ziel gibt, dann wäre das, etwas zu erschaffen, das meinem Herzen so nahe kommt wie irgendwie möglich. Damit meine ich, dass ich etwas aus den tiefsten Tiefen meiner menschlichen Erfahrungen heraus schreiben möchte. Ich will, dass das so weit wie möglich in die Gewölbe meiner Existenz reicht, und darüber hinaus sich eher auf meine Schwächen als auf meine Stärken fokussiert, weil das einfach so viel herausfordernder ist, sowas in die Öffentlichkeit zu tragen, als über Ehre, Stolz, Stärke und anderen ähnlichen überstrapazierten Kram zu schreiben. Das geht alles klar, ich will nicht sagen, dass Stärke nicht eine wichtige und ausdruckswürdige Eigenschaft ist, das hat sicher seinen Platz, aber schwierige Emotionen brauchen auch ihren Ausdruck.

Ich denke, der Ausdruck Black Metal ist ziemlich verfangen in engstirnigen Ideen und Trugschlüssen. Man vergisst wohl, dass das Musik ist, die von den dunklen Seiten des Lebens herrührt und nicht nur ein idealistisches Bild ist. In anderen Worten heißt das, dass es mit so ziemlich jedem Aspekt der Existenz in Verbindung gebracht werden kann, nicht nur Satan Satan Satan und noch mehr Satan. Das finde ich, nebenbei gesagt, sehr sehr sehr überstrapaziert und meistens langweilig und enttäuschend. Das ist doch viel zu leicht gemacht, immer wieder denselben Scheiß zu benutzen, den schon andere Bands millionenfach durchgekaut haben. Im Speziellen dann, wenn selbst diese Bands nicht besonders viel zu bieten haben. Mir fallen nur eine Handvoll Künstler ein, die diese Teufelsanbetung in der Musik glaubhaft machen, und der Rest scheitert ziemlich kläglich, in meinen Augen.

Ich kenne dieses Argument, Black Metal sei satanisch oder müsse satanisch sein, und respektiere das als Gemeinplatz. Bis zu einem gewissen Punkt stimme ich dem sogar zu, wenn Satan unsere Ego-Identität meint und damit das Äquivalent zu dem ursprünglichen Grund für alles Übel und Leid der Menschheit ist. Ja, das Wort Satan und was es impliziert, mag nützlich sein, wenn man düstere Kunst erschafft, aber da gibt es so viel mehr zu zeigen als diese Idee alleine, und gerade Black Metal bietet sich doch als Chance an, mit allen möglichen Werkzeugen und Zutaten ein bestimmtes Ergebnis zu erreichen.
Auf meiner Agenda steht nicht, irgendwas zu ändern, weder die Gemüter der Menschen oder Lifestyle-Entscheidungen oder die Welt. Das wollte ich nie, und das ist auch eine trügerische Intention. Wenn das irgendwas ändern sollte, dann ist das gut, wenn nicht, passt das für mich auch.

In den englischen Texten des Albums nehme ich eine subtile Aggression und ein Gefühl der Kritik daran wahr, wie sich die Menschheit in der modernen Gesellschaft entwickelt, und gleichzeitig sind die Texte sehr persönlich und fast intim. Wie ist das mit den norwegischen Texten?
Ja, das stimmt. Ich schätze, meine Wurzeln im Punk können relativ gut bei URARV wahrgenommen werden. Ein großer Teil dieser Weltsicht-Kritik und des emotionalen Schmerzes haben sicher damit zu tun, Teil dieses Höllenspielplatzes zu sein. Ich denke, das hat viel mit Suche nach Seele zu tun, es ist eine Art Meditation oder sowas für mich.
Es ist interessant, aus einer persönlichen Sicht zu schreiben, ohne irgendwelche Filter. Ich wollte die Texte schlicht halten, nicht tonnenweise komplizierte Wörter verwenden, für die man erst das Lexikon rauskramen muss, um sie zu verstehen, und sie nicht so kompliziert machen, dass mein Ziel völlig vergraben ist unter Dutzenden komplizierten Ausdrücken und Wortspasmen.
Die norwegischen Texten sind ähnlich, aber wenn ich sie singe, spüre ich sie intensiver, natürlich, weshalb sie vielleicht etwas pointierter wirken.
Schreiben als Passion ist, ganz generell, ein Ventil für emotionalen und mentalen Scheiß. Gelegentlich rührt es aber auch an Dingen, die man nicht berührt sehen möchte. Ich mag’s trotzdem. Lyrics zu schreiben, ist unterhaltsam und macht Spaß, oft bin ich aber hinterher sogar ratloser als vorher. (lacht)

Auf deiner persönlichen Facebook-Seite bist du sehr aktiv darin, Artikel zu teilen, die sich mit Denkanstößen zu Themen wie Umweltzerstörung, Tierquälerei, Entfremdung von der Natur, Ressourcenausbeutung und ähnlichen Dingen beschäftigen. Das finde ich sehr beachtlich, gerade angesichts der gängigen Meinung, dass „Gutmenschen“ in dieser Musik nichts zu suchen hätten. Könntest du erklären, wie diese martialischen, misanthropischen Black Metal-Ideale und dein fast Hippie-eskes Verhalten zusammenpassen?
Ja, so eine Art „Evil Hippie“, was? (lacht) Darüber könnte man ganze Bücher schreiben, so interessant ist dieser Themenkomplex. Und ja, natürlich sehe ich die Ironie darin.
Zunächst: Ich bin keine besonders politisch aktive Person und auch kein Philanthrop oder so. Ich würde mich nicht so sehr um die Welt bemühen, wenn ich nicht ein Kind hätte, dem ich wünsche, an einem schönen Ort leben zu können. Habe ich aber, und deshalb geht mich das automatisch etwas an, wenn etwas die Umwelt zerstört oder ungerecht ist. Ich hasse es selbst, ungerecht beurteilt oder behandelt zu werden, deshalb hat mich das immer aufgeregt. Es pisst mich an, wenn jemand mich unfair behandelt, und das strahlt auch auf meine Umgebung aus. Das ertrage ich einfach nicht.
Zum Zweiten – Musikmachen heißt für mich nicht, eine schlechte Person zu sein, und ich bin auch nicht besonders misanthropisch, ich realisiere nur, dass die Menschheit immer noch in einem Status großer Unwissenheit ist und sich wie Clowns und morbide Trottel aufführt. Wenn überhaupt, sehe ich mich selbst als Künstler, der alle Sorten von Gedanken, Ideen und Emotionen nutzt, um Kunst zu erschaffen. Es ist schon eine Ironie für sich, ein destruktives menschliches Wesen mit schlechten Intentionen zu sein, das der Welt Schmerz und Leid bringen will, und dann mit so viel Leidenschaft dabei zu sein, etwas künstlerisch zu erschaffen – und das ist letztlich die Essenz jeder Form von Musik, Black Metal oder was auch immer. Es ist immer noch ein kreativer, leidenschaftlicher Prozess, und Leidenschaft für künstlerischen Ausdruck basiert auf Liebe! (lacht) Aber das ist die Wahrheit.

Also, wenn du ernsthaft gegen Liebe eingestellt bist, wärst du nicht fähig, irgendetwas Künstlerisches zu erschaffen, und auch nicht zu irgendwas anderem außer dein eigenes Leben und das der Anderen zu versauen.
Die Sache mit dem Destruktiven ist etwas, das ich hinter mir gelassen habe, und für mich ist viel von dieser Badass-Attitüde und dem „wir sind Black-Metal-Warriors“-Gehabe eine alberne Möchtegern-Bullshit-Maskerade. Wenn diese Leute wirklich alle so schlecht wären und ihre Sehnsucht nach Zerstörung ausleben würden, würde man sie alle wegsperren. Oder zumindest sollte man das tun.
Da geht es eher darum, seine Unsicherheiten hinter einer Maske zu verbergen, die auf die Öffentlichkeit einschüchternd wirkt, als darum, ernsthaft ein menschliches Wesen zu sein. In den Fällen, wo es um einen tatsächlichen hasserfüllten Lebensstil geht, ist das dann vermutlich oft ein Hilferuf. Ich habe in meinem Leben Menschen getroffen, die wirklich bösartige, wahnsinnige Charaktere waren, aber das waren keine Black-Metal-Leute, sondern die Sorte Menschen, die dir die Zähne ausschlagen, die Kniescheiben brechen oder dir eine Knarre an den Kopf halten würden, wenn sie nicht bekommen, was sie wollen. Wenn man die mal neben die Black-Metal-Musiker mit ihrem Makeup und ihren lustigen Outfits stellt, ergibt das ein wirklich lächerliches Bild.
Ich muss auch sagen, dass die meisten Musiker, die ich kenne und die so in der Szene heute herumschwirren, sehr intellektuelle Leute sind, die sich der Ironie dieser Dinge durchaus bewusst sein. Wenige, wenn nicht gar keine dieser Leute nehmen sich selbst zu ernst. Mir scheint es ganz normal zu sein, dass die meisten Musiker das alles mit einem Augenzwinkern tun.

An dieser Stelle werde ich ein Stück von der Frage abweichen, weil ich finde, dass es wichtig ist, das eben Gesagte noch zu ergänzen: Wenn wir darüber sprechen, Black Metal, misanthropisch oder ein Künstler zu sein, dann spüre ich, dass ich eigentlich nur gerne ein guter Mensch sein möchte und das in Ordnung bringen will, was ich in meinem Leben Schlechtes getan habe, dass ich im Reinen mit meiner Umgebung sein und ein bedeutungsvolles Leben führen möchte. Das heißt in anderen Worten, dass ich den Schleier der ganzen weltlichen Ablenkungen und all der Lügen durchbrechen und einfach nur ich selbst sein möchte. Und übrigens, wie ich schon sagte, ich bin nie losgezogen und wollte aus URARV eine Black-Metal-Band machen, ich wollte Musik machen. Wie auch immer, ich denke, düstere oder verdrehte Musik zu machen, ist ein künstlerischer Ausdruck, der mir hilft, eine vernünftige Person mit guten Intentionen in meinem Alltag zu sein. Das ist wie ein Katalysator. Wenn ich meine Künste nicht hätte, wäre ich vermutlich in einer völlig anderen Lebenssituation, als ich es tatsächlich bin. Diese düstere Kunst zu machen, hilft mir auch, die Hindernisse zu sehen, die mir im Weg stehen, das Tolle in meiner Existenz zu sehen. Es hilft mir, ein Licht zu werfen auf die herausfordernden Aspekte des Lebens, wie Hass, Vorurteile, Angst, Verblendung und dergleichen, deshalb ist die düstere Seite ein guter Lehrmeister in meinem Leben. Immer da, immer präsent, nicht verschleiert oder verborgen, immer ein Thema, das mir zeigt, wohin es geht und wer ich bin.

Ich erinnere mich daran, dass ich dich früher immer als interessiert an fernöstlichen Kulturen und Einstellungen wahrgenommen habe, besonders an psychedelischen und bewusstseinserweiternden. Ist das richtig? Falls ja, was fasziniert dich daran? Bist du der Überzeugung, dass bestimmte Drogen oder „Hilfsmittel“ der Kreativität auf die Sprünge helfen oder sogar nötig sind, um in tiefere Schichten der Wahrnehmung vorzustoßen?
Ich finde alle Eingeborenen-Kulturen sehr interessant und inspirierend, das spricht mich enorm an, ich finde darin eine Form der Identität. Irgendeinen Bezug zu mir gibt es da, auf einem tieferen Bewusstseinslevel, und östliche Kulturen haben alleine aufgrund ihrer uralten Geschichte eine Menge zu erzählen und halten viele Schlüssel zum Universum bereit. Und da ich mir wünsche, alle Türen zum Kosmos zu öffnen, ist es natürlich für mich, tief in das Meer der Weisheit einzutauchen, das diese Quellen mir anbieten.

Durch psychedelische Erfahrungen sind mir die Augen für diese Dinge geöffnet worden. Vorher war ich ziemlich verschlossen und ignorant gegenüber allem außerhalb meines eigenen Schneckenhauses der Unwissenheit. Heute habe ich realisiert, dass psychedelische Drogen nicht nötig sind, um im Leben präsent zu sein. Das sind sie nämlich im Wesentlichen, ein erzwungener Weg in die Wahrnehmung des gegenwärtigen Momentes, mit einer intensiven Erfahrung dessen, was sowieso schon da ist. Heute verstehe ich das, und deshalb halte ich diese Drogen nicht mehr für nötig. Sie haben mir geholfen, meinen Lebensweg zu erhellen, und das ist dann es auch. Es geht nur darum, meine Aufmerksamkeit von so vielen ablenkenden Dingen weg zu halten wie nur irgendwie möglich: Dinge wie Fernsehen, sinnfreie oberflächliche soziale Kontakte oder Menschen, die mir schlechte Laune bereiten, Gerüchte, Quellen von Indoktrination und Massenmanipulation und dergleichen. Stattdessen kann ich meine Zeit damit verbringen Kunst zu schaffen, zu lesen, zu schreiben, viel Zeit in der Natur zu verbringen, sauberes Essen zu essen, viel Sex zu haben, Sport zu machen, achtsam und gesund zu bleiben und daran zu arbeiten, diese Ideale auf der Reise durch mein Leben so hoch wie möglich zu halten.

Wo wird die Reise mit URARV hingehen, nachdem jetzt nach langer Wartezeit endlich „Aurum“ erschienen ist? Werdet ihr live spielen, konstant aktiv sein, oder erst wieder auftauchen, wenn es neue Musik gibt?
Ich habe keine Idee, Mann. Wir werden relativ bald nach dem Album noch eine Mini veröffentlichen, nebenher arbeite ich an neuen Songs und Ideen für ein drittes Album.
Diese Live-Sache ist nichts, wofür ich sterben möchte, wie schon erklärt, aber vielleicht ergibt sich da was. Ist aber für mich nicht so wichtig. Ich möchte Musik machen und aufnehmen, und dann weiter Musik machen. In den Zeiten dazwischen, der Stille nach den fertigen Aufnahmen, machen wir nicht so viel, außer in Kontakt zu bleiben. Aber wir haben ja alle noch andere Bands und Projekte, die auch unsere Aufmerksamkeit benötigen.

Ich muss das jetzt bei dieser Gelegenheit fragen: Passiert bei THORNS noch etwas? Gibt es ein zweites Album? Und, etwas, wovon ich immer geträumt habe: Ist ein ZYKLON-B-Revival denkbar?
Argh… ich kann dir nicht sagen, wie satt und müde ich von dieser immer wiederkehrenden Frage bin. (lacht) Aber ja, gibt es, schon seit vielen Jahren. Das ganze Album war 2008 instrumental fertig, aber da Snørre ein sehr privates und persönliches Verständnis von Zeit hat, hat sich das in der Geschwindigkeit eines toten Mannes im Rollstuhl weiterbewegt. Weißt du, die Drums benötigten eine Menge Aufmerksamkeit für den Mix, bevor wir weitermachen konnten, und ich sehe ein, dass das für einen Toningenieur ein sehr langweiliger Job ist. Dann haben wir vor ein paar Jahren den Gesang aufgenommen, aber nach einiger Zeit haben wir realisiert, dass wir das nochmal machen sollten, und auch einige Texte mussten neu geschrieben werden. Irgendwo ist es also auch förderlich, dass es so lange dauert. So können wir es wirklich absolut richtig machen.
Zu Zyklon B: Ich habe Samoth vor ein paar Monaten tatsächlich gefragt, ob er nicht Lust hätte, die Songs mal live zu spielen, aber er schien mir nicht so interessiert und ich sehe da auch keine Chance auf ein Revival irgendeiner Art. Das war ein Underground-Klassiker und ich denke, das soll es auch ruhig bleiben.

Zum Ende, suche dir doch bitte ein Stück von „Aurum“ aus, das das Album am besten repräsentiert und erkläre deine Wahl.
Das wäre der Opener, „Forvitringstid“, weil es der erste Song ist, den ich für URARV komponiert habe und viele der Zutaten enthält, die die Band danach ausgemacht haben. Der Song hat dieses wirre Jazz-Punk-Metal-Feeling, mit kollidierenden Themen, die ihn komplett falsch klingen lassen und deshalb in meinen Ohren absolut richtig.
Ich erdreiste mich außerdem, noch einen zweiten Song zu nennen, den letzten Track namens „Red Circle“, weil er das komplette Gegenteil des Openers ist und auch das pure Metal-Herz der Band zeigt.

Alles Gute für den Release und vielen Dank für deine Zeit und Mühe!
Danke, Kumpel! Ich hatte wirklich Spaß beim Beantworten. Ebenfalls vielen Dank für deine Unterstützung und die Zeit und Mühe!

Copyright (Bandfotos URARV): Sunvemetal
Copyright (Livefotos Aldrahn): Metal1.info/ShotInTheDark

Publiziert am von Florian Dammasch (Gastredakteur)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert