Festivalbericht: Das Spectaculum rockt 2016

76c0d3e36c52dee265a14d8c0afff4beZum 7. Mal rockt das Spectaculum in Parsberg. Wieder einmal ist das mittelalterliche Ambiente dabei nur ein grober Rahmen für verschiedene folk-inspirierte Kapellen, die am Freitagabend zum kleinen Festival neben Markt und Burghof laden. Nach Fiddler’s Green, Tanzwut und Saltatio Mortis in den letzten Jahren spielen 2016 zum ersten Mal Russkaja als Headliner auf. Davor präsentieren sich Metusa, Nachtgeschrei und Rapalje – jeweils angekündigt und eingeläutet von den unvergleichlichen Pampatut.

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Pampatut in Form von Max von Gluchowe und Holger Hopfenstreich Hoffmann sind es dann auch, die das noch etwas spärliche Publikum am frühen Nachmittag herzlich begrüßen und vergleichsweise direkt zum ersten Showact überleiten: METUSA. „The Walking Folk“ präsentiert sich beim „Das Spectaculum rockt“ zwar immer noch in rot-schwarzen Bühnenklamotten, doch musikalisch mit dem neuesten Streich „Dreckfresser“ in neuer Form. Dazu hat sich das Line-Up der Band geändert. Von der traditionellen Marktattitüde ist auf dem neuen Silberling wenig geblieben: Dafür wandern die sieben Musiker, angeführt von Frontmann Domenicus der Saitenreiter, nun auf punk-rockigen Pfaden. Bei „Barfuß am Strand“ schwingt zunächst noch ein wenig viel „Westerland“ von den Die Ärzte mit, doch je länger der Auftritt dauert, desto mehr offenbart das neue Material seinen eigenen Charme, allen voran der Titeltrack. Offen geht Domenicus am Mikro auf sein Publikum zu und bezieht es nicht nur über das ein oder andere Freigetränk in die Show ein. Bereitwillig spricht er darüber, dass METUSA in den letzten Jahren auch mit einigen Widerständen zu kämpfen und dieses emotionale Potpourri aus Aufs und Abs nun zu Papier gebracht haben. „Du gehst mir auf den Sack“ als Antwort auf wenig konstruktive Kritiker ist dabei allerdings nur ein Aspekt von vielen, der die Ausrichtung der Combo maßgeblich beeinflussen dürfte. Mit „Dreckfresser“ öffnen sich METUSA in jedem Fall einige Türen abseits der Märkte.

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Noch eine Spur härter – und vor allem lauter – kommen anschließend NACHTGESCHREI daher, die ihr Set mit dem instrumentalen „Kerberos“ eröffnen, welches fließend in „Eden“ mündet. Sänger Martin feiert dabei ebenso sein Debüt in Parsberg wie „Staub und Schatten“, der letzte Longplayer der Südwestdeutschen. Mit ausgeprägtem Fokus auf Gitarre und Schlagzeug, die melodisch mit Dudelsack und Drehleier unterfüttert werden, präsentiert das Septett neue Vorzeigenummern wie „Die Wilde Jagd“, „Das Nichts“ oder „Monster“. Während „Spieler“ unterteilt Martin schließlich die Menge in ein Team Tilman und Team Sane, die sich im Hinblick auf Lautstärke duellieren. Dafür statten beim bandinternen Klassiker „Der Meister“ wiederum Tilman, Laui an der Drehleier und Nik mit seinem Dudelsack dem Publikum eine persönliche Stippvisite ab. Im Austausch für drei Bandkollegen begrüßte das übrige Geschrei gleichzeitig einige Fans zum Tanz auf der Bühne. Nachdem alle ordentlich gefolkrockt sind bzw. haben, lassen NACHTESCHREI ihre energiegeladene Show mit „Schlaflos“ gediegen ausklingen.

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Mit RAPALJE betritt im Anschluss die wohl einzige Band die Bühne, die an diesem Tag so wirklich zum Thema “Mittelalter” passt. Mit ihrer Mischung aus Jigs, Reels, Traditionals und Eigenkompositionen zaubern die vier Musiker auch ganz ohne Schlagzeug-Wumms und Bass-Gewummer einen tollen Sound auf die Bühne, der das Publikum zum Mitfeiern und Mitsingen einlädt. 21 Jahre gibt es RAPALJE nun schon, und die Niederländer (nicht Holländer!) witzeln sich beschwingt und mit niedlichem Akzent durch ihr marktmittelalterliches Set. Da dürfen weder Evergreens wie “Whiskry in the Jar” sowie ein feuerunterstütztes “Loch Lomond”, noch ein Manowar Cover von “Heart of Steel” und weitere feurige Einlagen am Dudelsack fehlen. So vermeiden sie unterhaltsam und trotz der weniger harten Ausrichtung ihrer Musik, nur ein Lückenfüller zu sein. Wie so oft können sich RAPALJE als eingespieltes Team und Gute-Laune-Garant beweisen, bei dem nicht nur die Musik, sondern auch die Präsentation und das Merchandise wie aus einem Guss wirkt.

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Besonders kreativ erscheint die Buchung von RUSSKAJA als Headliner eines Mittelalter-Festivals, sind die Österreicher doch weder besonders mitteleuropäisch-folkig, noch besonders mittelalterlich – doch die Rechnung geht auf. Dröhnend laut und energiegeladen eröffnen die sechs Instrumentalisten ihr Konzert mit einer Runde blechblas-geschwängertem Ska-Polka-Mix und lassen keine Fragen nach der Sinnhaftigkeit dieses Hauptacts mehr zu. Sänger Georgij überlässt seinen Musikern die Bühne und kommt erst Minuten später dazu, um mit dem Publikum gepflegt zu feiern. Davor noch beim niedlich-niederländischen Akzent von Rapalje, sind wir nun beim ruppig-russischen Einschlag des gebürtigen Osteuropäers angekommen. Als einer der sympathischsten Frontmänner überhaupt beherrscht Georgij sein Handwerk so gut, dass er die Menge zur Extase und gleichzeitig zur Achtsamkeit aufeinander animieren kann. So hat zwar die circle-pit-artige Choreografie beim berühmt-berüchtigten “Psycho Traktor” einen nicht zu verachtenden Radius, doch das Miteinander steht wie immer im Vordergrund.

9adb316e1b1c59e1714eae9020b72c5b_f1335Auch musikalisch liefern RUSSKAJA gewohnt beste Qualität – das neue Album “Peace, Love and Russian Roll” sorgt dabei nicht nur für frischen Wind in der Setlist, sondern auch für ein farbenfrohes neues Backdrop. Wie immer wird kein Halt gemacht vor Melodien aus verschiedensten Genres: Von Ausschnitten aus Musik von Michael Jackson bis Schostakowitsch und einem Cover des Avicii-Hits “Wake Me Up”  ist alles dabei. Besondere Sympathiepunkte sammelt Georgij für das sofortige Unterbrechen der Show, um einem angeschlagenen Fan in den ersten Reihen zu helfen und ihm die Sanitäter zu rufen. Erst als der junge Mann gut versorgt ist, greift der Frontmann wieder zum Mikrofon, erreicht sofort wieder Betriebstemperatur und bringt das Konzert unter Szenenapplaus des begeisterten Publikums mit viel Spielfreude zu Ende.

Es muss nicht immer Mittelalter, Dudelsack und Co. sein. Beim „Das Spectaculum rockt 2016“ erfüllen und übertreffen alle vier Bands die Erwartungen, die man im Vorfeld haben konnte. Trotz des sehr bunten Stilmix im Markt- und Lagerleben überzeugt das Ergebnis als kleines, launiges Festival, das in diesem Jahr besonders für seinen Mut an der Headliner-Front belohnt wird.

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