Konzertbericht: Eisregen w/ Varg, Milking The Goat Machine

29.04.2012 München, Backstage Halle


Rock The Nation sind ja dafür bekannt auch mal eher ungewöhnliche Tour-Packages zu schnüren – wie böse Zungen behaupten, um möglichst viele der beim hauseigenen Noiseart-Label unter Vertrag stehenden Bands im Billing unterzubringen. So ist die Kombination aus EISREGEN, VARG und MILKING THE GOAT MACHINE auch nicht wirklich überraschend – etwas schräg mutet die Zusammenstellung dennoch an, die sich hier im an der Abendkasse ausverkauften Backstage eingefunden hat. Schräg ist auch das Setting, in dem das Konzert gebettet ist – finden doch zeitgleich im Club mit Adele ein Indie-Rock-Konzert, sowie im Werk ein HipHop-Event statt… vielseitiger könnte das Publikum an gemeinsamen Anlaufstellen wie dem Burger-Stand oder der Biergartenschänke kaum sein…

Von „vielseitig“ ist nicht mehr viel zu sehen, hat man erst die Halle betreten: Denn zeichnet sich der gemeine Metaller doch per se schon nicht durch seinen exorbitant individuellen Kleidungs-Stil aus, sorgt die große Anzahl der Varg-Shirts im Publikum hier mitunter doch für Uniformierungs-Charakter.

Los geht es jedoch mit ASPHAGOR aus Österreich, welche mit „Havoc“ 2010 ihr Debüt-Album abgeliefert haben. Geboten wird relativ traditioneller, jedoch zweifelsohne gut gemachter Black Metal, welchen das Publikum äußerst dankbar entgegennimmt. Dass um diese frühe Zeit überhaupt schon Publikum in der Halle ist, dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass sowohl Varg als auch Eisregen eine relativ junge Fanbase haben: Denn wo die alten Hasen bei Konzerten gerne mal erst zu den Haupt-Acts erscheinen, steht der Szene-Nachwuchs dankbar für jeden Auftritt von Beginn an auf der Matte. Warum genau ein Gitarrist in Trachten-Lederhosen auf der Bühne steht, erschließt sich mir nicht ganz – verleitet das Publikum jedoch dazu, statt „Zugabe“ lieber „Oana geht no, oana geht no nei“ zu skandieren. Mag man davon halten, was man mag – einen besseren Beweis, dass ASPHAGOR heute alles richtig gemacht haben, gibt es wohl kaum.

Weiter geht es mit den Death-Grindern MILKING THE GOAT MACHINE, welche erst im Dezember auf der Hatefest-Tour mit Kataklysm und Marduk durch Deutschlands Hallen getrieben wurden. Auch wenn die Band wohl der größte Exot im Billing sein dürfte, funktioniert die Kombination erstaunlich gut – bleiben die meisten Fans doch trotz Traumwetters und Biergarten im Außenbereich des Backstage-Geländes in der Halle.
Wer die Band noch nie gesehen hat, dürfte zunächst von der scheinbaren Sängerlosigkeit überrascht sein – ist die Instrument-Kombination Schlagzeug-Gesang doch relativ selten. Und auch sonst kann man der Truppe zumindest mangelnde Eigenständigkeit nicht unterstellen: Mit ihren Ziegenmasken und gänzlich auf Ziegen gemünzten Songtiteln à la „Surf Goataragua“ oder „Goat On The Water“ hat die Band doch recht spezielle Trademarks etabliert.
Musikalisch gibt es hier sowieso nichts zu meckern, sind die Jungs an ihren Instrumenten doch absolut fit – dass zudem auch der Sound mitspielt, macht den Auftritt des um zwei Live-Mitglieder verstärkten Duos zu einer absolut runden Sache.

An kaum einer Band scheiden sich die Geister und Fanlager in der Black/Pagan-Szene so wie an VARG: Für die einen ein durch gutes Marketing hochgepushtes Produkt, das zudem durch die ewige Diskussion über angeblich rechte Tendenzen bei Bandleader Freki einen Makel aufweist, an dem nur all zu gerne herum gekratzt wird, feiern gerade junge Fans die Band als die Entdeckung der letzten Jahre. Aus beiderlei Perspektive ist es demnach wenig verwunderlich, dass VARG nicht nur das größte Merchandise-Angebot – einen VARG-Bikini inklusive – vorzuweisen haben, sondern dieses auch reißenden Absatz findet.


Über die Band zu diskutieren, wäre an dieser Stelle eine Themaverfehlung – Fakt ist, und das muss man der Band lassen, dass sie das, was sie macht, gut macht. Denn auch, wenn die Musik zumindest aus meiner Sicht absolut belanglos ist und den Hype, der um die Band gemacht wird, absolut nicht rechtfertigt, präsentiert die Band ihr Material zumindest derart professionell, dass das Publikum daran keinen Anstoß findet. Ob das mehr über die Band oder die Fans aussagt, sei dahingestellt – Fakt ist: Es wird geklatscht, gesungen und mit stürmischem Applaus angefeuert, vor allem aber über weite Strecken textsicher mitgesungen. Fazit: Der VARG-Fan bekommt hier eine unbestreitbar gute Show geboten… für alle anderen gibt es im Biergarten mit einer kühlen Maß zum Kampfpreis von drei (in Worten: drei) Euro eine Alternative, über die es zumindest nachzudenken lohnt.

Entsprechend findet nach dem Auftritt ein recht deutlicher Publikumswechsel statt: Die EISREGEN-Fans strömen in, die Varg-Fans zumindest zum Verschnaufen kurz aus der Halle, bevor der „Tod aus Thüringen“ die Bühne betritt.
Obwohl die Band in Deutschland aufgrund der Indizierung mehrerer Alben in ihrer Songauswahl etwas eingeschränkt ist, hat sie für das Publikum gleich nach dem eröffnenden „N8verzehr“ eine Überraschung vorbereitet: Nachdem „Scharlachrotes Kleid“ nicht nur auf einem der indizierten Alben, sondern auch auf einer nicht indizierten EP zu finden ist, kann dieser Song als nicht indiziert angesehen werden – und damit live dargeboten werden. Das Publikum feiert den Song entsprechend frenetisch ab, gehört er doch definitiv zu den absoluten Höhepunkten des EISREGEN-Schaffens. Nach dem Duo „Das liebe Beil“ und „Der Tod senkt sich herab“ folgt mit „Blutgeil“ ein weiterer Song, mit dem an diesem Abend wohl niemand gerechnet hätte.
Ausschlaggebend für die jedes Mal aufs Neue einzigartige Atmosphäre bei EISREGEN-Konzerten ist auch heute Sänger Mitch „Blutkehle“ Roth, welcher das Publikum durch seine lieb-säuselnden Ansagen umgarnt… dass er nicht noch Bonbons an die ersten Reihen verteilt und verspricht, hinter der Bühne noch ein ganzes Glas voll zu haben, ist auch schon alles.
Doch von diesem jedes Mal aufs neue schönen Aspekt abgesehen, gibt es in musikalischer Hinsicht dieses Mal eine echte Neuerung – konnte man doch Marienbad- beziehungsweise Hämatom-Bassist West dazu gewinnen, der Band am Fünfsaiter beizustehen. Der Gewinn, den die Musik dadurch erfährt, ist beachtlich: Nicht nur, dass man dieser Neubesetzung den Song „Der Tod senkt sich herab“ in der Setlist zu verdanken hat, beinhaltet dieser doch einen Basslauf, der mit der bislang praktizierten Bass-Dopplung der Gitarrenspur mittels Effektpedal nicht realisierbar gewesen wäre, bekommen auch die anderen Songs so einerseits deutlich mehr Schub, andererseits mehr Transparenz, neigte die Gitarren-Bass-Lösung doch oft dazu, zu matschen.
Nachdem die „Zugabe“-Rufe gerügt und zu „Eisregen“-Rufen korrigiert sind, folgt zunächst die Schlachtmusik mit dem darauf folgenden „Eisenkreuzkrieger“, im Anschluss daran mit „Madenreich“ dann der erst zweite Song vom aktuellen Album „Rostrot“ – auch das eine kleine Überraschung, hätte man hier doch auf der offiziellen Album-Promo-Tour eine höhere Quote erwartet… doch auch so dürfte keiner der Anwesenden Grund zur Klage haben, als EISREGEN nach dem finalen „Thüringen“ die Bühne endgültig verlassen.

Setlist EISREGEN:
Intro – Erlösung
01. N8verzehr
02. Scharlachrotes Kleid
03. Das liebe Beil
04. Der Tod senkt sich herab
05. Blutgeil
06. 19 Nägel für Sophie
07. Rostrot
08. Elektrohexe

Intro – Eine kleine Schlachtmusik
09. Eisenkreuzkrieger
10. Madenreich
11. Thüringen

Mit dem Auftritt am heutigen Abend stellen EISREGEN ein weiteres Mal eindrucksvoll ihre Einzigartigkeit unter Beweis – gibt es doch in der deutschen Musiklandschaft nicht eine Band, die man mit den Thüringern vergleichen könnte. Und auch, wenn die Bandzusammenstellung für diese Tour auf den ersten Blick etwas bunt-zusammengewürfelt wirkt, funktioniert diese doch überraschend gut. Gewiss, nicht jeder Fan einer Band wird nach diesem Abend auch ein Fan der anderen Bands des Billings sein, sehenswert waren indess alle vier Auftritte des heutigen Abends.

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Fotos von: Moritz Grütz

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