Konzertbericht: Gaerea w/ Hrast

25.04.2025 München, Feierwerk (Hansa 39)

Ein Heavy-Metal-Hottake als Einstieg: Kämen GAEREA aus den USA und nicht aus Portugal, stünde die Band heute auf Bühnen wie Sleep Token oder Lorna Shore. Bei einer europäischen Band aber muss natürlich zunächst lückenlos aufgeklärt sein, ob die Musik nun Black Metal ist oder nicht, true oder modern, cool oder uncool. Allen „Zerredungsversuchen“ zum Trotz ist der Siegeszug von GAEREA nicht aufzuhalten: Die erste eigene Headliner-Tour durch Europa ist größtenteils ausverkauft. In München wird die Show sogar von der Kranhalle ins etwas größere Hansa 39 verlegt – und selbst das ist noch zu klein und schlussendlich schon vorab ausverkauft. Die Schlange der Fans reicht zum Einlass um 19:30 Uhr einmal am ganzen Feierwerk-Komplex entlang, und wer Merch will, steht gleich nochmal ordentlich an.

Zum Showbeginn um 20:00 hat dennoch jede:r sein Plätzchen gefunden: Im Club stehen die Fans dicht an dicht – und das, obwohl die Bühne zunächst für 40 Minuten der Vorband HRAST gehört. Diese bekommen heute die für Underground-Bands aus München seltene Gelegenheit, sich als Local Support einem etwas größeren Publikum vorzustellen. Als das neue Projekt von Musikern von Ad Nemori und Knaat sind HRAST keine Newcomer im eigentlichen Sinne und agieren auf der Bühne entsprechend routiniert. Ihren Stil haben HRAST aber noch nicht so ganz gefunden: Schon rein optisch zwischen 7-Saiter-Fanned-Frets-Ibanez und Steampunk-Bass auf verschiedene Arten „nerdy“, ist auch die Musik der sechsköpfigen Band mit drei Gitarristen eine wilde Mischung aus Black und Prog-Metal. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. In der Summe sind die Songs aber zumindest live zu langatmig – und auch die Death-Metal-Growls wollen sich nicht so richtig in die Musik einfügen.

Solche Probleme hat der Headliner des heutigen Abends freilich nicht mehr: Mit „Coma“ (2024) haben GAEREA nicht zuletzt darum ein so herausragendes Album veröffentlicht, weil sie darauf gar nicht erst versuchen, sich stilistisch an Black-Metal-Klischees zu klammern. Das wirkt sich nicht nur auf das Publikum aus, das sich – den üblichen Szene-Insignien zufolge – nur zu geringen Teilen aus der Black-Metal-Szene rekrutiert, sondern auch auf die Show: Dass GAEREA ihre packende Darbietung massiv mit Backing-Tracks unterfüttern, mag Puristen das Grauen lehren – zum eruptiven, auf maximale Power ausgelegten Brachial-Sound der Truppe passt der fette Sound unterdessen perfekt. In der Folge wirkt die Show im kompakten Hansa 39 aber fast deplatziert: Nicht nur, dass das illuminierte Logo der Band nur in zwei Teile zerlegt liegend auf die Bühne passt – auch die Performance selbst, inklusive der Ansagen, schreit eigentlich nach einer großen Arena.

Was nicht heißen soll, dass GAEREA die kleine Venue nicht im Griff hätten: Geschickt bespielen die Portugis:innen beide Seiten der in zwei Richtungen von Publikum umstandenen H39-Bühne, und Fronter und Bandkopf Guilherme Henriques lässt keine Gelegenheit aus, mit den Fans der ersten Reihe zu interagieren – meist, indem er seine schwarze Schminke großzügig auf Hände und Gesichter der Fans verteilt. Als Gimmick kommt wieder der „Vogelkäfig“ zum Einsatz, den sich Henriques für einige Songs über den Kopf stülpt – ansonsten reichen Nebel und Licht, um die Songs in Szene zu setzen. Wer GAEREA allerdings auf früheren Touren live gesehen hat, muss feststellen: An das faszinierende Stageacting des ursprünglichen Sängers Ruben Freitas kommt Henriques nicht heran – so sehr er sich auch bemüht, dessen Bühnen-Persona weiterzuleben: Eventuell hätte Henriques besser daran getan, sich eine eigene zu kreieren.

Und doch – das Bandkonzept geht heute abermals voll auf: Rasant geht es durch die Show – und das nicht nur, weil GAEREA ein mit zehn Songs recht überschaubares Headliner-Set zusammengestellt haben: Zwischen dem ersten Ton des grandiosen „Coma“-Openers „The Poet’s Ballet“ und dem letzten Ton der Zugabe des „Mirage“-Songs „Laude“ liegt exakt eine Stunde. Aber auch, wenn sich das Publikum fraglos über zwei, drei Songs mehr gefreut hätte: Nach diesen 60 Minuten ist eigentlich im besten Sinne alles gesagt.

  1. The Poet’s Ballet
  2. Salve
  3. Deluge
  4. Unknown
  5. Mirage
  6. Urge
  7. Hope Shatters
  8. World Ablaze
  9. Wilted Flower
  10. Laude

Die heutige Performance beweist einmal mehr: Eine passende Genre-Bezeichnung für GAEREA muss wohl erst noch erfunden werden. Die Musik changiert zwischen Black Metal und Deathcore, die Show konkurriert mit Sleep Token. Aber vielleicht gehören GAEREA auch einfach in eine Zeit, in der Schubladendenken überholt ist. Auf diesen – durchweg ermutigenden – Gedanken kann man jedenfalls beim Blick ins Publikum kommen: Die vorwiegend jungen Fans tragen ganz selbstverständlich Sleep-Token-Shirts zur Metal-Kutte und kombinieren bunte Freundschaftsbändchen mit Nieten. Wenn GAEREA also der Sound ist, der den ewigen Genre-Elitismus beendet: gerne mehr davon!

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