Konzertbericht: Slayer w/ Lamb Of God, Anthrax, Obituary

29.11.2018 München, Olympiahalle

Es hätte einen Punkt in der Karriere von SLAYER gegeben, der sich als Ende angeboten hätte – der Tod von Jeff Hanneman, gefolgt vom Ausstieg des ersten Schlagzeugers, Dave Lombardo, 2013. Kerry King und Tom Araya entschieden sich fürs Weitermachen, und damit schien besiegelt: SLAYER wird es immer geben.

Fünf Jahre später verabschieden sich SLAYER nun doch von den Bühnen dieser Welt. Gefühlt von jeder einzelnen zwar, sodass die Abschiedstour weit ins Jahr 2019 hineinreichen wird. Aber dennoch: Halten alle Beteiligten Wort, dürften die Shows der „Final World Tour 2018“ für die meisten Fans die letzte Gelegenheit darstellen, SLAYER noch einmal live zu erleben. Und in welchem Setting: Die größten Hallen wurden gebucht, und mit OBITUARY, ANTHRAX und LAMB OF GOD kann sich auch das Vorprogramm mehr als sehen lassen.

Nachdem bereits der Einlass (eigentlich 17:00 Uhr) etwas vorverlegt wurde, beginnt auch das Konzert zeitig: Bereits um 18:15 Uhr steht die Death-Metal-Instanz OBITUARY auf der Bühne. Dass es sich dabei nicht um einen typischen Opener handelt, ist schnell klar: Zwar sind die Sitzplätze quasi komplett leer – in der Arena hingegen tobt nicht erst zum Band-Klassiker „Slowly We Rot“ der erste Moshpit des Abends. Nicht grundlos: OBITUARY liefern bei bereits beachtlich kräftigem Sound das sprichwörtliche Brett ab: So muss Death Metal klingen, so muss ein Abend beginnen!

  1. Deadly Intentions
  2. Sentence Day
  3. Chopped In Half / Turned Inside Out
  4. Straight To Hell
  5. Find The Arise
  6. I’m In Pain
  7. Slowly We Rot

Keine 20 Minuten später geht es weiter – und das nicht minder legendär. Die nächsten 45 Minuten gehören niemand geringerem als ANTHRAX. Selbst eine Thrashlegende, nutzen die New Yorker die große Bühne für Werbung in eigener Sache: Spielfreudig und vom scheinbar immer gut gelaunten Joey Belladonna souverän angeführt, begeistern ANTHRAX mit einer bärenstarken Show: Mit Maidens „Number Of The Beast“ als Einlaufmusik und Panteras „Cowboys From Hell“ als Einstieg zum eigentlichen ersten Song „Caught In A Mosh“ sichern sich Scott Ian und Konsorten direkt die Sympathien des Publikums, das Hits wie das Trust-Cover „Antisocial“ oder den Klassiker „I Am The Law“ gebührend abfeiert. Ein stimmiges Bühnenbild und der erneut glasklare Sound lassen fast schon Headlinerstimmung aufkommen.

  1. Caught In A Mosh (mit „Cowboys From Hell“/Pantera-Einstieg)
  2. Got the Time (Joe-Jackson-Cover)
  3. I Am The Law
  4. Be All, End All
  5. Fight ‚Em ‚Til You Can’t
  6. Antisocial (Trust-Cover)
  7. Indians (mit „Cowboys From Hell“-Outro)

Das sieht bei LAMB OF GOD im Folgenden leider anders aus. Obwohl die US-Metaller in ihrer Heimat eine feste Größe sind, konnte sich die ehemalige Metalcoreband aus Richmond in Europa nie so richtig durchsetzen. Entsprechend verwunderlich ist, dass LAMB OF GOD nach Anthrax auf die Bühne dürfen. Wenig verwunderlich ist hingegen, dass gerade die älteren Slayer-Fans der Band ablehnend gegenüberstehen. Zumal diese sich heute überraschender Weise auch noch auf ihre Core-lastigern Frühwerke von „As The Places Burn“ (2003) bis „Sacrament“ (2006) konzentriert und obendrein mit ziemlich undiffernziertem Sound gestraft ist. Da die Mannen um Fronter Randy Blythe zudem nicht eben zu den sympathischsten Gestalten gehören, ist Ärger eigentlich vorprogrammiert.

Während Blythe wie getrieben über die Bühne hetzt und springt, was zumindest die jüngeren Fans auch zu wilden Moshpits animiert, entspinnt sich ein regelrechter Kleinkrieg zwischen Gitarrist Mark Morton und der ersten Reihe: Wohl von deren Gesten provoziert, schüttet dieser zunächst gezielt ein ganzes Bier über eine Gruppe Die-Hard-Slayerfans und provoziert im weiteren Verlauf der Show immer wieder durch höhnisch zugeworfene Kusshände. Da hilft die beste Show nichts – so ein Verhalten ist unsouverän, vor allem aber unprofessionell: Niemand hat behauptet, es würde leicht, vor Slayer und deren Fans zu bestehen.

  1. Omerta
  2. Ruin
  3. Walk With Me In Hell
  4. Now You’ve Got Something To Die For
  5. 512
  6. Engage The Fear Machine
  7. Blacken The Cursed Sun
  8. Laid To Rest
  9. Redneck

Vergeben, vergessen, alles egal. Als um Punkt 21:30 Uhr der Vorhang zum Intro „Delusions Of Saviour“ fällt und SLAYER ihren letzten Auftritt in München mit „Repentless“ beginnen, bricht im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los – im Publikum, aber auch auf der Bühne: Musikalisch sind die Thrash-Veteranen sowieso über jeden Zweifel erhaben, zumal, wenn wie heute mit perfektem Sound gesegnet. Mit beeindruckenden UV-Licht-Farben-Backdrops und einer nicht enden wollenden Pyro-Show bekommen die Songs diesmal jedoch zudem auch optisch das Setting, das man ihnen schon viel früher gewünscht hätte. 

Warum SLAYER erst jetzt, oder in Ansätzen seit der „Repentless“-Tour auf Showelemente wert legen, weiß der Teufel – und man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wie weit es SLAYER noch hätten bringen können, hätten sie damit früher angefangen. In diesem Setting jedenfalls gibt keine Thrashband, die hier mithalten kann. Im typischen SLAYER-Stil, ohne große Ansagen oder Unterbrechungen, feuern Kerry King, Tom Araya, Gary Holt und Paul Bostaph Hit um Hit ab. Am Ende werden sämltiche Alben („Undisputed Attitude“ und „Diabolus In Muscia“, denen wohl niemand nachweint, ausgenommen) mit zumindest einem Song bedacht sein. Dass natürlich trotzdem jeder Fan in der Halle irgendeinen Song vermisst, bleibt nicht aus: In einem eineinhalbstündigen Set lassen sich zwölf Studioalben natürlich nicht ansatzweise repräsentieren.

Zumindest an einer Tradition halten SLAYER auch für ihre Abschlusstour fest: „Angel Of Death“, das seit Hannemans Tod „Reign In Blood“ als Konzertabschluss abgelöst hat, bildet mit entsprechendem Hanneman-Memorial-Banner auch heute den krönendern Abschluss der ohne Frage größten SLAYER-Produktion in 37 Jahre Bandgeschichte. Auf eine gemeinsame Verbeugung verzichten SLAYER – so viel Band steckt in dem Quartett dann wohl doch nicht mehr. Kerry King und Aushilfsgitarrist Gary Holt schnippen ein paar Plektren in die gierig danach heischende Menge, Paul Bostaph schleudert seine Drumsticks hinterher, dann sind sie weg. Einzig Tom Araya geht noch einmal den gesamten Bühnenrand ab, verharrt dabei immer wieder, blickt regungslos ins weite Rund der nahezu ausverkauften Olympiahalle und lässt die Atmosphäre auf sich wirken. Wüsste man es nicht besser, wüsste man nicht, dass bei SLAYER alle ganz harte Hunde sind, könnte man meinen: Er ist gerührt.

— Delusions of Saviour (Intro)

  1. Repentless
  2. Blood Red
  3. Disciple
  4. Mandatory Suicide
  5. Hate Worldwide
  6. War Ensemble
  7. Jihad
  8. When The Stillness Comes
  9. Postmortem
  10. Black Magic
  11. Payback
  12. Seasons In The Abyss
  13. Dittohead
  14. Dead Skin Mask
  15. Hell Awaits
  16. South Of Heaven
  17. Raining Blood
  18. Chemical Warfare
  19. Angel Of Death

Ja, Bostaph ist kein Lombardo und sicher darf auch die Frage gestellt werden, ob SLAYER nach dem Tod von Jeff Hanneman nicht besser aufgehört hätten. Nach einem Abend wie dem heutigen möchte man andererseits wider besseres Wissen fragen: Warum ausgerechnet jetzt? Zumindest eines muss man SLAYER lassen: Sollte es dabei bleiben, dass sich die Band nach der (aktuell noch endlos erscheinenden Abschiedstour) tatsächlich und dauerhaft auflöst, haben SLAYER alles richtig gemacht. Man soll schließlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Und besser als die fulminanten Shows dieser Welttournee hätte es kaum noch werden können. So macht selbst Abschiednehmen Spaß – zumindest ein bisschen.

Die Fotos stammen vom Tourstop in Freiburg

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Fotos von: Thomas Rossi

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