Konzertbericht: Taake w/ Kampfar, Helleruin

02.05.2022 Wien, Viper Room

Als die Welt das Wort „Pandemie“ nur aus Katastrophenfilmen kannte, wurde unter dem Titel „Northern Alliance“ eine bemerkenswerte Tour angekündigt: Mit KAMPFAR und TAAKE wollten zwei der rennomiertesten Black-Metal-Bands Norwegens gemeinsam auf Tour gehen. Diverse Verschiebungen und einen Wechsel der Vorband – von NECROWRETCH zu HELLERUIN – später werden die Doppel-Headliner-Shows nun Realität.

Nach dem Auftakt in Budapest steht Wien als erste Stadt im deutschsprachigen Raum auf dem Tourplan. Und würde TAAKE-Fronter Hoest nicht bis heute eine wirklich dumme Idee aus dem Jahr 2007 nachhängen, hätte dieses Wiedersehen problemlos auch in einem größeren Rahmen stattfinden können. Nachdem TAAKE aber bis heute – 15 Jahre später! – in keiner anderen Location Wiens gern gesehen sind, müssen sich die Bands mit einem ausverkauften Viper Room zufriedengeben.

Beim Opener HELLERUIN ist von großem Fan-Interesse noch nicht viel zu merken: Zwar ist das düstere Gewölbe des Viper Room bereits gut gefüllt, das Publikum steht jedoch noch locker und lässt die Show der Niederländer eher ungerührt an sich abperlen. Das ist insofern schade, als Mastermind Carchost und seine Liveband (der unter anderem Bodyfarm-Drummer David Schermann angehört) auf der kleinen Bühne schon ordentlich Wirbel machen: Im typischen Szene-Look spielen HELLERUIN rotzigen Black Metal, der an Bands wie Massemord (Polen), Stormnatt (Österreich) oder Svarttjern (Norwegen) denken lässt. Während das Material auf dem bislang einzigen Album „War Upon Man“ (2021) eher mäßig spannend klingt, funktionieren die Songs in der Livedarbietung deutlich besser: Hier haben gerade die Black-’n‘-Roll-Parts gut Zug und auch Carchosts Charisma als Fronter überzeugt. Fazit: Die Niederländer sind eindeutig eine Bühnenband – schade, dass das heute vielen Konzertbesuchern entgangen ist.

Als um 20:40 Uhr KAMPFAR in ihr Set starten, ist es vor der Bühne schon deutlich voller. Dafür, dass Fonter Dolk und seine Mitstreiter heute zum ersten Mal seit 2016 in Österreich zu sehen sind, fallen die Publikumsreaktionen aber auch hier zunächst eher verhalten aus. Die Norweger lassen sich davon nicht weiter beeindrucken: Trotz der schon im Zuschauerraum mittlerweile fast unerträglich schwülen Hitze ackern sich KAMPFAR mit bemerkenswerter Hingabe durch ihr Set. Die Songauswahl hält dabei einige Überraschungen bereit – nicht zuletzt dahingehend, welche Stücke nicht gespielt werden: So bekommen die Fans heute zwar das Livedebüt des neuen Tracks „Lausdans Under Stjernene“ zu hören – ansonsten jedoch ausschließlich Material der letzten drei Alben, mit Fokus auf dem 2014er-Release „Djevelmakt“, das mit gleich drei Songs vertreten ist. Damit bleibt nicht nur „Mare“ (2011) unberücksichtigt, sondern es fehlen auch die Fan-Lieblinge „Ravenheart“ und „Troll, Død Og Trolldom“. Ob es wirklich daran liegt, an den tropischen Temperaturen im Viper Room oder am von Natur aus schwer zu begeisternden österreichischen Publikum: Trotz engagierter 60-Minuten-Show kommt im Zuschauerraum leider keine echte Euphorie auf.

  1. Our Hounds, Our Legion
  2. Ophidian
  3. Swarm Norvegicus
  4. Lausdans Under Stjernene
  5. Mylder
  6. Tornekratt
  7. Det Sorte

Mit merklich mehr Begeisterung werden um 22:10 Uhr schließlich TAAKE als heutiger Headliner empfangen. Bandkopf Hoest begegnet dem Jubel gewohnt unterkühlt: Ansagen oder sonstige Publikumsinteraktion gibt es hier nicht – sogar auf Pausen zwischen ihren Songs verzichten TAAKE weitgehend. Während es im Viper Room buchstäblich von der Decke tropft, kreieren die Norweger auf der Bühne so eine Atmosphäre eisiger Kälte. Als sei es eine Art Konzept dieser Tour, verzichten auch TAAKE jedoch auf einen Ritt quer durch die Diskografie, wie man ihn nach der pandemiebedingten Live-Pause eigentlich erwartet hätte … zumal die Norweger seit fünf Jahren kein neues Album mehr veröffentlicht haben. Doch erneut kommen Fans des Frühwerks schlecht weg: Mit „Hordalands Doedskvad I“ gibt es erst gegen Ende des Sets einen Klassiker zu hören – neben je einem Track von „Kong Vinter“ (2017) und „Taake“ (2008) fokussieren sich TAAKE stattdessen voll auf „Noregs Vaapen“ (2011), dessen sieben Songs allesamt auf der Setlist stehen. Immerhin ein echtes Highlight geht damit einher: Die Darbietung von „Myr“ – inklusive launigem Banjo-Solo. Dass TAAKE selbst dabei nicht aus der Rolle fallen und ihr grimmiges Auftreten auch in diesem grandios-grotesken Moment konsequent durchzuziehen imstande sind, ist vielleicht die größte Leistung an diesem Abend – allemal aber ein gelungener Abschluss für diesen insgesamt absolut stimmigen Abend. Dass nun auch das Publikum auftaut und lautstark Zugabe fordert, zollt dem Tribut – um TAAKE tatsächlich zu einer Zugabe zu bewegen, reicht das aber nicht mehr aus: zu wenig, zu spät.

  1. Nordbundet
  2. Du Ville Ville Vestland
  3. Fra Vadested Til Vaandesmed
  4. Orkan
  5. Doedsjarl
  6. Havet I Huset
  7. Helvetesmakt
  8. Dei Vil Alltid Klaga Og Kyta
  9. Hordalands Doedskvad I
  10. Myr

Mit gleich zwei norwegischen Bands, die für gewöhnlich in deutlich größeren Hallen spielen, bietet die Show im Wiener Viper Room ein ganz besonderes Erlebnis: Man fühlt sich in der Zeit um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückversetzt, in eine Zeit, in der Black Metal noch ein Nischengenre war. Einzig die Songauswahl will dazu nicht ganz passen: Zwar spielen beide Bands nach wie vor truen Black Metal – der Charme der frühen Alben ist jedoch bei beiden nach wie vor unerreicht. Vielleicht liegt es daran, dass das Wiener Publikum nicht in vollem Umfang mitgeht – vielleicht aber auch nur an der schier unaushaltbaren Hitze im proppenvollen Viper Room. Performances, Sound und Gesamtatmosphäre lassen heute jedenfalls nichts zu wünschen übrig.

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