Konzertbericht: Within Temptation

15.07.2021 Streamshow

Wenn man im Showbusiness aus der Pandemie eines gelernt hat, dann, „aus der Not eine Tugend zu machen“, wie es so schön heißt: Nach kurzer Schockstarre wurde das völlig neue Genre der Streamshow etabliert und rasant weiterentwickelt: Wurde zunächst in fragwürdiger Audio- und Bildqualität aus Proberäumen und Studios übertragen, verlagerten sich die Shows schnell in immer extravagantere (Outdoor-)Locations und schließlich sogar ganz in den virtuellen Raum: Mit einigem Aufwand wagte sich hier das Wacken Open Air vor und schickte beim „Wacken World Wide“ Bands wie Heaven Shall Burn auf die „Virtual Stage“. Ganz ausgereift war das zwar nicht – aber doch ein erster Wink, wohin sich dieser Entertainment-Zweig gehen würde.

Mit „The Aftermath – A Show In A Virtual Reality“ wagen sich nun auch WITHIN TEMPRATION in den virtuellen Raum: Ihre Streamshow ist, wie bereits der Titel verrät, ein komplett animiertes Erlebnis: Wohl vor Bluescreen abgefilmt, sieht der Zuschauer die innovationsfreudigen Niederländer an wechselnden, digital erschaffenen Orten performen. Doch anders als beim „Wacken World Wide“, dessen Animationen noch arg ungelenk wirkten, ist „The Aftermath – A Show In A Virtual Reality“ ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk.

The Aftermath Within Temptation Still 7
Within Temptation – The Aftermath / © SetVexy

Nach kurzem Prolog, den ganz science-fiction-mäßig eine Robobotermaske vom Besten gibt, starten WITHIN TEMPTATION ihre Performance in einer dystopischen Großstadtruine. Wer es darauf anlegt, erkennt natürlich auch hier, dass das Szenario um die Musiker herumprojeziert ist. Wer die Auflösung des Streams von bis zu 4k Pixeln voll ausnutzt und sich nicht darauf versteift, unbedingt Fehler finden zu wollen, bekommt eine fulminante Inszenierung geboten: epische Kamerafahrten durch die Wolkenkratzerruinen, um die Bühne herum und über diese hinweg, eindrucksvolle Perspektivwechsel (in der Wirkung noch gesteigert durch eingeblendete Leinwände hinter den Musikern) und erstaunlich realistische Lichteffekte. Gerade noch rechtzeitig, ehe sich das Szenario abnutzt, wechselt die Location und die Performance wird in eine gewaltige Feuerhöhle velegt, später geht es auf einer Plattform in den luftlosen Weiten des Weltraums weiter.

The Aftermath Within Temptation Still 7
Within Temptation – The Aftermath / © SetVexy

Das alles ist nichts weniger als spektakulär und im betriebenen Aufwand bislang fraglos einmalig – hat mit einer Liveshow aber natürlich so wenig zu tun wie ein Musikvideo, in dem die Musiker zufällig auch ihre Instrumente dabei haben. In dem VR-Setting ist unmöglich auszumachen, wie „live“ die Musik überhaupt ist. Ob hier wirklich die Tonspuren der Greenscreen-Performance zu hören sind, ist aber zumindest fraglich: Der Sound ist perfekt, alle Gastbeiträge sind exakt wie auf den Albumversionen in das Klangbild eingebettet. Mit anderen Worten: Wäre „The Aftermath – A Show In A Virtual Reality“ eine reine Playbackshow zu den Albumtracks – man würde es nicht merken.

The Aftermath Within Temptation Still 7
Within Temptation – The Aftermath / © SetVexy

Aber macht das etwas – wenn zugleich die spektakuläre Kulisse virtueller Höhlen und Höhen über den Bildschirm flimmert? Schwer zu sagen. Zum modernen Alternative Metal, den die ehemals im Gothic und Symphonic Metal beheimateten WITHIN TEMPTATION mittlerweile spielen, passt das hochmoderne Setting ohne jede Frage – und schon allein die beeindruckende technische Inszenierung fesselt die Blicke. Nur die Band wirkt in dem ganzen virtuellen Brimborium bisweilen fast wie ein atavistisches Überbleibsel aus analogen Tagen.

Within Temptation – The Aftermath / © SetVexy
  1. Forsaken
  2. Our Solemn Hour
  3. Paradise (What About Us?)
  4. The Purge
  5. Entertain You
  6. Raise Your Banner
  7. And We Run
  8. Shed My Skin
  9. Firelight
  10. The Reckoning
  11. Supernova
  12. Stairway To The Skies

Keine Streamshow kann gleichwertigen Ersatz für ein Live-Konzert liefern. Insofern ist es nur konsequent, eine gestreamte Performance auf das Medium Bildschirm zugeschnitten zu produzieren: Statt krampfhaft zu versuchen, Live-Atmosphäre ins heimische Wohnzimmer zu transportieren, machen WITHIN TEMPTATION ihre Darbietung zu einem cineastischen Spektakel. Das ist zwar (noch) ungewohnt, objektiv betrachtet aber stimmiger als es das Konzept Live-DVD je war.


„The Aftermath – A Show In A Virtual Reality“ ist noch bis Samstag, den 17.7.21 digital abrufbar. Tickets gibt es zum Preis von 24,99€ auf der Homepage der Band: https://www.within-temptation.com/

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