Konzertbericht: ZSK w/ Slime

12.01.2019 München, Backstage (Werk)

Was in England The Addicts, sind hierzulande SLIME: die unangefochten dienstälteste Punkband im Land. Wohl nicht zuletzt, weil die Texte der Hamburger 2018 genauso aktuell sind wie 1988, 1998 oder 2008, hören die Punker einfach nicht auf. Auf Co-Headliner-Tour mit ZSK treffen die Deutschpunk-Vorreiter auf eine ihrer vielleicht hoffnungsvollsten Nachfolgebands. Oder, wie Joshi es im Laufe des Abends auf den Punkt bringen wird: Ohne SLIME wären wir heute nicht hier.

Dass die Spielreihenfolge von Abend zu Abend rotiert, ist die einzig gültige Erklärung dafür, dass SLIME heute als erstes an der Reihe sind und die Punk-Pioniere damit bereits um 20:00 Uhr auf die Bühne müssen, während draußen vor dem Backstage noch unzählige Fans in der Schlange stehen. Der Stimmung im Werk tut das keinen Abbruch. Ebenso wenig der für Punk fast schon erbarmungslos gute Sound: Hätte das perfekte Klangbild so mancher Punkband fraglos das Genick gebrochen, geben sich die 2011 wiederbelebten SLIME musikalisch keine Blöße.

Spurlos sind die letzten Jahrzehnte an SLIME freilich nicht vorübergegangen: Schick im Hemd und spätestens seit „Hier und jetzt“ auch musikalisch ziemlich brav, findet der Punk bei SLIME objektiv betrachtet eigentlich nur noch auf textlicher Ebene statt. Dazu passt, dass die Hamburger im Mittelteil ihres 90-Minuten-Sets einen ziemlich verzichtbaren Akustik-Teil (u.a. „Zu Kalt“) einbauen und den Abwärts-Song „Computerstaat“ covern, ehe es den Klassikern entgegen geht. Ebenfalls bezeichnend ist, wie unentspannt Fronter Dirk „Dicken“ Jora reagiert, als ihm ein Fan sein komplettes Bier entgegenschüttet; menschlich absolut nachvollziehbar, aber auch ein klitzekleines bisschen spießig: Prügel androhen? Verständlich. Aber der Halle verweisen lassen, nun ja. Im Mosphit hätte der Übeltäter wohl auch so genug Rückmeldung erhalten.

Politisch bringen Jora und Kollegen das Problem in „Unsere Lieder“ auf den Punkt: Mir wär es lieber, unsre Lieder wären nicht mehr aktuell und niemand würde sie noch singen“. Musikalisch kann man natürlich nur froh sein, dass sich daran in den letzten 40 Jahren nichts geändert hat und das mit gut 1.200 Fans fast vollbesetzte Werk eifrig ihre Lieder singt. Und das nicht nur bei Klassikern wie „Störtebeker“, „Legal-Illegal-Scheißegal“ oder dem „Schweineherbst“-Track „Brüllen zertrümmern und weg“, den Jora dem ZDF-Kameranmann widmet, der mit einem SLIME-Pullover unlängst für einen „Skandal“ gesorgt hatte, sondern auch bei neuen Songs wie dem finalen „Let’s Get United“, das um 21:30 Uhr aus über tausend Kehlen durch das Werk schallt.

Einen Headlinerslot nach einer Legende wie Slime spielen? Eine verdammt undankbare Aufgabe, könnte man meinen. Nicht so für ZSK aus Berlin, die heute von der ersten Minute an alles richtig machten. 1997 gegründet, 2007 noch vor 17 Fans live im Backstage, dann bis 2011 aufgelöst – kein Wunder, dass Fronter Joshi heute im gesteckt vollen Werk schnell feststellt: Das könnte heute die Show in München werden. Und in der Tat: Mit einem stimmgewaltigen Geburtstagsständchen für Band-Roady Hannes, einem Gratisbier auf der Bühne für einen der besagten 17 Fans von 2007 (auf Ex), einem Verrückten, der mitten in der Arena ein Bengalo entzündet und den einschreitenden Securitys nur knapp ins Getümmel des Moshpits entkommt – an denkwürdigen Momenten mangelt es dem Konzert wahrlich nicht.

‎Mit freundlicher Genehmigung von © Matthias Zickrow / ZSK

Doch auch ZSK selbst sorgen für eine denkwürdige Show: Mit knackigem Punk-Rock in bester Anti-Flag-Manier, jeder Menge guter Laune und rundum unterstützenswerten Ansagen gegen Rechts, haben ZSK das Publikum voll in der Hand. Dass Fronter Joshi diverse Male im Graben unterwegs und bei den Fans ist, crowdsurft und zum Party-Hit „Die besten Lieder“ Bier ans Publikum verteilen lässt, tut sein Übriges, um die Stimmung weiter anzuheizen.

© Bernhard Landkammer / Metal1.info

Ein absoluter Gänsehautmoment und damit der unumstrittene Höhepunkt des Abends gelingt ZSK jedoch mit „Jede Sekunde“, einer ruhigen Nummer, für die Joshi sich mit Akustikgitarre mitten in die niederkniende Menge stellt: Wen das nicht berührt, dem ist nicht mehr zu helfen. Das abschließende „Antifascista“ beendet einen Abend mit einem letzten Moshpit, der die letzten Energiereserven frisst, und dem entsprechenden, nicht enden wollenden Sprechchor.

  1. Es müsste immer Musik da sein
  2. Der richtige Weg
  3. Keine Angst
  4. Es wird Zeit
  5. Bis jetzt ging alles gut
  6. Punkverrat
  7. Alles steht still
  8. Kein Mensch ist Illegal
  9. Lichterketten
  10. Unzerstörbar
  11. Unser Schiff
  12. Hallo Hoffnung
  13. Hamburg
  14. Herz für die Sache
  15. Make Racists Afraid Again
  16. Bro Hymn
  17. Die besten Lieder
  18. Keine Lust
  19. Wenn so viele schweigen
  20. Jede Sekunde
  21. Riot Radio
  22. Antifascista

Der Punk-Rock-Abend des Backstage-Geburtstags bietet alles, was man sich von einem Punk-Rock-Abend erwarten kann: Eine Legende und ihre Nachfolger, volles Haus, günstiges Bier und viele Songs mit wenig Akkorden, dafür aber umso mehr politischer Botschaft. Vor allem aber jede Menge gute Laune und ein klares Fuck You! nach rechts durch weit über tausend Fans, die sie eben doch noch singen, diese heute wie damals aktuellen Lieder. Wie könnte ein Bericht da anders enden als mit der selbst schon totgeglaubten, aber schlussendlich doch auch 2018 noch wahren Phrase „Punks not dead“.

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