Review Envy – The Fallen Crimson

Musik ist Emotion, Leidenschaft, Energie – in allen Facetten und Varianten. Es gibt wenige Bands, die so sehr für ein solches Mantra stehen wie ENVY. Ihre Spielart des (Post-)Hardcore verbindet auf unnachahmliche Art und Weise verträumte, hoffnungsvolle ruhige Passagen mit brachialen Ausbrüchen, schierer Verzweiflung und Dunkelheit.

Den Weg zu ihrem neuen Album „The Fallen Crimson“ haben ENVY für ihre Fans als eine ähnliche Achterbahnfahrt der Gefühle gestaltet. Als Sänger Tetsuya Fukagawa im April 2016 seinen Ausstieg verkündete und die restlichen Bandmitglieder sporadisch mit Gastsängern auftraten, sah es nach dem Ende der Band aus Tokyo aus. Ohne Vorwarnung war Tetsuya im Herbst 2018 plötzlich wieder zurück und die Gründungsmitglieder Masahiro Tabita und Dairoku Seki kein Teil der Band mehr. Dafür ist ENVY nun mit yOshi, Yoshimitsu Taki und Hiroki Watanabe um drei Mitglieder reicher. Nach zwei neuen Songs auf der Single „Alnair In August“ Ende 2018 ist es Anfang 2020 schließlich so weit: ENVY schlagen mit „The Fallen Crimson“ ein neues Kapitel in ihrer Bandhistorie auf.

Dabei gelingt ENVY das Kunststück, nach mehr als 25 Jahren mit „The Fallen Crimson“ ihr mit Abstand vielseitigstes Album vorzulegen. Die Spielfreude, die Leidenschaft, die hier in jeder Sekunde zu hören ist, zeigen eindeutig, dass sich die Band keine Grenzen gesetzt hat, sondern in neuer Besetzung ihrer neu gewonnen Energie Bahn bricht.

Im Opener „Statement Of Freedom“ – vielleicht ein bezeichnender Titel – eröffnen ENVY ihr siebtes Album unvermittelt, mit harten Gitarren und viel aufgestauter Wut im Bauch. Bereits das anschließende „Swaying Leaves And Scattering Breath“ ruft mit seinen perlenden Gitarrenlinien und hoffnungsvollen Melodien eine komplett andere Stimmung auf, ohne an Energie einzubüßen. Hierzu tragen sicher auch Tetsuyas Sprechgesang sowie sein zartes, schönes Singen bei – beide Elemente ziehen sich durch „The Fallen Crimson“. Diese positive Stimmung schlägt im fast schon schizophrenen „A Faint New World“ ins Düstere um: Ausgehend von ruhigem Drumming prescht der Song in epische, herzzerreißende Gefilde vor, bevor fast schon mathrock-artige Breaks den Song zerschneiden und ENVY sich die Finger blutig schrammeln.

Die Tracklist von „The Fallen Crimson“ ist, man kann es nicht anders sagen, perfekt: Egal ob ein Stück quasi direkt den Faden des Vorgängers aufnimmt oder diesen ohne Rücksicht zerschneidet, folgt jede Nummer folgerichtig auf die andere. Die Produktion ist extrem druckvoll und fängt dennoch jedes noch so kleine Detail ein. Das zeigt sich besonders an „Dawn And Gaze“: Das Stück ist in seiner majestätischen Erhabenheit, fast schon bedrückenden Schönheit, und den darin eingebetteten brachialen Schreien von Tetsuya, der dennoch hoffnungsvoll klingt, vielleicht das beste Stück Musik, das ENVY bisher geschrieben haben. Einen beträchtlichen Teil dazu trägt eben der Sound bei, der alle einzelne Elemente, seien es Vocoder-Sounds, Flageolettöne oder den warmen Bass, perfekt aufeinander abstimmt.

Zwei Stücke stechen neben den genannten Liedern besonders hervor: „Rhythm“ wird von fast schon gehauchtem Frauengesang und einfach nur traumhaft schönen Melodien getragen. Dabei gerät es fast schon orchestral und treibt durch seine schiere Schönheit Tränen in die Augen. Auf „Fingerprint Mark“ toben sich ENVY schließlich im wüsten Punk aus, der neben ihren eigenen chaotischen Hardcore-Wurzeln auch an Bands wie Touché Amoré erinnert.

Wenn das finale „A Step In The Morning Glow” im verschleppten Tempo noch einmal alle musikalischen und emotionalen Register zieht und langsam verklingt, gilt es, erst einmal tief einzuatmen. Sich noch einmal durch „The Fallen Crimson“ zu hören. Ungläubig den Kopf zu schütteln. Und schließlich festzustellen: ENVY haben zu ihrer Rückkehr nicht nur ein weiteres Meisterwerk, sondern ihr bisher bestes Album veröffentlicht.

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Wertung: 10 / 10

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