Schandmaul Knüppel aus dem Sack Coverartwork

Review Schandmaul – Knüppel aus dem Sack

Im Folk-/Mittelalter-Rock hat sich in den letzten Jahren viel getan. Dabei befinden sich vor allem Saltatio Mortis und Feuerschwanz auf der Überholspur, beide haben die Pandemie genutzt, um durch wahnsinnig viel Arbeit die Genrespitze zu erklimmen. SCHANDMAUL als Folk-Rock-Urväter hatten dabei zuletzt einen schwierigeren Stand: „Leuchtfeuer“ und „Unendlich“ haben sich durch ihre moderne, teils melancholische Ausrichtung vielleicht etwas zu sehr von den Wurzeln entfernt. „Artus“ markierte zwar eine Rückkehr zu den Ursprüngen, geriet schlussendlich aber zu spannungsarm.

Nun holen SCHANDMAUL den „Knüppel aus dem Sack“ und der eröffnende Titeltrack ist eine willkommene Überraschung. Das schwere, treibende Riff erinnert an den Metallica-Klassiker „Seek And Destroy“, das einfache wie harte Drumming sorgt für einen angenehm drückenden Rhythmus. Thomas Lindner singt tief und fies und klingt etwas nach Stumpen von Knorkator – das ist ungewohnt, Lindner darf aber gerne öfter so mit seiner Stimme spielen und damit willkommene Abwechslung einbringen. Dass er den Songs mit seiner charakteristischen, sympathischen Stimme eh einen besonderen, ganz eigenen Glanz verleiht, muss nach fast 25 Jahren kaum mehr erwähnt werden. Den für SCHANDMAUL-Verhältnisse harten Song lockert die Drehleier als folkiges Element auf und zeigt trotz der instrumentalen und gesanglichen Schwere: Das ist SCHANDMAUL! Im Kern sind die Münchner sich immer treu geblieben und „Knüppel aus dem Sack“ zeigt im weiteren Verlauf, dass SCHANDMAUL noch weiter zu ihren Wurzeln zurückkehren.

„Knüppel aus dem Sack“ bietet über die gesamte Laufzeit viel Abwechslung und alle Trademarks, die man von SCHANDMAUL kennt und liebt. Der „Tatzelwurm“ ist ein eher bedächtiger, melancholischer Track und steht damit in der modernen Tradition der 2010er Jahre. Ansonsten bietet die Scheibe ganz viel Nostalgie: SCHANDMAUL scheinen große Freude daran zu haben, ihr eigenen Wurzeln wieder neu zu entdecken. „Der Quacksalber“ beispielsweise ist einer dieser leichtfüßigen, unbeschwerten Tracks, die es früher viel öfter gab. „Luft und Liebe“ mit seiner bitter-ironischen Botschaft und „Irgendwann“ versprühen mit ihrer locker-flockigen Tanzbarkeit sogar „Narrenkönig“-Vibes und stellen damit das andere Ende des SCHANDMAUL-Spektrums zum harten Titeltrack dar.

Zwei starke Songs auf einem starken Album stehen für den Zusammenhalt und das Lebensgefühl der Folk-Szene. „Königsgarde“ mit Saltatio Mortis sowie Ben Metzner von Feuerschwanz ist ein mächtiger Track mit ausladenden Melodien und fühlt sich einfach groß und bedeutend an. „Glück auf!“ mit Fiddler’s Green dagegen ist eine flotte Nummer für die Tanzfläche und zum feuchtfröhlichen Mitgrölen. Die beiden Lieder bieten dabei viel, was das gesamte Album ausmacht: Bedeutungsvolle wie spaßige Texte, großartige Melodien und unfassbar viel Freude an der Musik und am Leben. Ganz erfreulich fällt oft auf, dass die Mittelalterinstrumente von Dudelsack über Flöte bis Drehleier auf „Knüppel aus dem Sack“ eine so große Rolle wie schon lange nicht mehr im SCHANDMAUL-Sound spielen. Alle Instrumente sind wichtig und sinnvoll eingesetzt, nie verkommen die Folk-Klänge zu billigem Beiwerk oder sind nur da, weil sie eben da sein müssen.

Mit „Knüppel aus dem Sack“ vollbringen SCHANDMAUL das Kunststück, so frisch und energiegeladen wie schon lange nicht mehr zu klingen. Ihre elfte Platte ist vielleicht die beste seit „Anderswelt“ (2008), mindestens aber seit „Traumtänzer“ (2011). SCHANDMAUL haben Spaß an ihrer Musik und den können sie so gut wie schon lange nicht mehr auf die Hörer übertragen. „Knüppel aus dem Sack“ ist mehr als nur ein starkes Album, es ist eine Art Werkschau zwischen Nostalgie und Moderne, zwischen Fortschritt und Rückblick, zwischen Erwachsen und Kind sein. Alle, die SCHANDMAUL in den 2010er Jahren etwas aus den Augen verloren haben, sollten „Knüppel aus dem Sack“ unbedingt eine Chance geben – sie können und werden eure Herzen wieder erobern!

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Wertung: 9 / 10

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