Konzertbericht: Schandmaul w/ Krayenzeit

17.02.2018 München, Zenith

Die letzten Monate und Jahre waren bei den Münchner Folk-Urgesteinen SCHANDMAUL von Rückschlägen geprägt: Die Tour zum letzten Album „Leuchtfeuer“ musste mehrfach unterbrochen und verschoben werden, der Auftritt im Münchner Zenith 2016 gar zweimal um über ein Jahr (!) verschoben werden. Am 17. Februar 2018 standen die Sterne schließlich günstig und die Mäuler spielten sich mit einem Best-of in gewisser Weise frei.

Davor eröffnen die Ludwigsburger KRAYENZEIT den Abend mit ihrem Mix aus Mittelalter-Rock und Folk-Metal. Von 2015 bis 2017 veröffentlichte die Combo rund um Sänger Markus Engel sage und schreibe drei Studioalben, zuletzt „Tenebra“ und „Auf dunklen Schwingen“. Seit letztem Jahr verstärkt Shir-Ran Yinon (Ex-Eluveitie) die Folkrocker an der Geige. In ihren rund 40 Minuten geben sich die sieben Musiker redlich Mühe, um für Stimmung zu sorgen, das gelingt allerdings nur temporär durch fleißiges Animieren der Menge wie rund um „Blut von meinem Blut“ nebst visuell festgehaltener Springpassage der Menge. Einigen Kompositionen hätte ein bisschen mehr Reife und Feinschliff hingegen gutgetan, so wirken die Songs im Refrain oft längst nicht so stark wie beim instrumentalen Auftakt und die Stimmung ebbt während der einzelnen Lieder merklich ab. Sänger Markus sind besonders in den hohen Lagen seine Wurzeln im Metal anzumerken, bei „Von der Fahrt übers Meer“ greift er selbst zur Tin Whistle und speziell instrumental sind die einzelnen Versatzstücke oftmals ansprechend arrangiert. Lediglich das Ergebnis reißt wie in „Tenebra“, deutlich packender und damit geeigneter als der Opener „Krähenhochzeit“, und in „Krayenzeit“ nur temporär mit. So geht es für die Musiker schließlich ohne Zugabe zurück in die Umkleide.

Viel hat sich im Hause SCHANDMAUL getan, seitdem die Musiker zum letzten Mal in ihrer Heimat zu sehen gewesen sind: Neben den eingangs erwähnten Rückschlägen verließ Geigerin Anna die Kapelle nach fast 20 Jahren gemeinsamen Musizierens. In München wird sie ersetzt durch Violin-Virtuosin Ally, die beim Opener „Vor der Schlacht“ zusätzlich zu ihrem Paradeinstrument auch erstmals live an der Drehleier zu hören ist. Schnell ergreift Sänger Thomas das Wort und will keinen großen Blick zurück werfen oder gar Sprichwörter wie „Aller guten Dinge sind drei“ bemühen. Schließlich gäbe es etwas zu feiern: 20 Jahre Schandmaul. Anstatt eines weiteren Tourkonzerts unter dem „Leuchtfeuer“-Banner haben sich die Süddeutschen dazu entschlossen, ihre Jubiläumstour 2018 mit einem Best-of-Programm in München zu starten. Die Menge ist begeistert, als die ersten Takte von „Der Hofnarr“ spielen und später auch „Die letzte Tröte“ (in einer Art Medley mit „Mitgift“) erklingt. „Teufelsweib“ und andere Klassiker dürfen im weiteren Verlauf, besonders bei einer Best-of-Tour, natürlich nicht fehlen. In Memmingen mussten die Folkrocker ihr letztjähriges Gastspiel nach fünf Songs während „Kaspar“ abbrechen, als Thomas seine Stimme verließ. In der bayerischen Landeshauptstadt nutzt er besonders den Konzertbeginn und eben jenes Stück für viel Galgenhumor: Während „Kaspar“ legt er sich plötzlich nieder und simuliert kurzzeitig einen weiteren Abbruch, sehr zur Verwunderung seiner Mitmusiker. Am Ende markiert das anfängliche Schauspiel nur den Beginn eines rund 2,5-stündigen Konzertmarathons.
Ungewohnt hart erklingen SCHANDMAUL, viele Stücke wie „Die goldene Kette“ oder auch „Euch zum Geleit“ haben unter anderem durch Ally eine kleine Frischzellenkur spendiert bekommen. Wie richtungsweisend der Sound für das weitere Jahr ist, werden die Konzerte an anderen Spielstätten zeigen. Das Zenith ist trotz einer an diesem Abend insgesamt guten Akustik nicht als Referenzwert geeignet. Dafür zeigt die Spielfreude des folkigen Sechsers, der sich unter einem riesigen neuen Bühnenlogo aus Holz fröhlich durch die letzten 20 Jahre musiziert, dass die Musiker brennen und ihr Publikum wieder erobern möchten. Thomas nennt die Fans selbst „Leuchtfeuer“ und neben dem Titeltrack sind das famose „Tjark Evers“ und das rockige „König“ die einzigen Relikte der letzten Veröffentlichung, die live relativ ungespielt einige Jahre auf dem Buckel hat. „Tjark Evers“ kombiniert Thomas am Keyboard mit „Euch zum Geleit“ zu einem kleinen Keyboard-Intermezzo mit Streicheruntermalung und perkussiven Akzenten. Für das feierwütige „Der Teufel…“ holt sich der glatzköpfige Frontmann mit Till Herence von ApRon stimmgewaltige Unterstützung, besonders im russischen und englischen Part. Mit „Drachentöter“ und „Krieger“ huldigen SCHANDMAUL schließlich den Nibelungen und spätestens mit „Walpurgisnacht“ neigt sich das Konzert langsam dem Ende.
Lediglich am Ende und im Zugabenblock meinen es die folkigen Sechs vielleicht etwas zu gut. Was gefühlt mit „Herren der Winde“ eingeläutet wird, geht schließlich mit ungewöhnlich vielen Songs weiter, wobei besonders rockigere Nummern wie „Feuertanz“ auch locker in die eigentliche Setlist gepasst hätten. In „Der Spion“ darf sich die Menge bei kleinen Publikumsspielen nochmals hervortun, ehe „Willst du?“ den Abend balladesk ausklingen lässt.

Keine Zweifel, SCHANDMAUL sind zurück und präsentieren sich in neuer Besetzung wieder als stimmige Einheit. Besonders Ally an der Geige bereichert die Band mit ihrem auszgezeichneten Spiel. Nach ein bis zwei sehr schwierigen Jahren haben die Szeneveteranen 2018 viel vor, wie zum Beispiel ihren 20. Bandgeburtstag in Köln und auch ein neues Album. Den Grundstein für die große Jubiläumssause in der Heimat zu legen, erweist sich als cleverer Schachzug: Im Kreise der Liebsten können die Musiker experimentieren und erfolgreich den Grundstein für eine in erster Linie hoffentlich gesunde Zukunft legen.

 

 

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