Review Schandmaul – Unendlich

Und endlich „Unendlich“: Mit ihrem achten Studioalbum wagen die Münchner Folkveteranen SCHANDMAUL den Schritt zum Labelriesen Universal. Damit treten die Süddeutschen in die Fußstapfen von Szenegrößen wie In Extremo, Faun und Unheilig. Dass ein größerer Name im Hintergrund nicht unbedingt mit steigender Qualität bei den Veröffentlichungen einhergeht, ist indes ein offenes Geheimnis. Erfreulicherweise sind die Mäuler (auch) hierbei eine angenehme Ausnahme.

So ist der Folk immer noch da, wo er hingehört. Das beweist direkt der Albeneinstieg mit dem Dreiergespann „Trafalgar“ rund um die geschichtsträchtige Seeschlacht Lord Horatio Nelsons mit Franzosen und Spaniern, sowie „Tippelbruder“ und „Kaspar“. Bei „Tippelbruder“ ist es besonders das Zusammenspiel aus Annas Geige und Birgits Flöten, die für fröhliche und zugleich wenig banale Unterhaltung sorgt. Hier schlägt das Folkherz noch da, wo andernorts die Stromgitarren regieren. Eben jene sind auch bei Schandmaul hörbar vorhanden, aber eben nur bis zu einem gewissen Grad: Einzig beim opulenten Albumabschluss „Märchenmond“ – basierend auf dem Roman von Wolfgang Hohlbein und dem vorhandenen WETO-Song – wagt sich der Folksechser an einen epischen Rockrausschmeißer mit über sechs Minuten Länge, der einen klaren Kontrast zu vorangegangenen Albenabschlüssen wie „Wie Sie ist“, „Prinzessin“ und „Mein Lied“ bildet.

Schandmaul klingen insgesamt immer noch nach Schandmaul, auch in den ruhigen Momenten. Die Harfe in den beiden Tempobremsen „Mein Bildnis“ und dem Nibelungen-Prequel „Baum des Lebens“ erweitert das vorhandene Instrumentarium auf unspektakuläre, wenngleich sinnvolle Art und Weise. Bei Zweiterem kommen besonders Fans nordischer Sagen rund um die Edda und Co. auf ihre Kosten. An der Balladenfront glänzt „Unendlich“ allerdings primär durch die Singleauskopplung „Euch zum Geleit“. Jenes Lied handelt vom Abschied nehmen. Allerdings soll dabei nicht die Trauer im Vordergrund stehen, sondern der Blick zurück auf die schönen, gemeinsamen Momente und das Vertrauen, dass die Erinnerung weiterlebt. Der Anstoß zu diesem Text wurde Gitarrist Martin Duckstein auf einer Beerdigung in seiner Verwandtschaft gegeben. Die Verstorbene hinterließ einen Brief, der vom Prediger stellvertretend für sie geöffnet und der Trauergemeinde vorgelesen wurde. Obwohl „Euch zum Geleit“ dem klassischen Singleaufbau folgt, beeindruckt der Song durch nachhaltige emotionale Tiefe in der Instrumentierung sowie im Gesang von Thomas Lindner. Womöglich eines der besten Schandmaul-Stücke aller Zeiten.

Die beiden Instrumentals „Little Miss Midleton“ und „Tangossa“ sind nette Zwischenspiele, die für die nötige Abwechslung sorgen, auflockern und dennoch alles andere als plump über die Lautsprecher dröhnen. Dafür sind die Melodien aus der Feder von Geigenvirtuosin Anna Kränzlein zu verspielt und die Arrangements zu hochwertig.
Weniger hochwertig, dafür mehr auf Party getrimmt unterhält „Der Teufel…“ ganz im Stile des Schandmaul’schen Trinklieds. Abgerundet wird der feucht-fröhliche Gassenhauer durch Gastspiele von Russkaja und Fiddler’s Green, die mit russischen bzw. englischen Sangeseinlagen für einen Hauch internationales Flair sorgen. Abgesehen davon sind Schandmaul immer noch in der deutschen Sprache verwurzelt und kommen ohne prominente Gäste aus.

Kleinere Abstriche verzeichnet „Unendlich“ für das unspektakulär-popige „Saphira“ sowie weitere Füller, die den Level des übrigen Albums nicht halten können. Auch „Bunt und nicht braun“ als erster politischer Song der Mäuler ist kompositorisch überschaubar gestaltet, überzeugt dafür aber durch seine Botschaft: „Narren sind bunt und nicht braun!“

Eben jenes Credo können sich Schandmaul auch selbst attestieren. „Unendlich“ ist bunt und abwechslungsreich, voller verschiedener Facetten und mehr Folk als vieles andere, was derzeit in Szeneolymp veröffentlicht wird. Die Universal-Einflüsse beschränken sich scheinbar größtenteils auf das Marketing.

Wertung: 7 / 10

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3 Kommentare zu “Schandmaul – Unendlich

  1. Ich finde es besteht aber ein großer Unterschied zwischen der Geschichtenerzählung von Unendlich zu Songs wie Drachentöter, Der Schatz oder der Hofnarr. Mittlerweile muss ich aber sagen, dass mir das Album ziemlich gut gefällt. Finde es anders, aber nach mehrmaligem hören haben bei mir die Songs gezündet. Das Album ist Geschichtenreicher als Traumtänzer; da stimme ich zu. Aber meiner Meinung nach könnten es ein paar mehr sein ;) Nichtsdestotrotz ein gutes Album.

  2. Bei „Traumtänzer“ kann ich das Argument der fehlenden Geschichten noch bestens nachvollziehen. Aber hier ist es eigentlich anders. Gerade die Geschichten waren Thomas und Co. bei „Unendlich“ wichtig, siehe auch unser Prelistening hier.

  3. Ich persönlich bin (bisher) von dem Album eher enttäuscht. Muss dazu allerdings sagen, dass ich es erst zwei, drei mal gehört habe. Aber was ich seit der Traumtänzer vermisse sind die Geschichten. Das war für mich immer die Stärke der Band, dass jeder Song eine kleine Geschichte erzählt. Das fehlt auf dieser und der letzten VÖ einfach. Handwerklich sind es gute Werke aber mir fehlt das Geschichtenerzählen unheimlich.

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