Review Spock’s Beard – The First Twenty Years

Mit „Best Of“-Samplern ist das so eine Sache: Oft lieblos zusammengestellt und nicht gerade repräsentativ für das Gesamtwerk einer Band, haftet ihnen auch ein wenig der Ruf der schnellen Geldmacherei an – zumal sie Fans meist nicht viel Neues bieten.

Zugegeben, es hat mich schon ein wenig überrascht, dass SPOCK’S BEARD so kurz nach der Veröffentlichung ihres aktuellen Albums „The Oblivion Particle“ mit einer Best-Of-Compilation um die Ecke kommen. Weihnachtsgeschäft, ick hör dir trapsen! Unabhängig davon muss man „The First Twenty Years“ aber zugestehen, alles andere als eine lieblose und schnell zusammgeschusterte Cashcow zu sein. Denn das Set bietet mit zwei randvollen CDs und einer DVD mit 100 Minuten Spielzeit nicht nur reichlich „value for money“, sondern ist auch inhaltlich durchdacht und überzeugend gemacht – und zwar sowohl für Neulinge, als auch für langjährige Fans der Band:

Jedes Studioalbum ist mit mindestens einem Song vertreten und alle Tracks wurden remastered. Die erste CD widmet sich den Jahren 1995 bis 2002, also der erfolgreichsten SPOCK’S-BEARD-Phase mit Neal Morse als Bandleader und Hauptsongwriter. Mit „The Light“, „Thoughts“, „The Doorway“, „June“ und „At The End Of The Day“ sind die wichtigsten Song aus dieser Zeit enthalten, angereichert mit weiteren guten Nummern wie „Day For Night“, „Solitary Soul“ und „Wind At My Back“, das zu einem Neal-Morse-Klassiker geworden ist.

CD2 beleuchtet die Zeit nach Neals Ausstieg, von 2003 bis heute. Um den Verlust ihres Hauptsongwriters und Leadsängers zu kompensieren, holten sich SPOCK’S BEARD Ghostwriter ins Boot. Drummer Nick d’Virgilio übernahm bis zu seinem Ausstieg 2011 den Gesang, sein Nachfolger ist seitdem Ted Leonard (Enchant). Diese Phase der Bandgeschichte ist geprägt von Experimentierfreude auf der einen, aber auch Orientierungslosigkeit auf der anderen Seite. Man probiert vieles, experimentiert mit Fusion-Klängen, Hardrock und AOR, will aber auch progressiv bleiben – und stopft daher viele Ideen in einen Song und auf ein Album, ohne ein klares Ziel vor Augen zu haben. Neben viel Durchschnittsware kommen dabei auch einige Highlights heraus.
Von diesem Wagemut merkt der Hörer auf „The First Twenty Years“ allerdings recht wenig, denn diese Momente gehörten nicht zu den stärksten der zweiten und dritten SPOCK’S-BEARD-Besetzung. Gut war und ist die Band immer dann, wenn Sie sich auf ihre Ursprünge besinnt und symphonischen Retroprog spielt. Auch die Songauswahl auf der zweiten CD ist gelungen, wenngleich ich von dem ein oder anderen Album einen anderen Track ausgewählt hätte.

Das eigentliche Highlight – vor allem für Fans – ist allerdings „Falling For Forever“: Ein brandneuer, 20-minütiger Longtrack, den Neal Morse geschrieben hat. Alle bisherigen SPOCK’S-BEARD-Mitglieder und Sänger sind darin zu hören: Neal Morse singt die Strophen, Ted Leonard die Refrains und Nick d’Virgilio den rockigen Mittelteil. Darüber hinaus dürfen sowohl der aktuelle Drummer Jimmy Keegan als auch Ex-Schlagzeuger Nick d’Virgilio gegen Ende kurze Schlagzeugsoli beisteuern.
Der Song ist eine typische Neal-Morse-Komposition: Epische und getragene Momente wechseln sich mit rockigen Augenblicken und virtuosen Instrumentalpassagen ab. Allerdings klingt er tatsächlich eher nach alten SPOCK’S BEARD als nach Neals aktuellem Solomaterial. Er ist ein wenig leichter instrumentiert und etwas straighter. Insgesamt ist „Falling For Forever“ ein gutes Stück, über das sich Anhänger der Band – insbesondere der Neal-Phase – sicherlich freuen werden. An die Großtaten auf CD1 oder von Neals Solowerken kommt es allerdings nicht heran. Trotzdem ein sehr schönes Geschenk an die Fans und ein wertiger Kaufanreiz für „The First Twenty Years“.

Die ebenfalls im Paket enthaltene DVD bietet rare Aufnahmen eines Auftritts auf dem Progfest 1997 und zeigt die Band darüber hinaus bei den Studiosessions zum 1997er-Album „The Kindness Of Strangers“ – auch visuell wird der Fan also ausgezeichnet bedient.

Alles in allem ist diese Best-Of-Zusammenstellung eine wirklich schöne Sache – sowohl für langjährige Fans der Band, die sich über den neuen Longtrack aus der Feder von Neal Morse freuen dürfen, als auch für Neulinge, die eine der wichtigsten Progbands der letzten 20 Jahre entdecken möchten. Zugreifen!

Keine Wertung

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert