Review Vintersorg – The Focusing Blur

Das Vintersorg die folkigen Melodien ihrer Anfangstage nach und nach gegen progressiv – spacige Klänge eingetauscht haben, hat ihnen manch alter Fan nur schwer verziehen. Diese Entwicklung erreichte mit dem ebenso abgehobenen wie genialen „Visions From The Sprial Generator“ im Jahre 2002 seinen vorläufigen Höhepunkt, was böse Zungen zu Stilbezeichnungen wie „Mathematiker Metal“ verleitete.
Nun ja , diese Kritiker werden wahrscheinlich auch nach dem Genuss vom aktuellen Longplayer „The Focussing Blur“ nicht ganz verstummen, denn obwohl das Material wieder organischer und in gewisser Weise natürlicher klingt, ist man immer noch Lichtjahre davon entfernt, wieder durch Wald und Gebirge zu ziehen, vielleicht sogar weiter als jemals zuvor.
Auf diesem Konzeptalbum macht man sich erneut auf zu einer unglaublichen Reise durch die Galaxien und schickt den menschlichen Verstand auf den Spuren der größten Physiker, voll beladen mit Fragen und einer unerschöpflichen Neugier, auf die Suche nach dem kosmischen Architekten und den Wundern des Universums.
Auf „The Focussing Blur“ treffen sich Melodien, so rasant und abgedreht wie eine kosmische Achterbahnfahrt („The Thesises Season“), mit plötzlichen Tempowechseln („Blindsight Complexity“), und Blastbeats, die auf einmal in immer wiederkehrenden, beruhigenden Balsam in Form von akustischen Gitarren umschlagen („The Essence“). Diese akustischen Gitarren werden bei Bedarf sehr gekonnt mit spacigen Synthieklängen vermischt („A Microscopical Macrocosm“) und schaffen es immer wieder, die Stücke trotz der naturwissenschaftlichen Thematik verträumt und fast schon romantisch wirken zu lassen („A Sphere In A Sphere?“).

Interessanterweise sind die Stücke, obwohl sie bei weitem nicht so abgehoben und abgedreht scheinen wie das Material von „Visions From The Spiral Generator“, auf eine ganz eigentümliche Art noch viel tiefer und verworrener als beim Vorgänger. Unzählige verspielte Details aller Instrumente und wahnwitzige Arrangements geben die Eingängigkeit der Stücke erst nach intensivem Hören preis, tragen dann aber zu einer genialen Gesamtatmosphäre bei.
Hier wird zwar viel mit dem Kopf musiziert, aber so gefühllos wie eine mathematische Gleichung sind die Stücke bei weitem nicht! Man kann sich ohne weiteres zurücklehnen, und Verstand und Gefühl Hand in Hand auf die kosmische Reise schicken. Vintersorg verlangen dem Hörer halt etwas mehr ab, als einfaches Headbangen. Wer nur was zum Haupthaarschwingen sucht, soll sich halt `ne Manowar CD kaufen.

Doch keine Angst, zahm geworden sind beiden Schweden mit ihrer hochkarätigen Gästeschar definitiv nicht! Zu den genialen Riffs von „Matrix Odyssey“ lässt es sich wunderbar abrocken, „Curtains“ ist ziemlich heavy und besticht vor allem durch die geniale Theater-/ Kabarett-/ Zirkusmelodie im Refrain. Mit „Dark Matter Mystery“ gibt es außerdem die perfekte Balance zwischen alten und neuen Tagen, verpackt als phantastische Hymne!
Wie „Blindsight Complexity“ und vor allem „Star Puzzled“ beweisen, kommt es leider auch mal vor, dass man sich heillos im selbstgestrickten kosmischen Netz verheddert. Besagte Stücke berühren einen leider ungefähr so viel wie eine Doppelstunde Physik. Aber diese Halbausfälle – denn wirklich schlecht sind auch diese beiden Songs nicht – fügen dem ansonsten so gelungenen Album keinen großen Schaden zu.

Für die enorm hohe Qualität des Albums sorgen jedoch nicht nur die fertigen Songs, sondern auch Asgeir Mickelson und Steve Di Giorgio, die an ihren Instrumenten wirklich absolute Koryphäen sind (man lausche nur dem Basssolo in „A Sphere In A Sphere?“ oder die wirren Beckenspielereien bei „Matrix Odyssey“). Hoffen wir, dass diese legendäre Rhythmusabteilung auch auf kommenden Releases vertreten sein wird!!!
„The Focussing Blur“ braucht sicherlich den ein oder anderen Durchlauf, aber wenn die Songs einmal zünden – und das tun sie! – lässt einen das Album kaum noch los!
Schade nur, dass die Produktion teilweise etwas drucklos wirkt. Aber bei so hochwertiger Musik kann man auch damit leben.

(Alexander)

Wertung: 9 / 10

Geschrieben am 5. April 2013 von Metal1.info

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