Interview mit Christian Larsson von Gloson

Wer die schwedische Black-Metal-Szene aufmerksam verfolgt, dürfte Christian Larsson schon als Shining-Gitarrist oder wegen seines bemerkenswerten Soloprokjektes SVART begegnet sein. Nun hat Larsson mit der atmosphärischen Sludge-Doom-Band GLOSON ein neues Eisen im Feuer – und berichtet im Interview über deren Debüt „Grimen“, Wildschwein-Sludge und den Satus Quo bei SVART.

Da GLOSON noch ein recht neues Projekt ist: Wie ist die Band entstanden?
Ja, die Band ist noch relativ jung – wir haben erst 2012 angefangen. Wir kannten uns aber schon davor aus der lokalen Musik-Szene in unserer Stadt und haben dann irgendwann gemerkt, dass wir den gleichen Musikgeschmack und sehr ähnliche musikalische Ideen haben. Insofern war es naheliegend, uns zusammenzutun und gemeinsam Musik zu schreiben.

Wie würdest du eure Musik beschreiben?
Wenn du schwere, tiefer gestimmte und sehr natürlich klingende Musik magst, solltest du in unserer Musik etwas finden, das dein Interesse weckt. Ich bin kein Fan von ”Namedropping”, deswegen lasse ich das euch selbst herausfinden. Wir haben schon viele verschiedene Genres gelesen, mit denen uns die Leute gelabelt haben – Postcore, Post-Metal, Sludge, Doom und so weiter. Ich finde, wenn man wirklich so etwas wie ein Genre braucht, könnte man es Boar Sludge nennen. Der Rest bleibt euch überlassen.

Warum “Boar Sludge”?
GLOSON ist der Name eines Wildschweins in alter schwedischer Folklore. Die genaue Herkunft des Begriffs ist umstritten, einige Leute glauben, es ist ein Überbleibsel aus dem alten nordischen Glauben, andere halten es für neuere Folklore. Das Schwein, um das es geht, erscheint einer Person, die das
”Årsgång”-Ritual [bedeutet so viel wie Jahresgang, A. d. Red.] vollzogen hat. Man vollführt dieses Ritual, um Einblicke und Visionen bezüglich des kommenden Jahres zu erlangen. Dann erscheint das Wildschwein, bringt dich zur Strecke und rennt zwischen deinen Beinen durch, wobei es dich mit seinen rasiermesserschafren Borsten in zwei Teile schneidet. Du kannst selbst nach weiteren Informationen dazu suchen, aber das wäre in etwa die Kurzversion. Aber bitte versteh das nicht falsch: Wir sind definitiv keine Folk- oder Viking-Band oder dergleichen!

Gerade ist euer erstes Album “Grimen” erschienen. Wie fühlt sich das an? Bist du zufrieden, ist alles so geworden, wie du es dir vorgestellt hattest?
Ganz ehrlich: Das ist meiner Meinung nach mit Abstand das beste Album, an dem ich je mitgewirkt habe. Normalerweise hast du die Songs, wenn du eine CD fertiggestellt hast, so satt und bist es so leid, die Stücke während des ganzen Prozesses millionenfach gehört zu haben. Aber dieses Album kann ich auch jetzt noch hören und denke mir: Verdammt, das klingt ziemlich cool. Natürlich gibt es ein paar Sachen, die ich hier und da ändern würde, wie das halt so ist. Das ist ganz normal. Aber vor allem mit der Produktion bin ich enorm zufrieden. Wir haben auch fast alles komplett selbstständig gemacht. Wir haben es nicht selbst gemastert, aber das war es dann auch. Das Schlagzeug ist nicht getriggert, alles ist akustisch und “au naturel”, und die Gitarren und das Schlagzeug sind mit so langen Takes wie möglich aufgenommen, um diese kleinen, natürlichen Variationen durchscheinen zu lassen. Das hat am Ende alles sehr schön zum Leben erweckt und ist so nah an einer Live-Aufnahme, wie wir dieser Aufnahmeform momentan kommen können. Das ist definitiv etwas, was wir in Zukunft machen werden, wenn unsere Möglichkeiten, als ganze Band öfter gemeinsam zu proben besser geworden sind. Aber auch jetzt hat sich jeder reingehängt und im Studio ganze Arbeit geleistet – vor allem unser Drummer Samuel, der wirklich die leibhaftige Hölle aus dem Schlagzeug herausgeprügelt hat und der einen großartigen Sinn für Rhythmus und Groove hat. Es macht wirklich Spaß, mit den Jungs zusammenzuspielen.

Ihr habt früher schon ein Live-Album veröffentlicht. Würdest du sagen, GLOSON gehören eher ins Studio oder eher auf die Bühne?
Das ist eine knifflige Frage. Ganz offensichtlich lieben wir beides. Aber für mich persönlich ist, wenn ich mich wirklich entscheiden müsste, das Studio der beste Ort. Das ist der Ort, wo die ganze Magie geschieht – bei Musik geht es mir immer um den kreativen Prozess. Ich bin selbst gerade in meinem letzten Jahr meines Studiums in Tontechnik und Musikproduktion an der Universität. Ich hatte immer ein großes Interesse und eine echte Leidenschaft für den Entstehungsprozess von Musik. Wenn du diese Fertigkeiten erlernst, ist das wie ein neues Instrument in deinem Arsenal, um die Vision in deinem Kopf noch perfekter umzusetzen.
Davon abgesehen ist live auftreten aber natürlich auch eine der besten Sachen, die du in dieser Welt tun kannst. Es ist der Verdienst, den du nach all der absurd harten Arbeit, die es erfordert, ein Album von Anfang bis Ende zu erschaffen, bekommst. Auf Tour zu gehen ist gleichzeitig sehr anstrengend für deine Psyche und deinen Körper. Und für gewöhnlich fordert es auch viele Opfer. Wir haben alle unsere Jobs daheim, Musik bringt uns nicht wirklich Brot auf den Teller. (lacht) Ich habe jetzt viele hundert Shows rund um den Globus gespielt, ich liebe es, das zu tun, auch wenn die Bezahlung dafür ein verdammter Witz ist, und ich habe nicht vor, damit aufzuhören. Es wird einfach noch etwas dauern, aber wir werden auch an den Punkt kommen.

Wird es dann auch eine Deutschland-Tour zu “Grimen” geben?
Du kannst dir sicher sein, dass du uns dann auch in Deutschland spielen sehen wirst… hoffentlich eher früher als später. Wir sind wirklich heiß darauf, raus zu gehen und zu spielen, wo immer wir gebucht werden. Unser Label kommt aus Deutschland, insofern ist es fast garantiert, dass wir dort mehr als nur ein paar Shows spielen werden.

Warum heißt das Album “Grimen” , was steckt hinter diesem Titel?
Der Titel bezieht sich auf die Kirche Grim, die auch in der bereits erwähnten Folklore-Erzählung vorkommt. Auf Schwedisch heißt sie “Kyrkogrimen”, die Kirche Grim, oder eben schlicht “Grimen” (Die Grim). Wir haben dem natürlich unsere eigenen Interpretationen beigefügt. Wir nutzen auch viele Metaphern und ein paar Elemente sind Personifizierungen von einigen Texten und Emotionen. Das Album selbst ist eine Art Bekenntnis zu Verfehlungen und Betrug (failure and betrayal), um ein paar zu nennen – aber ich denke, du musst dich den Texten wirklich selbst öffnen, um sie zu verstehen und alle Teile zusammenfügen zu können. Wir ermutigen die Leute auch dazu, ihre eigenen Bedeutungen der Songs zu finden und sie auf ihre Art und Weise zu interpretieren.

Warum habt ihr euch in diesem Kontext für dieses Cover entschieden, und wer ist für das Bild verantwortlich?
Das Bild ist wie ein großer Mix aus verschiedenen Elementen aus schwedischer und europäischer Folklore. Wir haben dem Künstler, Saiya Ogino von Ogino Design, ziemlich freie hand Gelassen, nachdem wir gemeinsam das Konzept und die verschiedenen Inspirationsquellen durchgesprochen hatten. Er hat sich diesmal wirklich selbst übertroffen. Ich arbeite jetzt seit zehn Jahren mit ihm zusammen – verdammt, ist das lang… – insofern kennen wir uns mittlerweile sehr gut. Es fühlt sich gut an, mit jemandem zusammenarbeiten zu können, der genau versteht, wovon du redest. Aber auch hier wollen wir die Leute ermutigen, die Dinge auf ihre Art und Weise zu interpretieren und sich ihre eigene Geschichte dazu zu denken, wenn du so willst. Aber in dem Bild sind viele Dinge, die mit den Texten in Verbindung stehen.

Wann habt ihr angefangen, an “Grimen” zu arbeiten – wie viel Zeit habt ihr also für das Songwriting benötigt?
Ich glaube, ziemlich bald nachdem die Aufnahmen zu unserer EP “Yearwalker” abgeschlossen waren. Zwei oder zweieinhalb Jahre oder sowas in der Richtung würde ich sagen, vom Anfang bis zum Ende, also von der Konzeptionierung bis es fertig gemixt und gemastert war. Songwriting ist ein sehr langwieriger Prozess. Vom Texte schreiben gar nicht erst zu reden, vom Finden des richtigen Vibes, vom Konzept, dem Artwork, den Titeln und so weiter. Das addiert sich ja alles, und alles braucht seine Zeit. Aber so muss das ja auch sein. Wenn du die Dinge überstürzt angehst, bekommen sie nicht die Zeit, die sie brauchen, um ihr ganzes Potential zu entfalten. Das musste ich auf die harte Tour lernen. Da wir momentan etwas verstreut in verschiedenen Städten wohnen, treffen wir uns nicht so oft zu gemeinsamen Bandproben wie wir uns treffen könnten. Das wird sich aber hoffentlich bald ändern. Aber das bedeutet auch, dass unser Songwriting-Prozess anders abläuft. Anders, aber das bedeutet natürlich nicht, dass wir weniger produktiv sind. Jeder in der Band steuert seinen Teil zum Songwriting bei. Wenn einer ein cooles Riff aufnimmt, läd er es in einen geteilten Ordner, in dem sich mittlerweile Stunden über Stunden an Material finden. Jeder von uns kann sich das Zeug herunterladen und seine eigenen Ideen beisteuern, die Riff-Wiederholungen ändern und so weiter. Am Ende hat jeder seinen persönlichen Touch beigefügt, was die Songs am Ende zu etwas Besonderem macht, denke ich. Wir versuchen, allem gegenüber offen zu bleiben.

Welche Bands würdest du als größten Einfluss nennen, auf dich, aber auch auf die Band?
Für mich persönlich waren Meshuggah immer ein enorm wichtiger Einfluss. Sie haben alles, wonach ich in Musik suche, und obwohl ich ihre komplette Diskographie wortwörtlich hunderte Male gehört habe, finde ich darin immer noch Sachen, die mich baff machen. Aber diese Meinung ändert sich natürlich auch von Zeit zu Zeit. Die Frage ist aber auch schwer zu beantworten, da nicht nur ich, sondern alle in der Band einen wirklich breit gefächerten Musikgeschmack haben: Das reicht von brutalstem Death Metal über abgespaceten Psychedelic-Prog bis zu Oldschool Hip-Hop. Großartige Musik, und damit Inspiration, kann man fast überall finden, wenn man nur aufgeschlossen genug ist. In letzter Zeit habe ich dabei ertappt, nur noch selten Metal gehört zu haben, mit ein paar Ausnahmen. Meistens findet man das interessantere Zeug wo anders, wie im alten 70er-Jahre-Prog, um mal ein offensichtliches Beispiel zu nennen. Jetzt gerade höre ich zum Beispiel Anna von Hauswolff, die nichts anderes ist als ein musikalisches Genie.

Themenwechsel: Du bist auch der Mastermind von SVART, einem großartigen Melodic-Black-Metal-Projekt. SVART liegen seit einiger Zeit auf Eis – warum hast du dieses Kapitel geschlossen und wird es geschlossen bleiben?
Danke für die netten Worte, ich weiß das zu schätzen! Ich habe über das Thema viel nachgedacht, das kannst du mir glauben. Ich sehe ja, was die Leute online schreiben. Es gibt viele Leute da draußen, die ein weiteres Album dieses Projektes wollen. Und es stimmt tatsächlich, dass ich es auf Eis gelegt habe. Aber ich sage das hier und jetzt ganz klipp und klar: Ich habe entschieden, dass dieses Kapitel geschlossen ist und für immer geschlossen bleiben wird. Ich habe das Gefühl, in dieser speziellen Kunstform das ausgedrückt zu haben, was ich ausdrücken wollte. Musikalisch inspiriert mich Black Metal einfach nicht mehr so wie früher. Mit ein paar wenigen Ausnahmen. Ich habe versucht, trotzdem neues Material zu schreiben, mehr als nur einmal. Aber am Ende habe ich alles wieder gelöscht, weil es nicht einmal in die Nähe dessen gekommen ist, was ich “gut genug” nennen würde. Deshalb war es Zeit, etwas neues auszuprobieren. GLOSON hat jetzt oberste Priorität, schon seit ich noch bei Shining gespielt habe eigentlich. Das ist die Art Musik, die ich wirklich machen möchte.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Halmstad: Heimat.
Neurosis: “A Sun That Never Sets”.
Donald Trump: Das werden ein paar interessante Jahre, die da auf uns zukommen.
Winter in Schweden: Kalt und trübsinnig, aber schön.
Niklas Kvarforth: Ok.
GLOSON in zehn Jahren: Hoffentlich haben wir dann ein paar mehr Alben veröffentlicht, und sind an dem Punkt, dass wir in der Lage sind, zu touren.

Vielen Dank für deine Zeit und Antworten. Die letzten Worte gehören dir:
Tut euch einen Gefallen, kauft unser Album und hört euch die Musik so an, wie wir uns vorgestellt haben, dass sie ergründet wird. Wir hoffen, euch alle bald auf Tour zu treffen. Wie immer ist es uns nur wegen der Fans möglich, das alles zu tun – wir können euch allen für die Unterstützung gar nicht genug danken. Cheers!

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