Interview mit Jón Már Ásbjörnsson von Une Misère

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UNE MISÈRE sind eine aufstrebende, junge Metalcore-Band, die gegen Ende des Jahres 2019 ihr Debüt-Album „Sermon“ veröffentlicht hat. So konnte sich die Truppe neben Slots auf großen Festivals in kürzester Zeit auch als Support in das Line-Up einiger interessanter Touren spielen. Grund genug, um bei Sänger Jón Már Ásbjörnsson bezüglich des schnellen Aufstiegs, des ersten Full-Lengths und der isländischen Underground-Szene nachzuhaken.



Hallo, wie geht es dir?
Hey man – alles läuft richtig gut!

Einige unserer Leser können sich unter UNE MISÈRE nicht viel vorstellen. Könntest Du Eure Band kurz vorstellen?
Wir sind eine Band aus Island, die bei Nuclear Blast unter Vertrag ist und durch Avocado Bookings gebucht wird. Wir machen harte Musik und wollen, dass es den Leuten so miserabel geht wie uns. (lacht)

Wie du bereits sagtest kommt ihr aus Island. Warum habt Ihr Euch dazu entschieden, der Band einen französischen Namen zu geben? Welche Bedeutung hat er für euch?
Also, dafür gibt es mehrere Gründe. Zuallererst wollten wir nicht das isländische Wort „Eymd“ hernehmen, weil es nach einer schlechten Black-Metal-Band klingt, was wir keinesfalls sind. Das englische Wort „Misery“ schien aber irgendwie auch nicht zu genügen. Als wäre es nur die eine Seite eines Würfels. Dann hörten wir es auf französisch von dem damaligen Mitbewohner unseres Gitarristen Gunnar, der Franzose ist, und haben uns sofort verliebt. Die französische Sprache ist viel eindrucksvoller wie andere und UNE MISÈRE hört sich einerseits viel wunderschöner und gleichzeitig aber auch schmerzhafter und komplexer an.

Die letzten Wochen wart Ihr auf Tour mit Darkest Hour. Wie liefen die Shows und wie ist es mit einer Band zu touren, die 20 Jahre länger im Metal-Geschäft ist, wie Ihr?
Mit einer Band zu touren, die schon so lange im Metal tätig ist, ist einfach nichts als eine große Ehre. Und so einen bunt gemischten Querschnitt bei den Fans zu sehen ist toll. Da sieht man jüngere Leute, die die „Old Dogs“ bewundern und man sieht ältere Fans, die seit Anfang an dabei sind. Ich liebe es.

Im November habt Ihr euer Debüt-Album „Sermon“ via Nuclear Blast veröffentlicht. Vorher gab es nur eine 3-Songs-EP. Könntest Du erklären, wie es dazu kam, bei dem größten Metal-Label unter Vertrag zu kommen, ohne überhaupt ein Album herausgebracht zu haben?
Also, der größte Verdienst geht wohl an unseren Manager, Simon Fulleman mit AISA Music. Er ist der klügste Mensch der Welt und hatte mehr Vertrauen in uns als wir selber. Aber es hatte auch viel mit zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein zu tun. Ich will damit nicht sagen, dass wir nicht hart dafür gearbeitet haben. Wir haben uns nämlich den Arsch dafür abgearbeitet und machen es noch immer. (lacht) Wir haben ein klares Ziel vor Augen, das wir erreichen wollen. Und dann noch ein paar weitere.

Sermon“ ist eine schwer zu verdauende Platte – sowohl musikalisch als auch emotional. Einerseits gibt es da diese harten Metal- und Hardcore-Riffs und dann aber auch Stellen mit einem eher atmosphärischen Ansatz hin zum Post-Metal. Das Ergebnis ist eine sehr interessante Kombination, die man nicht oft zu Hören bekommt. Wo kommt also Eure Inspiration her?
Nun ja, da jedes Mitglied von uns schon vor der Band bekannt in der isländischen Metal-Szene war, waren wir alle in unterschiedlichen Sub-Genres. Wir kommen aus dem Mathcore, Metalcore, Grindcore und Hardcore – von überall. Und wir hören alle unterschiedliche Musik und kombinieren dabei unsere Vergangenheit mit aktuellen Einflüssen und lassen das ins Songwriting einfließen. Um es kurz zu sagen: Wir schreiben Musik, bei welcher wir denken, dass sie unsere Einstellungen widerspiegelt und sich gut anhört.

Sermon“ ist nun schon eine ganze Weile draußen. Wie ist das Feedback? Seid Ihr mit der Entwicklung zufrieden?
Das Feedback was super, sogar besser als wir uns erhofft haben. Ich meine das Album bringt uns im März nach Nordamerika und im April auf die Impericon Festivals (Anm. d. Red.: Beides wurde aufgrund des Corona-Virus abgesagt bzw. verschoben), ich kann mich nicht beschweren.

Könntest Du uns verraten wie der Prozess für das Songwriting des Albums abgelaufen ist?
Also, der Prozess war dauernd und überall. Jemand hat ein Riff mitgebracht oder einen fast fertiggestellten Song von zuhause oder die Songs wurden im Proberaum zusammengekratzt. Genauso wie im Studio. Wir haben da keine bestimmte Formel.

Manche Eurer Texte scheinen sich um Sucht zu drehen, ganz besonders bei „Overlooked / Disregarded“. Gibt es dahinter eine Geschichte und möchtest du die erzählen?
Ja, die Texte auf dem Album sind sehr persönlich und aus einer sehr persönlichen Sichtweise auf Sucht, mentale Gesundheitsprobleme, Veganismus und so Sachen. In „Overlooked / Disregarded“ geht es darum, so tief in der Grube zu stecken, dass ich begann, Menschen, die mir nahestanden und nur das Beste für mich wollten, zu hassen. Ich konnte es einfach nicht sehen, weil ich nicht ich selbst war. Heute sehe ich, dass es nicht deren Schuld war. Genauso wenig war es die Schuld der Drogen. Es war meine Schuld und sonst niemand anderes. Heute geht es allen gut und dafür bin ich sehr dankbar.

Folgt „Sermon“ einem Konzept oder steht jeder Song für sich selbst?
Nun, jeder Song steht für sich selbst, jedoch unter dem Haupt-Thema: „Gib nicht auf“.

Während die meisten Stellen der Platte dem Hörer die Ohren weghauen, gibt es einige Teile, die untypisch für UNE MISÈRE sind, z.B. die Clean Vocals in „Fallen Eyes“ oder das elektronische Intro bei „Beaten“. Wie kam die Idee für solche Experimente? Habt Ihr vor solche Elemente zukünftig öfter einzubauen?
Oh, wir werden definitiv zukünftig mehr solcher experimenteller Ideen benutzen. Wie ich schon sagte, hören wir alle Arten von Musik, daher kommen die Einflüsse von überall und werden in allen möglichen Arten von uns aufgenommen. Deshalb können sich alle, denen diese experimentelle Stimmung auf dem Album gefällt, auf Weiteres freuen.


Für eine junge Band, die Ihr nun mal seid, habt Ihr eine beeindruckende Präsenz auf der Bühne. Es scheint, als wäre die gesamte Band von einer gewissen Aura umgeben – besonders Deine, Jon, ist einzigartig. Wie verbindet sich das Bühnen-Auftreten mit Eurer Musik? Ist es etwas, worüber Ihr vorher nachdenkt, oder passiert es auf der Bühne ganz spontan?
Ich würde es nicht unbedingt als besonderes Auftreten oder Choreo bezeichnen, sondern viel mehr als eine Seite von mir, die ich unterdrücke bis ich auf der Bühne stehe. Wir haben schon oft darüber gesprochen, wie wir unsere Probleme mit auf die Bühne hoch nehmen und sie dann dort bekämpfen. Manchmal gewinnen wir diese Kämpfe – dann gehen wir sehr dankbar von der Bühne.

Nach Eurer Europa-Tour mit Darkest Hour, werdet Ihr das erste Mal in Amerika auftreten als Support für Thy Art Is Murder und Fit For An Autopsy. Was erwartet Ihr von einer Tour mit einem solch großartigen Line-Up?
Wir erwarten genau das, was jeder erwartet, der auf diese Shows geht: eine Menge Spaß. Meiner persönlichen Meinung nach hatten Thy Art Is Murder und Fit For An Autopsy zwei der fettesten Alben des letzten Jahres, deshalb ist alles sehr, sehr aufregend für uns.

Island ist nicht gerade bekannt für seine Metalcore-Szene und keine größere Tour kommt dorthin. Könntest du deshalb was über die Szene in Eurer Heimat erzählen?
Also, die Szene an sich ist zuhause ziemlich dynamisch aber der Unterschied zu anderen Szenen ist der, dass wir Sub-Genres haben, die alle unter einen Hut gehören und daher kein großer Wettbewerb zwischen Genres und Szenen besteht. Wir alle mögen es, einander zu helfen, so lebt es sich besser. Es sei denn, du bist ein Arschloch oder einfach eine schlechte Person, dann kriegst du nämlich keine Hilfe.

Was ist Dein persönlicher UNE-MISÈRE-Lieblingssong und warum?
Für mich persönlich würde ich sagen „Sin & Guilt“ oder „Voiceless“. Diese Songs sind großartig. „Sin & Guilt“ hat einen meiner Lieblingstexte: „Don’t let me forget my pain“ und das ist ein Ausruf an alle, denen ich in der Vergangenheit wehgetan habe oder die mir wehgetan haben. „Voiceless“ geht einem nahe ans Herz, weil er Veganismus und das Wohlergehen der Tiere behandelt. Industrielle Landwirtschaft ist grausam und etwas, womit sich die Menschen beschäftigen sollten, ehe sie zu einem Burger oder Hot Dog greifen.

Wer ist momentan der beste Newcomer?
Ich weiß nicht, ob die als Newcomer zählen, aber Leeched und Employed To Serve sind wahnsinnig gut.

2020 hat gerade erst begonnen – auf welches Album freust Du dich am meisten?
Also – Leeched haben gerade ein irrsinnig gutes Album herausgebracht, das sollte man auschecken. Abgesehen davon bin ich mir nicht ganz sicher, welche Alben dieses Jahr erscheinen. Nun ja, Heaven Shall Burn bringen eins raus und Parkway Drive auch. Das ist eigentlich immer gut.

Am Ende eines jeden Interviews machen wir das traditionelle Metal1.info-Brainstorming. Ich gebe dir ein paar Stichworte und du antwortest mit dem ersten, das dir dazu einfällt:
Deutsches Bier: WACKEN
Sólstafir: Flying V
Brexit: Es wurde gehandelt, ohne über die Konsequenzen nachzudenken.
Mozart: Schokolade (lacht)

Danke für Deine Zeit! Die letzten Worte überlasse ich Dir:
Wenn Du Dich schlecht fühlst und alles den Bach runter zu gehen droht – rede mit jemandem, kontaktiere jemanden. Es gibt keinen Grund, all diese Dinge alleine durchstehen zu müssen. Keine Wunde ist zu tief.

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Publiziert am von Silas Dietrich

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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