Interview mit Joshi von ZSK

1997 gegründet, zwischen 2007 und 2011 aufgelöst und mit ihrem Album „Hallo Hoffnung“ so erfolgreich wie nie: Die Berliner Band ZSK ist derzeit Speerspitze des deutschen Skatepunk. Vor ihrer Show im E-Werk Erlangen trafen wir Bandkopf Joshi zum Gespräch – über den FC St. Pauli und die Rote Flora, Politik und Punkrock sowie seine Hoffnung in die wütenden Kids.

Ihr habt unlängst in Tel-Aviv gespielt. Was war das für euch für eine Erfahrung, wie ist dort die Szene so drauf, was für Leute kommen da zu einem Punk-Konzert?
Ja, da war was los! Das war einfach ein riesen Spaß und total spannend. Das machen halt kaum Bands, weil man einfach nur krass viel Geld ausgibt, aber wir machen es.

Das muss man ja fast, wenn sich die Gelegenheit bietet …
Mh … nö. Nicht, wenn man sagt, man will kein Geld wegschmeißen. Weil Geld verdient man da nicht. Aber dafür haben wir es auch nicht gemacht und ich fand es großartig. Das hat mir einfach gezeigt: Dieses Punkrock-Ding gibt es weltweit, und du sprichst über die Musik ein bisschen die gleiche Sprache. Du hörst die gleichen Bands, das ist die gleiche Attitüde, es gibt einen gewissen Grund-Konsens. Wir dachten uns halt: Ok, fahren wir nach Israel, dann kommen da vielleicht 50 Leute die sich denken: gucken wir uns diese Deutschen mal an. Und dann waren da 200 Leute, und superviele konnten die Texte mitsingen, die sie gar nicht verstehen! Es ist sogar eine Handvoll Leute von Deutschland extra zu der Show geflogen. Das ist doch nur verrückt ey! Das war großartig. Ein paar Sachen laufen einfach anders: Das Konzert fängt da an, wenn hier unsere Konzerte aufhören. Aber was ich ganz schön fand: Die Leute schätzen das so richtig, dass du diese weite Reise zu ihnen machst. Die freuen sich von tiefstem Herzen, dass du kommst und die wissen, dass das alles stressig ist. Das war echt super.

Hierzulande gibt es in der linken Szene ja sehr unterschiedliche Ansichten, den Israel-Palestina-Konflikt betreffend. Habt ihr da aus Deutschland Kommentare – positiver oder negativer Art – zu der Aktion bekommen?
Wir wurden sehr angefeindet, aber nicht von unseren Fans, sondern von verrückten Trotteln. Aber ganz ehrlich: Das ist mir scheißegal. Wir spielen da halt für die Punk-Kids. Und ich lass mir das nicht von irgendwem verbieten, was soll die Scheiße. Das interessiert mich nicht, ob das irgendwem nicht gefällt. Punkrock ist: Du machst, was du willst. Wir machen, was wir wollen. Ich lass mir das von niemandem vorschreiben.

„Ich sag mal: Wenn Fußball, dann halt so.“

Eine andere Special-Show, die ihr unlängst gespielt habt, war beim FC St. Pauli im Fanshop. Seid ihr selbst Fußballfans?
Naja, wir sind jetzt nicht die großen Fußballfans, aber klar gehen wir ab und zu mal zu einem Pauli-Spiel oder einem Babelsberg-Spiel. Ich sag mal: Wenn Fußball, dann halt so. Das ist halt wirklich etwas anderes. Das ist richtig nett, das sind schlaue, coole Leute, die Pauli-Fans sind cool und der ganze Laden dort auch. Wir haben ja eine ganze Stadionführung bekommen. Ich glaube, das ist wirklich einmalig, wie die das machen und was für politische Projekte die unterstützen. Das war richtig schön.

Wenn ihr so etwas macht, denkt ihr dann auch darüber nach, dass ihr euch damit in gewisser Weise zu einem Markenbotschafter im kommerziellen Sinne machen lasst? St. Pauli ist politisch und alternativ, aber andererseits auch ein großer Fußballverein, der Geld machen will.
Das ist mir scheißegal. Wenn Leute cool sind, spiele ich gerne für die. Ich meine: St. Pauli ist SO bekannt, wir sind einen Scheiß bekannt. Also wer hilft da wem. Es ist für uns einfach eine Ehre, dass St. Pauli uns einlädt, das Stadion zu besuchen, und wir in diesem Laden spielen dürfen. Ich glaube, niemand auf der Welt kauft sich ein St.-Pauli-Shirt, weil wir da gespielt haben. Und davon abgesehen: Ich spiele eine Gibson-Gitarre. Und dann kauft sich jemand deswegen vielleicht eine Gibson-Gitarre. Ich habe ein Anti-Hero-Shirt an. Dann kauft sich deswegen vielleicht jemand eine Anti-Hero-Platte. So ist es halt auf der Welt. Da habe ich gar kein Problem mit. Wir machen halt keine Werbung für Snickers oder sowas. Aber unsere Tour wird von einer Schnaps-Firma gesponsert. Dann kauft vielleicht mal jemand deren Schnaps. Aber das ist auch OK, weil das coole Leute sind, so Kumpels, die einfach angefangen haben Schnaps herzustellen. Da komme ich gut mit klar. Solange man nicht für Vattenfall oder die Bundesregierung spielt, kann ich das sehr gut vertreten.

Und noch eine Special-Show hattet ihr neulich: Vor der Roten Flora. Was verbindest du als jüngere Generation Punker mit der Roten Flora?
Ich glaube, die Rote Flora steht als bundesweites Symbol für ein großes, richtig gut in der Stadt und im Kiez akzeptiertes linkes Kulturzentrum. Das finde ich großartig und beispielhaft. Bei uns in Göttingen gab es das Jugendzentrum Innenstadt, das ist im Grunde die Rote Flora in klein, und da sind wir großgeworden. Das finde ich wunderbar, das müsste es in viel mehr in Städten geben. Wo Bands Proberäume haben, wo es unkommerzielle Konzerte gibt, wo alle willkommen sind, die aber trotzdem ein klares Statement machen. Bei der Flora finde ich großartig, dass die, obwohl es so ein hardcore linker Laden ist, im Kiez nicht irgendwie isoliert sind – im Gegenteil: Alle lieben die. Ich finde es ja gut, wenn es so einen Austausch gibt, auch mit „normalen“ Leuten, die mit Crust-Punk vielleicht nichts anfangen können oder mit hardcore linksradikaler Politik. Trotzdem will ich ja, dass man aufeinander zugeht und die verstehen, worum es uns geht, und man auch ein bisschen versteht, was deren Wünsche und Bedürfnisse sind. Und klar ey, wenn die Flora anruft, ob wir da spielen können, kann man nicht nein sagen. Das war so über Nacht, weil Sookee [Rapperin und Feministin, A. d. Red.] krank geworden ist, und dann haben die uns angerufen – und bei uns hängt ja ganz viel dran, ich musste alle von Band und Crew anrufen, wir mussten in der Früh los … das war ein wahnsinniger Stress, aber es hat sich gelohnt!

„Ich höre denen am liebsten einfach
bei ‘nem Bier  zu, was die von früher erzählen.“

Den ersten Teil dieser Tour habt ihr mit der Punkrock-Legende Slime gespielt. Wie ist das, wenn man als relativ junge Band mit Slime auf Tour ist: Kann man sich da noch etwas abschauen, oder gab es noch eine Lebensweisheit von Dirk „Dicken“ Jora mit auf den Weg?
Das Spannendste fand ich wirklich, denen zuzuhören. Das geht mir aber oft mit Bands so, die viel älter sind als wir. Wenn die aus den 1980ern erzählen. Beispielsweise, als wir mit Bad Religion auf Tour waren. Wenn Brian Baker erzählt, wie er mit 16 bei Minor Threat gespielt hat. Das ist so geil! Das sind die Zeiten, die wir halt verpasst haben, weil wir einfach noch nicht gelebt haben. Auch wenn Slime erzählen, wie hart das damals war. Da gab es halt ständig aufs Maul auf den Konzerten irgendwie und Abbruch und Polizei und dies und das. Im Vergleich zu früher ist das ganze Punkrock- und überhaupt das Konzertding ja sehr harmlos geworden. Es ist alles sehr abgecheckt … und ich finde das ja auch richtig, dass es vernünftige Sicherheitsvorkehrungen gibt und einen Graben und Secus und so weiter.

Ich war bei der Show in München …
Geil! Wo Dirk den Typ umgehauen hat! Bäm! (lacht)

… da hätte Dirk tatsächlich fast einen Fan vermöbelt, weil er ein Bier abbekommen hat.
Sag ich doch. Damals hätte es den Secu nicht gegeben und es wäre richtig losgegangen! Das war für uns eine riesen Ehre, mit Slime zu spielen. Aber wir sind ja auch bei der gleichen Plattenfirma, man kennt sich natürlich, und war super. Ich höre denen am liebsten einfach bei ‘nem Bier zu, was die von früher erzählen. Wir haben da schöne Abende gemeinsam verbracht. Das schönste war – ich weiß gar nicht ob ich das erzählen darf (lacht): Dirk hat im Hotel die Hotelbar unten geplündert. Da war kein Barkeeper mehr, dann kam ich nachts rein und er so: Joshi, soll ich dir ein Bier zapfen? Und ich: Ja, äh OK? Und er so: Ja, der ist vorher gegangen – und lehnt sich über den Tresen und zapft Bier für uns alle. Irgendwann kam dann einer vom Hotelpersonal und hat sich krass aufgeregt. Aber auch nur alle aufs Zimmer geschickt. War OK, wir haben gut getrunken. Das fand ich sehr beeindruckend.

Musikalisch haben sich Slime über die Jahre stark entwickelt, mittlerweile sind sie ja fast etwas brav geworden. Ist Punkrock generell heute noch politisch genug?
Manche Teile ja, manche Teile nein. Gerade in den Zeiten jetzt kann man sich doch über jede Band freuen, die überhaupt einen anti-rassistischen Grundkonsens hat. Aber ich mag es nicht, Bands einzuteilen in „ist mir politisch genug“ und „ist nicht politisch“. Ich meine damit nicht, dass man irgend eine scheiß Grauzonenband abfeiern soll. Aber ich würde nie von jeder Band, die ich höre, verlangen, dass die wahnsinnig krass politisch ist und in jedem Song etwas bringt. Ich will nur wissen, ob die im entscheidenden Moment auf der richtigen Seite stehen. Das ist für mich das entscheidende. Schau dir Kraftklub an: Die sagen ja auch nicht oft etwas Politisches und sind sehr Mainstream. Aber das sind geile Jungs! Wenn wir die treffen, machen die was für „Kein Bock auf Nazis“, organisieren das Konzert in Chemnitz … und da gibt es auch viele andere, die nicht die ganze Zeit damit rausgehen, aber im richtigen Moment das Richtige sagen. Das finde ich super.

Gangsterrap und so finde ich von vorne bis hinten richtig furchtbar.
Nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich.“

Kraftklub, Casper, Prinz Pi oder KIZ sind musikalisch Mainstream und total angesagt, aber gleichzeitig sehr links und eben teilweise auch politisch. Ist dieser deutsche Indie-Hip-Hop heute das, was früher der Deutschpunk war?
Nein, ich glaube, das kann man nicht vergleichen. Aber Hip-Hop ist inzwischen einfach für ganz viele Leute interessant geworden, die früher mit Punk oder Hardcore groß geworden sind. Ich meine, Casper hat früher in einer Hardcore-Band gesungen, die bei uns öfter als Vorband gespielt hat. Hip-Hop ist einfach ein riesen Ding geworden. Ich bewundere auch wirklich die Sprachgewandtheit in den Liedern – und wie viel Text die sich merken. Bei uns ist ein Lied ja fix zu Ende, und die singen da ein ganzes Buch ab. So sehe ich das eher: Musik ist einfach offener geworden, und wer früher eine Punkband hatte, kann jetzt auch plötzlich Hip-Hop machen und das ist voll OK. Davon abgesehen finde ich es sehr wohltuend und schön, dass in diesem Hip-Hop-Bereich endlich eine linke bis linksradikale Alternative da ist, die es früher so in dem Sinne nicht gab. Natürlich gab es politische Bands, wie Public Enemy und so weiter. Aber im deutschen Bereich sonst nur Anarchist Academy früher… und dann war da ein Loch. Und diesen ganzen Gangsterrap und so finde ich von vorne bis hinten richtig furchtbar. Nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich. Das finde ich alles falsch. Alles. Jedes Wort falsch. Und dann hast du da vernünftige Bands wie Neonschwarz, Swiss und Die Andern, Waving The Guns und eben Kraftklub und Kummer jetzt mit seinem Soloprojekt – das finde ich super. Ich will ja auch, dass Leute, die sich nicht nur im krassen Hardcore und Punkbereich bewegen, inhaltlich etwas mitnehmen. Und wenn sie das bei solchen Bands bekommen, finde ich das super. Das sind auch die wenigen Bands aus diesem Bereich, die ich mir ernsthaft anhören kann. Die anderen Sachen halte ich kaum aus.

Ihr selbst habt ja einen echten Mix aus Partysongs …
Party ist mein zweiter Vorname! (lacht)

… und politischen Sachen. Denkt ihr darüber nach, wie viel von was ihr braucht, wenn ihr ein Album schreibt, oder kommt es einfach, wie es kommt?
Das kommt einfach so aus mir heraus. Ich mache ja alle Texte. Aber natürlich schaut man dann, dass das alles ausgewogen ist und Sinn hat, dass das Album stimmig ist. Aber ich setze mich nicht hin und sage: Jetzt brauchen wir noch einen Partysong oder so.

Bei den politischen Songs nehmt ihr kein Blatt vor den Mund, beispielsweise „Make Racists Afraid Again“ ist ja…
Knaller! Sag’s ruhig!
… eine sehr direkter Text mit klarer Message. Wenn man das kritisch betrachtet, ist die auch wenig demokratisch. Darf man, muss man mit dem Thema so umgehen?
Was ist denn die demokratische Art? Ich bin für die wehrhafte Demokratie!

„Ich will, dass Rassistenschweine Angst haben,
ihre Scheiße zu verbreiten.“

Naja, zumindest nicht, Gewalt zu propagieren. Muss man das so ausdrücken?
Ja. Ich will, dass Rassistenschweine Angst haben, ihre Scheiße zu verbreiten. Ich will nicht, dass die sich sicher fühlen, wie es gerade ist. Ich will zurück zu der Situation vor fünf oder zehn Jahren, wo gewisse Sachen in einer Talkshow nicht gesagt werden konnten, ohne dass es einen gesamtgesellschaftlichen Aufschrei gab. Es gab diesen krassen Tabubruch, im Grunde ab dem Buch von Sarrazin, ab dem sich das immer weiter gesteigert hat. Und jetzt kannst du dich in eine Talkshow setzen und Sachen sagen, da hätte es früher richtig geknallt und alle wären aufgestanden. Hohmann ist damals wegen seinen antisemitischen Aussagen aus der CDU geflogen! Und heute sitzen Leute im Bundestag, die wirklich furchtbare Sachen sagen, und es wird halt ertragen. Oder es wird gesagt: Ja, das ist doch auch nur ‘ne Meinung. Das ist eine Scheiß-Meinung. Das sind Leute, die  sich selbst außerhalb von einem demokratischen Grundkonsens stellen, die Menschenrechte mit Füßen treten. Da hat keine Diskussion auf Augenhöhe stattzufinden, die haben nichts in einer Talkshow zu suchen. Ich bin immer dafür, mit irgendwelchen Mitläufern, rechten anpolitisierten Leuten oder Kids zu reden. Aber irgendwelche krassen Kader in jede Talkshow zu holen, die ideologische komplett überzeugt sind, ist völlig verkehrt. Ich muss mir das nicht anhören!

Aber wie kommen wir gesellschaftlich da wieder von weg? Geht das überhaupt?
Ich will es schwer hoffen. Ich hoffe, dass es nochmal einen Schwung in die andere Richtung gibt. Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass es wirklich brandgefährliche Zeiten gerade sind. Die AfD wird auch nicht mal kurz eben entlarvt oder entzaubert. Die AfD wird ja nicht gewählt, obwohl in der Partei ohne Ende Antisemiten und Rechtsextreme und Rassisten sind. Sondern weil. Das ist das Krasse. Aber ich hoffe, dass einfach mehr Leute merken, dass Demokratie und Menschenrechte ein hohes Gut sind, und merken, dass die AfD all das kaputtmachen und abschaffen wollen, und die Leute sich dann zusammenraufen und die AfD so, wie sie gewählt wurde, auch wieder abgewählt werden kann. Aber da gilt es halt auch Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber klar, das ist nicht einfach. Das kann kein Einzelner, das können nicht tausend oder zehntausend Leute, das müssen hunderttausende Leute in ihrem Umfeld machen, mit Leuten auf eine faire Art reden und ihnen klarmachen: Ich verstehe, du bist wütend, aber …

Gerade durch diese klaren Statements habt ihr auch viel Hass von rechter Seite bekommen …
Kann man so sagen!

„Ich mache das für die Kids,
die sich gegen Nazis engagieren.“

Schlägt das auch irgendwann mal auf’s Gemüt, oder wirkt sich auf das Privatleben aus? Hat man da nicht vielleicht sogar mal Angst, erkannt zu werden?
Nein. Die haben Angst, dass wir sie erkennen. Ne, ich mache mir überhaupt keine Sorgen. Die Nazis können sich alle ficken … ne, das sagt man glaube ich nicht. Aber wir haben wirklich keine Angst vor Nazis, und müssen auch keine Angst haben. Wenn ich Angst habe, dann um irgendwelche Kids, die zu unseren Konzerten kommen. Das sind die, die aufm Dorf wohnen und jede Woche da die scheiß Nazis treffen. Ich mache mir Sorgen um den 15-jährigen Punker, der auf’s Maul bekommt aufm Dorf und der keine große Unterstützung bekommt, wo es keinen Aufschrei gibt.
Und ich meine, stell dir mal vor, uns als Band würde irgendwas passieren, oder unser Tourbus würde kaputtgemacht oder einer von uns verhauen. Wir würden so viel Solidarität bekommen, und hätten so viel Support, das wäre etwas ganz anderes. Das schützt uns mit Sicherheit auch. Die wissen ganz genau, das können sie nicht bringen, und wissen, dass wir gut geschützt sind und uns auch wehren. Also das ficht mich gar nicht an. Ich mache das für die Kids, die sich gegen Nazis engagieren – und über die ganzen Hassmails und Morddrohungen lachen wir uns kaputt.

Das finde ich beeindruckend in Zeiten, in denen auch mal ein CDU-Politiker von einem rechten „Einzeltäter“ oder „Spinner“ oder wie man es auch immer nenne will, erschossen wird. Da finde ich, wäre durchaus legitim, da auch mal Angst zu haben …
Ja, aber dann müssten wir damit aufhören, was wir machen. Und das werde ich nicht. Ich werde da nicht aufgeben und zurückstecken. Wir lassen uns da nicht einschüchtern – das wäre ja genau das, was die gerne hätten.

Euer Album heißt „Hallo Hoffnung“ – das klingt ja zumindest optimistisch. Hoffnung worauf?
Dass es besser wird, Alter!

Gesamtpolitisch, generell, alles, allgemein?
Naja. Man könnte ja jetzt sagen, es ist alles furchtbar, und lieber nicht mehr fernsehen und aufhören und scheiße. Man kann aber auch sagen: So schlimm die Situation auch ist – es gibt wahnsinnig viele Leute da draußen, die wir jeden Tag sehen, die auf die Straße gehen, Projekte machen, gegen Rassismus, für Menschenrechte, die #Unteilbar-Demos, Hambacher Forst, Fridays for Future … wenn man sich das alles anschaut, kann man auch sagen: So schlimm ist es gar nicht. Es gibt wahnsinnig viele Leute, die sich weiter engagieren, die sich weiter gerademachen. Und für die machen wir das. Das ist mit dem Titel „Hallo Hoffnung“ gemeint. Ich habe schon noch sehr sehr viel Hoffnung, dass auch eine neue, junge Generation von Kids kommt, die wütend sind, etwas ändern wollen, ihre Zeit, Kraft und Gesundheit investieren, um etwas besser zu machen. Und auf die freue ich mich, und die supporten wir als Band, so gut wir können. Wir laden auch bei vielen Konzerten abends Antifa-Gruppen oder engagierte Gruppen aus der Region ein, setzen uns mit denen zusammen, sprechen mit denen, hören uns an, was deren Probleme sind und ihre Bedürfnisse, was gut läuft und schlecht. Und mit der „Kein Bock auf Nazis“-Kampagne helfen wir dann beispielsweise, die Poster zu designen oder drucken zu lassen – weil ich da auch etwas zurückgeben will.

„Ohne Punkrock wäre ich heute einfach nicht diese Person.“

„Hallo Hoffnung“ könnte man auch auf eure Karriere beziehen – da geht es ja momentan auch steil bergauf. Feine Sahne Fischfilet haben ja gerade vorgemacht, wie weit man mit Punkrock kommen kann …
So weit werden wir nie kommen, das kann ich dir jetzt schon sagen. (lacht)

Was ist euer Plan oder Ziel?
Wir machen einfach die Sachen, die uns Spaß machen. Klar, das ist Irrsinn, dass wir jetzt so bekannt sind wie noch nie, das aktuelle Album hat sich so gut verkauft wie nie … Platz 13 in den Charts das ist völlig verrückt! Wir genießen das einfach und sind total dankbar und wissen das sehr zu schätzen, dass wir machen können, was wir machen. Wir können überall spielen! Wir fliegen jetzt nach Russland für eine Tour, im März geht es nach Japan auf Tour … das ist großartig!

Hättest du dir das jemals träumen lassen?
Nein! Absolut nicht. Klar, die großen Konzerte, das macht wahnsinnig Spaß. Aber was für mich noch viel verrückter ist, ist, dass wir durch unsere Musik und diese Szene, die wir so lieben, und mit der wir groß geworden sind, all die Bands treffen, mit denen wir groß geworden sind. Dass ich da sitzen kann und mich mit Brian Baker von Minor Threat unterhalten kann. Das gibt mir wahnsinnig viel. Das ist großartig. Man trifft auf all diesen Festivals dann Bands … dass wir mit Bad Religion auf Tour waren … das ist einfach wow! Oder dass irgendwann der Anruf kam: Ihr könnt mit den Toten Hosen auf Tour gehen. Ich liebe die, das sind so tolle Leute. Das ist einfach ein großartiges Gefühl, mit denen dazusitzen und über das ganze Punkrockding zu reden. Du triffst diese Bands, mit denen du groß geworden bist, die dir wahnsinnig viel bedeuten, in real life, nicht nur „Hallo“ und Handshake. Sondern so richtig und du merkst: Das sind sau coole Leute. Das fühlt sich gut an. Ab und an trifft man auch Leute, wo man denkt: Alter, sind das Arschlöcher. Aber das passiert zum Glück ganz, ganz selten.

Ganz allgemein: Was bedeutet für dich Punkrock?
Ohne Punkrock wäre ich heute einfach nicht diese Person. Wenn ich Punkrock höre oder zu Punkrock-Konzerten gehe, die ich richtig gut finde, da drehe ich richtig durch. Es fragen mich auch manchmal Leute, ob wir Drogen nehmen. Da sage ich: Nein, Alter! Wie würde ich darauf klarkommen? Ich bin so schon auf 180 wenn ich diese Musik höre und mein Herz rast, ich könnte überhaupt nichts noch nehmen dazu! (lacht)

Das macht mich glücklich, zu sehen,
wie viele superengagierte Kids es gibt.“

Die Punkrock-Hörerschaft hat sich über die Jahre aber auch sehr verändert, ist „mainstreamiger“ geworden. Findest du es schade, dass immer weniger Leute mit Nieten und Irokese im Publikum stehen?
Es ist, wie es ist. Was ich bei uns spannend finde, ist dass die ersten zehn Reihen seit 20 Jahren immer 15 bis 18 Jahre alt sind. Immer. Das ist wirklich verrückt. Ich bin sonst bei Konzerten von US-Bands, mit denen wir groß geworden sind, da denke ich mir oft: Wow, ich bin hier der Jüngste. Und bei uns kommen immer ganz viele junge Leute nach. Früher hatten wir nur diese zehn Reihen junge Leute, und hinten niemanden. Und heute hast du immer noch diese zehn Reihen, und hinten die älteren. Das macht mir richtig Spaß. Das sind coole Kids. Das macht mich glücklich, zu sehen, wie viele superengagierte Kids es gibt, was wir denen geben können, und wie die durchdrehen, die Texte mitsingen, wie wichtig denen das ist. Wir bekommen auch wahnsinnig viel Post, uns schreiben krass viele Leute: Das und das Lied hat mir in einer schlimmen Situation geholfen, wegen euch habe ich in der Schule eine AG gegen Rechts gegründet, ich mache jetzt dies und das … ich komme da teilweise gar nicht hinterher, zu antworten – aber ich versuche, allen immer zu antworten. Das finde ich cool.

Ich meine … sag du mir mal: Was kriegt denn so eine Gangsterrap-Band für Mails? „Ey du, ich habe heute auch Drogen verkauft!“, „Ey, ich hab’ zwei Bitches geohrfeigt!“ Ja, und was schreibt der dann zurück? Sagt der: „Ey, mega, find ich echt stark!“ oder was. Verstehst du den Unterschied? Mir vermittelt das das Gefühl: Ja, das sind coole Kids. Und wenn wir auch von mir aus nur zwei, drei Jahre der Soundtrack zu ihrem Engagement sind – für Tierrechte, gegen Rassismus, für das Ende der Atomkraft, was auch immer – dann denke ich mir: Ja, geil! Von der Sea-Eye, das ist so ein Seenot-Rettungsschiff im Mittelmeer, hat uns wer ein Foto geschickt, weil einer von der Crew ein ZSK-Shirt trägt, während er so einen halbertrunkenen Flüchtling verarztet. Denen haben wir dann ein riesen Paket mit T-Shirts von uns geschickt. Da kam raus: Ganz viele von denen – die sind jetzt 25 bis 30 – sind mit unserer Musik groß geworden. Und die sind jetzt auf diesem Schiff und retten jeden Tag Menschenleben! Da denke ich mir: Krass. Das machen die bestimmt nicht nur wegen uns, das würde ich nie sagen, aber das sind Kids, die wurden mit über unsere Musik sozialisiert, und sagen jetzt: Hier läuft was scheiße, ich pack’s an und tu was. Und den einen habe ich jetzt in Dresden bei unserer Show auch auf die Gästeliste geschrieben, den lernen wir da dann auch kennen, und den werde ich einfach in den Arm nehmen und sagen: Alter, größten Respekt für das, was du da machst. Das gibt mir einfach wahnsinnig viel, dass sowas passiert. Und klar ist das ein geiles Gefühl, wenn da 500 Leute sind und du mit denen richtig durchdrehst.

„Wenn, dann Rancid-Style, würde ich sagen.“

Wir haben ja schon über viele alte Punkbands geredet jetzt, Bad Religion, Die Toten Hosen oder Die Ärzte sind immer noch da, Wizo und die Terrorgruppe wieder … wie stehst du dazu, dass diese ganzen Bands von früher noch weitermachen? Ist das noch das gleiche wie früher?
Bei manchen ja, bei manchen nein. (lacht) Manche sollten es lieber lassen. Aber bei allen genannten finde ich das super. Ich verstehe auch gar nicht, wie man das blöd finden kann. Wenn du es blöd findest, dann geh halt nicht hin. Fertig! Warum muss man da immer so ein Trara machen? Wenn mir was nicht gefällt, dann kaufe ich es nicht, höre es nicht und gut. Und wenn es wem anderes gefällt, soll er es eben machen.

Und wie stellst du dir das bei ZSK vor? Seid ihr in 30 Jahren auch noch da?
Keine Ahnung, vielleicht sind wir dann auch einfach tot. Ich habe keine Ahnung, wir planen immer nur ein Jahr im Voraus. Wir machen das so lange, wie es für alle schön ist. Keine Ahnung, ob das morgen vorbei ist oder in 20 Jahren.

Gibt es eine Punkband von damals, die heute noch da ist, bei der du sagst: So würde ich mir das für uns auch wünschen?
Jetzt sagst du aber was … [überlegt] … Rancid glaube ich. Das finde ich schon crazy. Sind nie – wie wir – auf ein Major-Label gegangen,  schreiben großartige – manchmal auch nicht so gute –Songs, sind live immer sehr beeindruckend: Die spielen nichts so richtig wie auf Platte, es ist alles ein bisschen verrückt und super gut. Ja, wenn, dann Rancid-Style, würde ich sagen.

Und gibt es eine Band, wie die ihr nie werden wollt?
Da nenne ich hier keine Namen. … [überlegt] … Aaron Carter glaube ich. Der ist erst letztens eingefahren wegen irgendwas. Das wirst du mit mir nicht erleben!

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Dieses Interview wurde persönlich geführt.

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