Konzertbericht: Agrypnie w/ Totalselfhatred, Arroganz, Asphagor

17.10.2018 Wien, Viper Room

Mit ihrem neuen Album „Grenzgænger“ und der dazugehörigen Compilation „Pavor Nocturnus“ haben die deutschen Post-Black-Metaller AGRYPNIE ihrem Repertoire insgesamt über zwei Stunden an teils neuem, teils neu aufgearbeitetem Songmaterial hinzugefügt. Dass die Band um Frontmann Torsten Hirsch ihr jüngstes Werk auf einer Tour im deutschsprachigen Raum präsentieren würden, konnte man wohl als Selbstverständlichkeit betrachten. Doch auch ihre finnischen Co-Headliner TOTALSELFHATRED sowie ARROGANZ und ASPHAGOR, die als Vorbands mit von der Partie sind, haben vor nicht allzu langer Zeit mit beachtenswerten Veröffentlichungen auf sich aufmerksam gemacht. Sowohl das starke Line-Up als auch das Konzept der „Reflective Dimensions Tour“, das neben den Konzerten auch exklusive Kunstausstellungen umfasst, ließen bereits bei der ersten Ankündigung die Vorfreude hochschießen.

Bereits beim Betreten des Viper Room, zu dem es heute so manchen Wiener Black-Metal-Fan zieht, springen einem die geschmackvollen Kunstwerke im Merch-Bereich ins Auge. Das Konzept geht auf: Das ansonsten eher nüchterne Geschäft mit Bandshirts, Tonträgern und Patches erhält dadurch einen stilvollen Touch. Doch der eigentliche Grund für das Kommen der anfangs noch recht überschaubaren Zuschauerschar ist selbstverständlich die Musik und so versammeln sich etwa zwei Dutzend Metalheads pünktlich um 19:00 vor der Bühne der buchstäblichen Underground-Metal-Bar, um ASPHAGOR bei ihrem Auftritt beizuwohnen. Die aufstrebenden Österreicher, die von manchen schon als „die neuen Belphegor“ gehandelt werden, werden ihrem Ruf definitiv gerecht. Mit obskuren Bannern, einem skelettbehangenen Mikroständer und in düster-zerschlissener Kluft überzeugen die Black-Metaller mit ihrer kraftstrotzenden Performance. Insbesondere Sänger Morgoth ist sichtlich in seinem Element und brüllt, bis ihm die Adern am Hals hervortreten. Im inzwischen schon etwas besser gefüllten Zuschauerbereich wird der absolut professionelle, energetische Auftritt mit viel Enthusiasmus aufgenommen – mögen das Dargebotene auch nicht allzu einzigartig und der Sound etwas zu chaotisch sein.

  1. Delphic Throne
  2. Sun Devourer
  3. Suffering Flesh
  4. Circle Of Abaddon
  5. The Sea Of Empty Shells
  6. Anti

Wie bereits ASPHAGOR dürfen sich auch ARROGANZ über ein für Support-Verhältnisse recht großzügiges Set freuen: Nach einer kleinen, technikbedingten Verspätung lässt die deutsche Blackened-Death-Metal-Truppe erst mal ein unheilvolles, symphonisches Intro vom Band ablaufen, auf welches das Trio alsbald knapp 40 Minuten lang wuchtige Riffs, Blast-Beats und Screams folgen lässt. Obwohl es der Musik der sichtlich hochmotivierten Band nicht an klanglicher Intensität mangelt, will die optisch reduzierte, in steten Kunstnebel gehüllte Show der Deutschen nicht so recht überzeugen. In der allzu dominanten Akustik sind nahezu keine Melodien auszumachen und man fühlt sich zu der Vermutung verleitet, dass auch ein klarer definierter Sound nicht viel Außergewöhnliches zu Tage befördert hätte. Abgesehen von dem kurzen und knackigen „Another God, Dead“, bei dem sich Sänger und Bassist -K- ein echt starkes Duett mit einem Gastsänger liefert, bleiben ARROGANZ heute wohl in erster Linie nur wegen des schmerzhaft lauten Gitarrenfeedbacks gegen Ende der Show im Langzeitgedächtnis. Vom Publikum bekommen die Black-/Death-Metaller dennoch ein akzeptables Maß an Applaus.

  1. Pilgrim
  2. One Death
  3. Erzketzer
  4. Obliviate
  5. Another God, Dead
  6. Cortége
  7. By Glowing Chains

Spätestens bei den daran anschließenden TOTALSELFHATRED wird offensichtlich, dass die „Reflective Dimensions Tour“ gewissermaßen zweigeteilt ist. Nach zwei relativ herkömmlichen, kraftvollen Black-Metal-Sets folgt nunmehr ein Umschwung in Richtung Atmosphäre. Dass die Finnen die eröffnenden Keyboard- und Pianoparts nicht selbst mit echten Instrumenten spielen, ist zwar ein wenig enttäuschend, aber nicht unsinnig, denn von ihrer aktuellen Platte „Solitude“, die mehrere solche Einschübe enthält, spielen die Depressive-Black-Metaller nur den Opener. Das restliche Set kommt auch ohne Tastentöne gut aus und ist vorrangig Black-Metal-basiert. Dennoch ist der Unterschied zu den beiden Vorbands nicht zu überhören. Mit ihren wesentlich melodischeren Songs erzeugen TOTALSELFHATRED eine vollkommen hoffnungslose Grundstimmung, was sich auch im Auftreten der Band widerspiegelt. Ganz in seinem eigenen Elend badend, konzentriert sich das Quartett ausschließlich auf seine Instrumente und richtet kein einziges Wort an die Zuseher. An der abermals nicht optimalen Klangqualität und der von Resignation geprägten Performance der Finnen kann man sich zwar stören, doch insgesamt können die Skandinavier mit ihrer trostlosen Tonkunst überzeugen.

  1. Solitude MMXIII
  2. Spirituelles Equilibrium
  3. Ascension
  4. Mighty Black Dimensions
  5. Total Self-Hatred
  6. Enlightment
  7. Ruoska

Um 22:20 starten schließlich AGRYPNIE in ihr gut einstündiges Set und legen mit „Der tote Trakt“ gleich mächtig los. Die Deutschen machen von Anfang an einen guten Eindruck – der nunmehr etwas schärfere Sound lässt die spielerischen Nuancen besser zum Vorschein kommen und die Post-Black-Metaller scheinen in ihrem Spiel präziser zu sein als ihre Tourgefährten. Sowohl die monumentalen und zugleich melancholischen Gitarrenriffs als auch das akkurate Drumming wissen zu gefallen, ebenso wie die gelegentlichen stimmungsvollen Clean-Abschnitte. Auch mit der Songauswahl, in der die letzten drei Alben besonders präsent sich und die so manches Highlight wie „Schlaf“ oder „Zurück“ beinhaltet, lassen AGRYPNIE keine Fanwünsche unerfüllt. Dass der Viper Room selbst jetzt noch ganz nicht zum Bersten gefüllt ist, bringt die fünf erfahrenen Musiker ebenso wenig aus der Fassung wie die Unterbrechung wegen des Reißens einer Gitarrensaite, welche Sänger Torsten mit charmanter Unbeholfenheit zu überbrücken versucht. Gesanglich ist ebenjener heute leider nicht ganz auf der Höhe, mit seinen heiseren, eindimensionalen Screams kann sich der Frontmann nicht ganz gegen die ihn übertönenden Instrumente durchsetzen. Umso erfreulicher ist, dass J.J. (Harakiri For The Sky) der Band bei „Die längste Nacht“ Gesellschaft leistet und mit seinen Gesangskünsten aushilft. Letzten Endes kann man mit der Show, die AGRYPNIE abliefern, trotz kleinerer Pannen und Makel ebenso zufrieden sein wie mit ihrem aktuellen Album.

  1. Der tote Trakt
  2. Erwachen
  3. Auferstehung
  4. Zurück
  5. Versuchung
  6. Zivilisation
  7. Die längste Nacht
  8. Zu Grabe
  9. Schlaf

Den hohen Erwartungen, die die „Reflective Dimensions Tour“ bereits lange im Voraus geschürt hat, werden die vier Bands in Wien streng genommen nicht gänzlich gerecht. Mit dem durchaus starken, wenn auch nicht allzu herausragenden Auftakt von ASPHAGOR können ARROGANZ mit ihrem lärmenden Blackened-Death-Metal nicht ganz mithalten, wohingegen TOTALSELFHATRED mit ihrer in sich gekehrten, durchaus stimmigen, aber auch nicht übermäßig beeindruckenden Performance einen etwas abrupten Umbruch zu den dynamischen Support-Acts herbeiführen. Trotz minimaler technischer und gesanglicher Defizite bildet die Show von AGRYPNIE das eindeutige Highlight des heutigen Abends. Als „Must-Watch“ ist das Konzert im Viper Room schlussendlich zwar nicht zu bezeichnen, aber wirklich enttäuscht wird wohl keiner der Fans nach Hause gegangen sein. Den ohnehin nicht allzu üppigen Ticketpreis von gut 20€ können AGRYPNIE & Co folglich mehr als hinreichend rechtfertigen.

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