Konzertbericht: Agrypnie w/ Todtgelichter, Anomalie

23.05.2016 München, Feierwerk (Kranhalle)

WACHROMATOUR 2016 Agrypnie Todtgelichter Anomalie

Mit AGRYPNIE, TODTGELICHTER und ANOMALIE überaus stark besetzt, kehrt die „Wachkoma“-Tour 2016 auch im Münchner Feierwerk ein. Allein, die Münchner Szene scheint sich ihrerseits an diesem Montagabend im Wachkoma zu befinden – anders ist kaum zu erklären, wie wenig Fans sich trotz des überaus fairen Eintrittspreises von 16 € im Vorverkauf und 19€ an der Abendkasse für das Konzert in der Kranhalle des Feierwerk einfinden.

Anomalie-01Entsprechend dünn besetzt ist der Saal, als um 20:00 die Österreicher ANOMALIE um Sänger und Bandkopf Marrok, ehemals Gitarrist der mittlerweile aufgelösten Selbstentleibung, den Abend eröffnen. Auffällig ist sogleich, dass die Truppe, verstärkt um Torsten Hirsch (Agrypnie, Nocte Obducta) an der Gitarre, gleich drei Gitarristen beschäftigt – im Black Metal oft ein Spiel mit dem Feuer, wird der zusätzliche Druck doch oftmals durch undifferenzierten Sound zunichte gemacht. Nicht so hier: Klar und doch mit einer Extraportion Wumms ausgestattet, wissen die Songs durch ihre getragene Atmosphäre und unzählige schöne Melodien zu gefallen. Nicht nur musikalisch, auch was Auftreten und Bühnenpräsenz angeht, wissen ANOMALIE zu überzeugen. Vorwürfe dafür, dass trotzdem nicht wirklich Stimmung aufkommt, brauchen sich ANOMALIE heute nicht zu machen: Mit bestenfalls 60 Fans in den Weiten der Kranhalle wirkt jeder Applaus mager.

Todtgelichter-02Diese Erfahrung müssen anschließend auch TODTGELICHTER aus Hamburg machen, die in der folgenden Stunde einen spannenden Rundgang durch ihr musikalisches Schaffen bieten: Dieser führt vom aktuellen Album „Rooms“, repräsentiert durch die Stücke „Ghost“ und „Zuflucht“, über dessen Vorgänger „Apnoe“ („Embers“) und das Meisterwerk „Angst“, das mit gleich fünf Stücken im Set vertreten ist, bis hinein in die tiefschwarze Vergangenheit der mittlerweile strahlend weiß gewandeten Ex-Black-Metaller: Selbst der gute, alte „Blutstern“ von „Schemen“ (2007) findet heute seinen Weg in die Setliste. Während sich TODTGELICHTER beim neuen Material in herrlichen Melodien, atmosphärischen Sounds und packenden Orgelklängen ergehen, zeigt sich bei dieser, im Rahmen dieses Sets vielleicht fast etwas exotischen Black-Metal-Nummer vor allem, welch Allround-Talent TODTGELICHTER mit Sängerin Marta in ihren Reihen wissen: Die Bösartigkeit, die sie bei besagtem „Blutstern“ in ihre Stimme zu legen vermag, muss sich nicht nur nicht hinter dem seinerzeit von Ex-Fronter Mort gesungenen Original verstecken, sondern steht in schlichtweg beeindruckendem Kontrast zu ihren gefühlvollen, melodiereichen Gesangslinien in Songs wie „Soil“. Dass das Publikum heute (im Gegensatz zum Salzburger Publikum tags darauf) nicht in den Genuss dieses Songs kommt, hat es sich selbst zuzuschreiben: Erneut eher mäßiger Applaus lässt die Band eine Zugabe nachvollziehbarer Weise nicht in Betracht ziehen. [MG]

  1. Embers
  2. Ghost
  3. Zuflucht
  4. Phobos & Deimos
  5. Neon
  6. Café Of Lost Dreams
  7. Blutstern
  8. Moloch
  9. Allmählich

Agrypnie-02Zu bereits vorgerückter Stunde betreten um 22:35 AGRYPNIE die Bühne. Bei der für Alben wie „Exit“ oder „16[485] gefeierten (Post-)Black-Metal-Band sind, wenn auch noch immer nicht wirklich viele, sichtlich die meisten Zuschauer versammelt. Doch so richtig rund will es für die Band heute nicht laufen: Der Sound ist, vor allem zu Beginn des Sets, sehr unausgewogen. Viel störender jedoch ist, dass der Trigger der Doublebass von Moe Harringer nicht akkurat funktioniert und die Band gerade bei schnellen Beats merklich schwimmt.
Obwohl immer noch keine hundert Zuschauer in der Kranhalle stehen, bejubeln doch zumindest die Anwesenden die Band nach jedem Song und sorgen so für eine geradezu familiäre Atmosphäre. Leichtes Spiel haben AGRYPNIE dennoch nicht: So braucht die Ankündigung eines neuen Songs namens „Grenzgänger“ zwei Anläufe, um zu zünden und Jubel hervorzurufen. Über diesen brandneuen Song hinaus begeistert die Setlist, deren Schwerpunkt auf den letzten beiden Alben liegt, fast ausnahmslos mit den Hits der AGRYPNIE-Diskographie. Doch nicht nur musikalisch, sondern auch durch hingebungsvolles Stageacting sorgen Torsten und Band dafür, dass ihr Auftritt viel zu bieten hat. Besonders Gitarrist David „Eklatanz“ (Heretoir) lässt seine Dreadlocks fast im Dauerbetrieb durch die Luft fliegen. Einsatz, der sich lohnt: Nachdem die Band nach „Trümmer / Aetas Cineris“ die Bühne verlassen hat, werden sie tatsächlich von Zugaberufen nochmal zurückbeordert und beenden das zwar nicht problembefreite, aber davon abgesehen letztlich doch noch gelungene Konzert mit „Asche“ und dem grandiosen „Schlaf“. [SB]Agrypnie-01

  1. Figur 109-3
  2. Der tote Trakt
  3. Erwachen
  4. Zivilisation
  5. Zorn
  6. Augenblick
  7. Kerkerseelenwanderung
  8. Grenzgänger
  9. Trümmer / Aetas Cineris
  10. Asche
  11. Schlaf

Bisweilen grenzt es an ein Mysterium: Mit AGRYPNIE und TODTGELICHTER geben sich auf der „Wachkoma“-Tour gleich zwei der angesagtesten deutschen Schwarzmetall-Bands die Ehre – und auch ANOMALIE aus Österreich sind längst kein unbekannter Name mehr. Dass sich heute dennoch bestenfalls 100 Fans im Münchner Feierwerk einfinden, zeigt einmal mehr, dass in der Szene einiges schief läuft. Doch wer hier auch alles in Sachen Promotion und Support versagt hat – weder die Bands, noch die heute anwesenden Fans brauchen sich dafür einen Vorwurf zu machen. Die einen, weil sie geschlossen einen wirklich guten Job gemacht haben, die anderen, weil sie zumindest für ein Mindestmaß an Atmosphäre gesorgt und den Abend vor dem Fiasko gerettet haben. Der Qualität jeder einzelnen der drei Bands wurde diese heute dennoch nicht gerecht. [MG]

Publiziert am von und Simon Bodesheim

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