Konzertbericht: Eïs w/ Horn, Ill Tidings

03.11.2018 Wien, Escape

Es gibt Bands, die mit schier unerschöpflichen Zeit- und Kraftreserven nahezu pausenlos durch die Welt touren, sodass es kein allzu großes Risiko darstellt, einen Gig zu versäumen – der nächste lässt schließlich nicht lang auf sich warten. Gerade im Underground-Metal weht jedoch oftmals ein anderer Wind: EÏS und HORN geben ihren Fans beispielsweise oft nur bei einer Handvoll Termine im Jahr die Gelegenheit, ihre Musik live zu genießen. Ihrer Show im Wiener Escape Metalcorner, welche die beiden deutschen Black-Metal-Kapellen zusammen mit den einheimischen ILL TIDINGS bestreiten, haftet deshalb schon vorab ein Hauch von Exklusivität an.

Die etwaig aufkommende Sorge, ein derart untergründiges Event wie die heutige Show, die schon lange vorher angekündigt und unter das Motto des 90er-Jahre-Black-Metal-Revivals gestellt wurde, ziehe nicht einmal genug Leute an, um einen kleinen Metal-Schuppen wie das Escape zu füllen, erweist sich erfreulicherweise bereits beim Betreten der Bar als unbegründet.

Schon als die erste Band um 20:15 in ihr Set startet, trifft man im Zuschauerbereich in etwa 50 Musikfans an und noch während der dreiviertelstündigen Show werden es stetig mehr. Der erwartungsvollen Neugierde der Früherschienenen werden die Wiener Black-Metaller, die sich erst kurz vor dem Konzert von Unholy Order in ILL TIDINGS umbenannt haben – am Merch-Stand findet man sogar noch verbilligte Restbestände unter dem alten Namen –, leider nicht ganz gerecht. Zwar legen sich die Newcomer ordentlich ins Zeug und auch der anfangs noch lustlos wirkende, erst kürzlich zur Band gestoßene Leadsänger Gabriel taut mit der Zeit etwas auf, doch in dem chaotischen Soundwall ist es kaum möglich, die einzelnen Instrumente definiert herauszuhören. Entsprechend holprig geben sich ILL TIDINGS auch in ihrer Performance – vor allem das allzu lasche Auftreten des Sängers nimmt der Show jedweden Zauber und im abschließenden „Damnation“ vergreift sich die Truppe einmal unüberhörbar im Rhythmus. Entsprechend verhalten fällt der Zuspruch vom Publikum aus.

Nach diesem eher dürftigen Auftakt müssen sich die Zuschauer erst einmal eine Weile gedulden, denn HORN lassen sich mit dem Soundcheck und dem Aufbau der bandeigenen Banner auf der Bühne etwas Zeit, sodass die Mannen um Mastermind Nerrath erst eine Viertelstunde hinter dem Zeitplan mit ihrem Auftritt beginnen. Doch das Warten lohnt sich: Schon bei der Einstiegsnummer „Ä(h)renschnitter“ zeigt sich, dass der Klang der Instrumente nun wesentlich besser abgestimmt ist.

Zwar muss man sich zwischen den folgenden Songs noch mit einem unangenehmen Störgeräusch herumplagen, doch die Tracks selbst werden ohne technische Probleme dargeboten. Rein musikalisch beeindrucken HORN mit einer immens kraftvollen Show, die in erster Linie die martialischen, geradlinigen Tracks ihrer letzten paar Veröffentlichungen abdeckt – allen voran das letzte Full-Length „Turm am Hang“. Die rohe Energie, die vor allem Leadsänger und Bassist Nerrath mit seinen wilden Screams und seinem hymnenhaften Klargesang ausstrahlt, geht unvermittelt auf die inzwischen zahlmäßig deutlich präsentere Zuschauerschar über, weshalb es kaum verwundert, dass die euphorischen Fans gleich zweimal nach einer Zugabe verlangen.

Zwar setzt Nerrath beim abschließenden „Die mit dem Bogen auf dem Kreuz“ an zwei Stellen zu früh zum Gesang an und punktet hinsichtlich seiner gegenüber der Band allzu dominanten und gegenüber den Fans unnahbaren Präsenz nicht unbedingt mit Sympathie, doch für seine durch und durch starke Darbietung hat sich das Quartett nichts als Bewunderung verdient.

Auch beim dritten und letzten Act des Abends setzen sich die Verzögerungen fort, sodass erst um 22:45 Uhr die verheißungsvollen Samples ertönen, die EÏS an den Beginn ihres Gigs setzen. Dementsprechend dauert es auch nach dem Einsetzen der mächtigen Riffs, des donnernden Schlagzeugs und Alboîns kernigen Screams eine Weile, bis die inzwischen zur Bar geflüchteten Metalheads wieder vor der Bühne erscheinen. Für den ohnehin nicht allzu beschwerlichen Rückweg werden die Zuschauer reichlich belohnt. Die mittlerweile zum Quartett angewachsenen EÏS bestechen mit einer abwechslungsreichen Setlist, in der das ältere Material von „Kainsmal“ ebenso vertreten ist wie Songs von „Wetterkreuz“ und „Bannstein“. Aus soundtechnischer Sicht liefern die Deutschen definitiv den makellosesten der heutigen Auftritte ab, die Musik klingt wunderbar abgerundet, ohne dabei ihre Durchschlagskraft einzubüßen. Sogar die (leider nicht live gespielten) Keyboards fügen sich nahtlos in den Gesamtsound ein, ohne darin unterzugehen oder gar die anderen Instrumente zu übertönen.

Auch die Beleuchtung, welche die Bandmitglieder beinahe nur noch als schwarze Silhouetten erscheinen lässt, und die wunderbar ungezwungene Publikumsnähe, die Alboîn zwischendurch mühelos herstellt, ohne dabei der Ernsthaftigkeit der Show Abbruch zu tun, untermauern den Eindruck, dass EÏS eine genaue Vorstellung von einem gelungenen Konzert haben, sich bei der Umsetzung aber nicht verkrampfen. Ein kleines Versehen erlauben sich die Black-Metaller dahingehend, dass sie sich mit ihren Bandbannern den Ausgang verstellen, sodass sie die Bühne nach dem Set nicht im Sinne einer dramatischen Pause verlassen können, um damit die Spannung vor der Zugabe zu aufzubauen. Dieser kleine Fauxpas schmälert die Freude über das letztplatzierte „Stillstand und Heimkehr“ jedoch kein Stück, zumal EÏS den Abend damit auf höchst stimmige Weise beschließen.

Mit ihrer größtenteils recht holprigen Performance mögen ILL TIDINGS anfangs noch kaum Eindruck schinden, im Anschluss gelingt HORN und EÏS jedoch mit spielender Leichtigkeit der Ausgleich zwischen künstlerischer Professionalität und kultiger Underground-Attitüde – eine hervorragende Kombination, die ihr Geld bis auf den letzten Cent wert ist. Das letzten Endes immerhin dreistellig besetzte Publikum, das den unterirdischen Showraum gut aus-, aber keineswegs überfüllt, dankt es den beiden Highlights des heutigen Abends zu Recht mit überschwänglichem Applaus und stellt damit unter Beweis, dass der Geist des Second-Wave-Black-Metals noch lange nicht in der Versenkung verschwunden ist.

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Fotos von: Stephan Rajchl

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