Konzertbericht: Faun

05.04.2024 München, Paulaner am Nockherberg

Akustik-Tour? Nein, Balladenreise. Nachdem FAUN viele Jahre mit ihren akustischen Sets getourt sind, steht 2024 auf der Balladenreise erstmals auch Klangkünstler Niel Mitra mit auf der Bühne. Deutschlandweit spielen die Pagan-Folker bevorzugt in Kirchen und ähnlichen Gebäuden, in München muss der Paulanergarten am Nockherberg genügen. Die Location überrascht dabei sowohl vom Ambiente als auch vom Klang positiv, während FAUN wieder einmal beweisen, wie gut sie live in unterschiedlichen Gewändern funktionieren.

Auf einen Support verzichten FAUN. Stattdessen beginnen sie die Show selbst mit „Adam Lay Ybounden“, welches auch bei den Akustik-Sets ein fester Bestandteil der Setliste gewesen ist. Bereits früh steht der Abend im Zeichen von ausdrucksstarken Melodien und großer Instrumentenvielfalt. Während „Adam Lay Ybounden“ mittendrin auch gut nach vorne geht, spannen die FAUNE rund um das „Sigurdlied“ ein sehr zartes Klanggewand. Dieses veredeln sie mit mythisch lieblichem Gesang.

Zwischen den einzelnen Liedern meldet sich Frontmann Oliver Sa Tyr auch immer wieder mit Anekdoten zu Wort, teilweise sogar tagesaktuell wie im Vorfeld zur „Rabenballade“, die als zeitloses Stück die Sinnlosigkeit von Kriegen wie in der Ukraine thematisiert. In diesen Momenten wird es auch im ausverkauften Paulaner noch einmal merklich ruhiger. Im starken Kontrast dazu stehen dann all jene Momente, in denen z.B. Drehleier-Virtuose Stephan sein Instrument loopt und zusammen mit Niel den Bogen zu den modernen, tanzbaren Klangwelten von FAUN spannt. So bekommt „Blaue Stunde“ von Niel eine neue Klaviermelodie beigemischt und steht sinnbildlich für zahlreiche Kleinigkeiten im Laufe des Konzertabends, die die einzelnen Songs im Live-Gewand bereichern oder noch einmal von einer anderen Seite zeigen. Das „Lied der Raben“ vor der Pause profitiert davon mit am meisten.

Das Zusammenspiel in der wieder einmal neuformierten Band scheint kaum unter Anlaufschwierigkeiten zu leiden: Neu-Schlagzeuger Alex tritt noch nicht groß in Erscheinung, dafür beweist Adaya besonders bei „Tamlin“, wie gezielt und gut sie ihre stimmlichen Qualitäten einsetzen kann. Der zweite Teil beginnt nach einer (mit 25 Minuten sehr großzügigen) Pause wieder mit einem Instrumentalteil, ehe Oli alleine mit Stephan eine bisher unveröffentlichte Polska zum Besten gibt. Immer wieder setzen einzelne Bandmitglieder auch nach der Unterbrechung ihre eigenen Akzente, ohne dass das Kollektiv zu kurz kommt: So wechselt Adaya wenig später in einem einzelnen Song direkt dreimal ihr Instrument – von der Flöte, zum Dudelsack und schließlich an die Harfe. Beim althochdeutschen Schöpfungsgedicht „Anagin“ sind es dann wieder die Beats von Niel, die den gesamten Raum erfüllen und für eine kurze, aber intensive Gänsehautatmosphäre sorgen. Genau wie „Galdra“ gegen Ende, welches ebenfalls perfekt abgemischt über die Lautsprecher dringt.

Das mehrstimmige „Alba“ zählt in der zweiten Hälfte zu den erwartungsgemäßen Highlights, während beim türkischen „Umai“ besonders die Inszenierung überzeugt: Der Saal wird in rotes Licht getaucht, während sich Sängerin Laura mit perfekter Stimme und beeindruckender Leichtigkeit durch den anspruchsvollen Song bewegt. Gegen Ende kommt dann bei „Nacht des Nordens“ immer mehr Bewegung in den Saal, ohne dass FAUN viel dazu animieren müssen. Zu „Diese kalte Nacht“ im Zugabenblock hat sich eine nennenswerte Anzahl an Tänzern in den Seitenbereichen versammelt. Mit „Tinta“, „Tadur“ und „Thalia“, aber leider ohne „König von Thule“, endet der Konzertabend schließlich mit ruhigeren Tönen.

Die Balladenreise von FAUN beweist, dass sich die modernen und akustischen Elemente der Pagan-Folker keinesfalls ausschließen, sondern – ganz im Gegenteil – einander auch wunderbar bereichern können. Das Konzept geht hier voll auf, zumal in die Abläufe und die Auswahl der Stücke offenbar viel Herz und Hirn geflossen sind.

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