Konzertbericht: Pelican w/ Wolves Like Us & Support

19.04.2012 München, Hansa39 (Feierwerk)

Dass München für viele Musikrichtungen ein schwieriges Pflaster ist, dürfte den wenigsten neu sein – insofern ist es auch kein Wunder, dass die beiden Touren von PELICAN und WOLVES LIKE US nicht als Konkurrenzveranstaltungen gleichzeitig, sondern an einem gemeinsamen Abend veranstaltet werden. Als Resultat bekommt der geneigte Fan hier statt drei beziehungsweise zwei Bands ganze fünf zu sehen… mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.

Den Anfang machen die Italiener HIEROPHANT aus dem PELICAN-Tourtross – und das vor zunächst nur spärlich besetzter Halle. Doch wo dem Münchner Konzert-Stammbesucher schon aus Angst, dass nichteinmal dieses Lineup die Leute zu motivieren vermag, ihre Wohnung zu verlassen, die Knie weich werden, legen HIEROPHANT völlig unbeirrt mit ihrer Show los – und sollen mit ihrem Optimismus recht behalten, füllt sich die Halle doch alsbald auf ein ansehnliches Maß.Und jeder, der hier pünktlich gekommen ist, tat gut daran – ist das, was die Italiener hier abliefern, doch auch Rückblickend betrachtet definitiv ein Höhepunkt des Abends: Mit ihrer düsteren Mischung aus Doom, Sludge und Black Metal kreieren HIEROPHANT eine extrem dichte Atmosphäre, die von der ersten Sekunde an mitzureißen vermag. Lediglich der Sound verhindert hier ein perfektes Konzert, geht die einzige Gitarre doch derart im Bass- und Schlagzeuggewitter unter, dass man diese mitunter nur erahnen kann. Schade, aber kein Beinbruch – hat die Band doch genug CDs dabei, als dass man sich zu Hause noch einmal in Ruhe mit dem Material beschäftigen kann.

Nach kurzer Umbaupause geht es mit TOMBS aus New York weiter. Das Trio geht dabei weniger auf düstere Klänge denn auf rohe Gewalt fixiert an die Sache heran und prügelt von der ersten Minute kräftig drauf los. Atmosphäre vermag auch das auf seine Art und Weise zu kreieren – allein, diese geht leider mit jeder Riffwiederholung mehr verloren… gelingt es TOMBS doch nur selten, den richtigen Moment abzupassen, an dem ein Riff genau oft genug, um seine Wirkung zu entfalten, nicht zu oft jedoch, um nicht dröge zu werden, gespielt wurde. So reißen TOMBS durch ihre Songstrukturen selbst wieder ein, was sie durch ihre Kompositionen aufbauen – denn zweifelsohne, die Ideen, die hinter der Musik der Amerikaner stehen, haben Potential. Im direkten Vergleich zur intensiven, mitreißenden Show von Hierophant ist das hier dargebotene jedoch eher fad… zumindest nach der Hälfte des Sets.

Auch die darauf folgenden JUNIUS stammen aus den USA – damit wäre man mit den Gemeinsamkeiten jedoch auch schon wieder am Ende – ist das, was die vier Herren aus Boston hier auf die Bretter zaubern, doch eher eine sanfte Mischung aus Indie und Progressive Rock, die den Metal-affinen Hörer wohl am ehesten noch an eine Mischung aus Ghost Brigade, Katatonia und Swallow The Sun denken lässt: Durchweg klar gesungene Vokals begleiten melodiebetonte Kompositionen, die auch vor etwas Kitsch im Abgang nicht zurückschrecken.Schade dabei ist, dass JUNIUS sich selbst etwas zu limitieren scheinen, klingt das Material zumindest live und ohne Kenntnis der Studioversionen auf die Dauer doch etwas monoton. Möglichkeiten, diese Monotonie aufzubrechen, gäbe es genug, und mit den vereinzelt, aber durchaus gekonnt eingesetzten Screams hat die Band durchaus ein Mittel dazu gefunden – man würde sich jedoch wünschen, dass dieses durchaus beherzter eingesetzt würde… würde der ein oder andere Growl oder Scream mehr dem Material doch nicht nur etwas mehr Abwechslung, sondern auch etwas mehr Zug verleihen. Doch lassen wir Grundsatzdiskussionen an dieser Stelle beiseite – Fakt ist, dass JUNIUS hier einen durchweg gelungenen Gig auf die Bretter legen, der sich mehr als sehen lassen kann.
[Moritz Grütz]

Anschließend begeben sich die vier Norweger von WOLVES LIKE US auf die Bühne, um ihren Auftritt vorzubereiten. Die Intro-Aufgabe übernimmt die Band, welche in den letzten Monaten durch ihr Album „Late Love“ und ihre permanente Live-Präsenz auf Europas (und auch Münchner) Bühnen einige Fans dazu gewonnen haben dürfte, mit düsteren, schleppenden Tönen selbst, um schließlich ihr Konzert „offiziell“ mit dem Album-Opener „Burns Like A Paper Rose“ würdig zu eröffnen. Auf Grund des restlichen Line-Ups war im Vorhinein sicherlich nicht mit einem Mosh-Pit oder derartigem zu rechnen, die zahlreichen Fans beginnen mit den einsetzenden Tönen allerdings umgehend damit die Köpfe im Takt zu schütteln und die Texte mit erhobenen Fäusten mitzubrüllen – leider sind die Fans der Band heute im Vergleich zum gesamten Publikum nicht so zahlreich wie erhofft. Dass Sänger Larsh Kristensen die Ansagen und Motivationsversuche in die instrumentalen Parts der Songs verlegt, ist wohl ein weiteres Indiz dafür, dass die Reaktion seitens der Anwesenden eher gering ausfällt – die Tatsache, dass die meisten wohl wegen den nachfolgenden Pelican gekommen waren darf allerdings auch nicht zu gering bewertet werden. Die Ansagen selbst sind auf ein Minimum reduziert, werden teilweise in erstaunlich gutem Deutsch, zum großen Teil aber auf Englisch vorgetragen. Der Sound ist im Vergleich zu den Albumversionen noch eine Spur dreckiger und vor allem mächtiger – vor allem der Hintergrund Gesang von Gitarrist Espen Helvig, sowie der donnernde Bass von Toy Kjeldaas tut sein Übriges, um die rotzigen Post-Hardcore-Rock-Metal Songs live noch druckvoller nach vorne zu peitschen. Die Band selbst hat sichtlich Spaß, Toys Gesicht ist unter seiner langen Mähne kaum zu erkennen, Larsh ist immer wieder am vorderen Bühnenrand auf Tuchfühlung mit dem Publikum zu finden und auch einige Mit-Sing-Parts lässt die Band nicht aus. Nachdem nahezu das komplette Album gespielt wurde (und der Übersong „Deathless“ bereits in der Mitte des Sets aufgetaucht war) verabschieden sich WOLVES LIKE US mit einer unglaublich wuchtigen Version von „Sin After Sin“ von der Bühne. Ihr abschließendes „See you soon“ darf auf Grund dieses beeindruckenden Auftritts gerne schnell Wirklichkeit werden – vielleicht ja dann auch schon mit neuen Songs im Gepäck.


Abschließend ist es nun an PELICAN diesen langen und begeisternden Abend würdig zu einem Abschluss zu bringen. Der letzte Auftritt der Band in München ist bereits vier Jahre her, was erklärt, dass sich das Hansa 39 pünktlich zu Konzertbeginn der letzten Band des heutigen Donnerstags noch einmal gut füllt – schade dennoch, dass ein derartig beeindruckendes Line-Up nicht für ein knackevolles Hansa 39 sorgen kann. Vom ersten Ton an ist klar, dass PELICAN heute auf ein williges Publikum blicken: Das gesamte Konzert über sind mehr oder weniger heftig nickende Köpfe in der ganzen Halle zu sehen, und niemand kann sich dem Sog entziehen, den die Band knapp 70 Minuten lang erzeugt. Ihr instrumentalen Songs werden immer wieder von heftigen Sludge-Attacken heimgesucht, welche auf melancholischen Gitarrenmelodien und dröhnenden Bässe treffen. Mit Ansagen hält sich die Band vornehm zurück, erwähnt lediglich einmal kurz das grandiose Line-Up des heutigen Abends und bewirbt ihre neue CD. Der Dank an die Münchner Konzertbesucher, nach so langer Live-Abstinenz wieder gekommen zu sein, darf natürlich nicht fehlen. Dennoch hat der Abend seine Spuren hinterlassen: Würden PELICAN an jedem anderen Abend vollends zu überzeugen wissen, ist die Aufmerksamkeit nach knapp vier Stunden hervorragender Musik deutlich kleiner geworden, und der zwar großartige, dennoch auf einer schleppenden Geschwindigkeits-Ebene angesiedelte instrumentale Post-Rock der Band aus Amerika ist zu so später Stunde häufig eine Nummer zu stromlinienförmig. Auch der Sound ist zu Beginn nach der einer Dampfwalze gleichkommenden Wolves-Like-Us-Soundwand eher schwachbrüstig, was sich zum Ende des Konzerts hin allerdings schließlich bessert. Diese Mängel ändern allerdings nichts daran, dass die Band in ihren heftigen Momenten immer noch alles wegzublasen weiß, und demzufolge die allerletzten Energiereserven aus dem Publikum herauskitzeln kann. Nach dem abschließenden „Last Days Of Winter“ vom Meisterwerk „The Fire In Our Throats Will Beckon The Thaw“ verabschiedet sich die Band von der Bühne, nur um vom begeisterten Publikum für eine letzte Zugabe gebeten zurückzukommen. Das abschließende Feedback-Gewitter lässt ein vollkommen ausgelaugtes, restlos begeistertes Publikum zurück.
[Bernhard Landkammer]

Für 18 Euro an der Abendkasse kann hier wirklich keiner meckern – bekam er dafür doch fünf hochklassige Bands in einem rundum stimmigen Setting geboten. Dass ein Abend wie dieser, gerade bei solch atmosphärischer Musik dennoch auf die Dauer ermüdend wirkt, oder zumindest anstrengt, ist dabei jedoch kaum zu verhindern. Ich bleibe dabei: Konzertpackages dieses Ausmaßes sollten wirklich eine Notlösung bleiben, geht die einzelne Band in einem solchen Großevent doch oft unter – in diesem Fall jedoch muss man zumindest sagen, dass durch die stilistische Diversität der auftretenden Bands zumindest für Abwechslung gesorgt war.
[Moritz Grütz]

Publiziert am von und

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert