Konzertbericht: Soulfly w/ Seasons In Black

12.07.2023 Cham, L.A. Live Style Café

Metalkonzerte sind ein Business, entsprechend geht es auch hier meist ums Geld. Doch es gibt Ausnahmen – wenn etwa Bands, die in größeren Städten größere Hallen füllen könnten, trotzdem in die Provinz kommen, um vor ein paar hundert Fans aufzuspielen. Dass etwa SOULFLY 2023 nicht in München oder Nürnberg, sondern im niederbayerischen Cham gastieren, ist eigentlich unerklärlich – bis man das L.A. Live Style Café (kurz: LA Cham) gesehen hat: einen cooleren Club als diese Mixtur aus Konzerthalle, American Diner und Außengastronomie muss man nicht nur in Bayern lange suchen. Kein Wunder, dass dieses Subkultur-Kleinod bei so mancher Band einen Stein im Brett hat: auch Kataklysm, Tankard, Madball und Ektomorf lassen sich diesen Stop auf ihren kommenden Touren nicht entgehen.

SEASONS IN BLACK im LA ChamSchon lange vor Beginn der ausverkauften Show herrscht im Außenbereich zwischen Foodtrucks und Autowracks gemütliche Festivalstimmung. Trotz der noch immer sommerlichen Temperaturen verlagert sich alles schnell nach innen, als um 20:15 Uhr SEASONS IN BLACK den Abend eröffnen. Die Death-Metaller zeigen sich mehr als dankbar darüber, für Max Cavalera eröffnen zu dürfen. Das ist völlig verständlich, wirkt nach der x-ten Ansage mit Soulfly-Bezug aber trotzdem etwas unsouverän – immerhin gibt es SEASONS IN BLACK auch schon 27 Jahre. Mit nur zwei Alben, das letzte davon zehn Jahre alt, hat die Band aus dem benachbarten Neukirchen beim Heiligen Blut (der Ort heißt wirklich so!) allerdings noch nicht viel zustande gebracht.

SEASONS IN BLACK im LA ChamAuch heute zeichnen sich SEASONS IN BLACK nicht unbedingt durch ihre Einzigartigkeit aus – zumal die tatsächlich eher unkonventionelle Idee, (zumindest heute) eine zweite Gitarre durch ein Melotron zu ersetzen, nicht so ganz aufgeht: Der ansonsten sehr straighte Death Metal der Band bekommt so zwar einen symphonischen Anstrich – so recht zusammenpassen will das aber nicht. Zumindest die Sympathiewerte passen aber: Die Truppe um Fronter „Luck“ Maurer gibt sich bodenständig und spielfreudig – letzteres so sehr, dass Soulfly-Guitar-Tech Kenneth SEASONS IN BLACK um 21:00 Uhr resolut darauf hinweisen muss, dass es nun Zeit ist, zu gehen.

SOULFLY 2023 im LA ChamWenig später entern SOULFLY zum „Primitive“-Intro die Bühne und legen mit „Back To The Primitive“ dann auch direkt mit dem entsprechenden Hit vor. Schon bei diesem ersten Vorgeschmack auf die Show wird klar, was man erwarten darf: Es wird roh und thrashy. Denn anders als Marc Rizzo ist Mike DeLeon ein absolut Riff-orientierter Gitarrist. Gemeinsam mit seinem Quasi-Namensvetter Mike Leon am Bass baut er eine massive Wall of Sound, die auch prima ohne die Gitarre von Max Cavalera funktioniert.

SOULFLY 2023 im LA ChamDas ist insofern auch wichtig, als Max das Gitarrespielen aufgegeben zu haben scheint: Über weite Strecken schrammelt er nur ein wenig herum – und das so kraftlos, dass die von ihm ins Publikum geworfenen Plektren quasi keine Abnutzungserscheinungen zeigen. Immerhin – und das ist schlussendlich viel wichtiger – ist Max ansonsten in Topform: Die Stimme hat Kraft und obschon der Bandleader wieder einige Kilos zugenommen hat, hüpft er immer wieder wild über die Bühne. Das hat man schon anders gesehen.

SOULFLY 2023 im LA ChamPassend zum neuen Charakter der Band besteht die Setlist vornehmlich aus thrashigen Brechern wie „Seek ’n‘ Strike“ und „Frontlines“ oder den Cover-Songs „Wasting Away“ (Nailbomb) und „Refuse/Resist“ (Sepultura). Im Mittelpunkt aber steht mit sechs Songs das selbstbetitelte SOULFLY-Debüt – wohingegen mit dem „Totem“-Opener „Superstition“ nur ein nach 2006 erschienener Song gespielt wird. Die sechs dazwischen veröffentlichten Alben „Conquer“, „Omen“, „Enslaved“, „Savages“, „Archangel“ und „Ritual“ dürfte zwar niemand wirklich vermissen. Trotzdem ist diese Songauswahl etwas befremdlich: Während „Totem“ ein erfreulich starkes Album war, das definitiv mehr als einen Live-tauglichen Song enthält, hatte das „Soulfly“-Material kompositorisch durchaus noch seine Schwächen.

Durch die engagierte Performance trotz schweißtreibender Temperaturen – Zyon Cavalera am Schlagzeug legt sich mehrach einen Eisbeutel auf den Kopf – gelingt SOULFLY dennoch eine mitreißende Performance. Emotionaler Höhepunkt des Sets ist „Boom“ (von „Primitive“) in dessen Jam-Part Max das Licht löschen lässt und um Feuerzeuge und Handylichter bittet, um mit dem in den Jam eingewobenen Bob-Marley-Cover „Get Up, Stand Up“ seiner unlängst gestorbenen Mutter Vania zu gedenken. Nach dieser Gänsehaut-Einlage wird zu „Jumpdafuckup“ (inklusive Berimbau-Intro und Aufspring-Ritual) nochmal kollektiv ausgerastet, ehe sich SOULFLY vom nunmehr schweißnassen Publikum verabschieden. Bei diesen klimatischen Bedingungen ein cleverer Zug: Am Merch gibt es Handtücher …

  1. Back to the Primitive
  2. No Hope = No Fear
  3. Downstroy
  4. Seek ’n‘ Strike
  5. Frontlines
  6. Superstition
  7. Fire
  8. Prophecy
  9. Bleed
  10. Tribe
  11. Wasting Away (Nailbomb-Cover)
  12. Refuse/Resist (Sepultura-Cover)
  13. No
  14. Eye For An Eye
  15. Boom (mit Jam/Bob-Marley-Cover)
  16. Jumpdafuckup

Man hat es bereits geahnt, als Dino Cazares von Fear Factory in den USA als Live-Gitarrist eingesprungen war: Die „alten“ SOULFLY mit feinsinnigen Weltmusik-Einsprengseln und virtuosen Flamenco-Soli sind tot – es leben die „neuen“, brutalen Death-Thrasher SOULFLY. Mit Mike DeLeon und Mike Leon hat sich Max zwei Musiker mit der Energie wilder Tiere in die Band geholt, die SOULFLY so roh und aggressiv klingen lassen wie lange nicht. Das ändert den Charakter so manches Songs natürlich grundlegend und dürfte darum auch nicht jedermanns Sache sein – funktioniert aber in Sachen Energie und Dynamik absolut erstklassig. Der Gänsehaut-Jam für Vania Cavalera in diesem kleinen, schwitzigen Club im oberpfälzischen Outback tut sein Übriges, um den heutigen Abend unvergesslich zu machen.

SOULFLY 2023 im LA Cham
SOULFLY 2023 im LA Cham

Publiziert am von

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert