Konzertbericht: Stone Sour w/ Hellyeah

22.11.2010 München, Kesselhalle

Vor ein paar Jahren noch als das unbedeutende Nebenprojekt zweier Slipknot-Musiker abgetan, haben STONE SOUR in den letzten Jahren dank der tatkräftigen Unterstützung seitens Roadrunner Records, die wohl begriffen haben, welch talentiertes Pferd da in ihrem Stall steht, einen wahren Karrieresprung gemacht: Corey und Root durchleben wohl soetwas wie einen zweiten Frühling, und auch der Rest der Truppe wirkt wahrlich angetan vom Rockstar-Dasein. Doch wie das mit Popularitätszunahme so ist, hat sie nicht immer für alle nur gute Seiten. So ist beispielsweise der Ticketpreis von 40€ für STONE SOUR in Begleitung lediglich einer Vorband mehr als happig – und auch, wenn das Münchner Kesselhaus heute gut gefüllt ist, fragt man sich, ob nicht der ein oder andere Fan in Anbetracht dieser Summe doch lieber daheim geblieben ist. Auch der Merchandise-Stand bezeugt, dass STONE SOUR sich oben angekommen wähnen: Während HELLYEAH ihre Shirts für wirklich faire 10€ vertreiben, verlangen die Headliner dreist das dreifache – doch auch davon scheinen sich „echte“ Fans nicht abschrecken zu lassen. Umgeben also von Personen, die in neues Obergewand gehüllt bereits 70€ in diesen Abend investiert haben, erwarte ich HELLYEAH.

Um punkt acht betritt die, wenn man so will, Pantera-Nachfolge-Band um Drummer Vinnie Paul dann die Bühne. Fronter Chad Gray, wie Gitarrist Tribbett von Mudvayne „ausgeliehen“, gibt von der ersten Minute an Gas, springt, rennt und schreit, als würde sein Leben davon abhängen. Und auch, wenn seine Spielfreude etwas vom eher statischen Auftreten seiner Mitstreiter untergraben wird, kommen HELLYEAH beim überraschend jungen Publikum gut an: Denn auch, wenn wohl nicht jeder im Publikum weiß, wer Dimebag Darrell ist, dem Bruder Vinnie selbstverständlich einen Song widmet, lässt sich das Publikum nichts anmerken und feiert die Band, die sich im Gegenzug artig bedankt, für eine Vorband richtiggehend ab. Sicher, der Sound braucht (wie eigentlich immer) einige Songs, bis alles passt, alles in allem jedoch ein gelungenes München-Debüt der Texaner, das jedoch nach nur einer halben Stunde und nur einer weiteren Zugabe so abrupt wie früh endet. Nun gut, mehr Zeit für STONE SOUR, sollte man meinen …

Ein weiterer Vorteil von einem gewissen Rockstar-Status ist zweifelsohne die Zahl der Roadys, die die Tour begleiten. Wartet man bei kleineren Hallenkonzerten gerne mal länger (ich denke hier an die Stunde Wartezeit unlängst bei Soulfly), packen hier unzählige Hände an und räumen sämtliches Equipment sowie Schlagzeug samt Podest innerhalb einer halben Stunde weg beziehungsweise das des Headliners herbei, so dass STONE SOUR bereits um 21:00 zu den Klängen des Queen-Klassikers „We Will Rock You“ die Bühne entern.

Was folgt, ist ein Lehrstück in Sachen Live-Auftritt: Front-Charismatiker Corey hat das Publikum von der ersten Minute an unter Kontrolle, und auch, wenn der Sound zunächst alles andere als glänzend ist, reicht Taylors goldiges Lächeln, um (gerade beim verhältnismäßig hohen Frauenanteil im Publikum) Begeisterungsschreie zu ernten. Da es zudem der letzte Gig der Europatour ist, wird auch auf das ein oder andere Späßchen nicht verzichtet: Josh schmeißt infationär Gitarrenplektren ins Publikum, Shawn, der den Gig auf Bässen des verstorbenen Slipknot-Bassisten Paul bestreitet, hat einen Song lang ein Gaffer-Tape mit der Aufschrift „Shawn is a cunt“ auf der Stirn kleben, das er stolz der ganzen Band präsentiert, und statt einer „Wall of Death“ fordert Corey das Volk zu einer „Wall of Dance“ auf, bei der die beiden Fronten nicht ineinander laufen, sondern so abgefahren wie möglich tanzen müssen. Spätestens, als Corey sich bei „Bother“ eine aus dem Publikum zugeworfene Nikolausmütze aufzieht und den Song daraufhin mehrere Minuten Unterbrechen muss, da das Publium „Jingle Bells“ angestimmt hat, ist klar: Hier haben beide Seiten Spass.

Dabei merkt man jedoch deutlich, dass die Band mittlerweile auf weit professionellerem Niveau agiert als noch vor einigen Jahren: Abgeklärt und souverän rockt man durch das Set, wobei das Hauptaugenmerk, selbstverständlich, auf dem Material des brandaktuellen „Audio Secrecy“-Albums liegt. Man gibt dem Publikum genau, was dieses erwartet, und füttert es mit Aussagen im Stile „Ihr seid das beste/lauteste/verrückteste Publikum der gesamten Tour“ routiniert an. Bisweilen wirkt diese Masche ein wenig zu einstudiert und berechnend, um glaubwürdig zu wirken – doch spätestens in Momenten wie dem Weihnachtsjam ist Coreys Begeisterung so überzeugend, dass es eigentlich keinen Unterschied macht, ob sie nun echt oder gespielt ist.

Und doch, ein Wehrmutstropfen befleckt die ansonsten lupenreine Weste des heutigen Konzertabends: Denn bereits nach exakt 60 Minuten verlassen STONE SOUR die Bühne, es folgen nach langem Bitten und Betteln drei Zugaben, und nach 75 Minuten Spielzeit ist schließlich Schicht im Schacht. Dies mag zwar als Spielzeit an sich in Ordnung gehen, ist aber in Anbetracht der Tatsache, dass nur eine Vorband dabei war und diese nur eine knappe halbe Stunde spielen durfte (an mangelnder Motivation lag es zumindest nicht), doch relativ mager: Denn wenn die Hauptband schon keine 90 Minuten spielen will, sollten für 40€ doch zumindest zwei Vorbands eingepackt werden – und beispielsweise die Murderdolls, die musikalisch und ob ihrer Slipknot-Verwandschaft gut ins Billing gepasst hätten und sogar ebenfalls bei Roadrunner unter Vertrag stehen, hätte sicher niemand davongejagt.

Ein echter Grund, betrübt zu sein, ist dies jedoch definitiv nicht (auch wenn es doch irgendwie befremdlich wirkt, nach einem Konzert bereits um kurz vor halb elf wieder auf den nasskalten Straßen Münchens zu stehen…) – war das, was geboten wurde, zwar vielleicht kurz, dafür aber knackig.

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Fotos von: Moritz Grütz

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