Konzertbericht: The Ocean w/ Rosetta, Årabrot

09.11.2018 München, Strom

Die Post-/Progressive-Metal-Formation THE OCEAN COLLECTIVE befasste sich in der letzten Zeit viel mit der eigenen Vergangenheit. Erst feierte die Band das zehnjährige Jubiläum des von ihren Fans sehr geschätzten Doppelalbums „Precambrian“ mit einer einer Wiederveröffentlichung sowie einer eigenen Tour, bei der sie dessen zweiten Teil „Proterozoic“ in voller Länge spielten. Nun veröffentlichte die Band mit „Palaeozoic“ nicht nur Teil eins eines weiteren Doppelalbums mit dem Namen „Phanerozoic“, sondern – wie es der Name schon andeutet – damit auch eine stilistische und thematische Weiterführung von „Precambrian“. Das fehlende Bindeglied zwischen diesem und den Nachfolgerwerken „Heliocentric“, „Anthropocentric“ sowie „Pelagial“ soll „Phanerozoic“ darstellen. Nun haben sich die Musiker erneut auf den Weg gemacht, um der Welt ihre neueste Veröffentlichung live präsentieren zu können. Mit dabei sind die mit THE OCEAN COLLECTIVEs hauseigenem Label Pelagic Records zusammenarbeitenden ROSETTA und die dort unter Vertrag stehenden ÅRABROT.

Den Anfang macht die norwegische Noise-Rock-Band ÅRABROT: Die Show der Musiker um Kjetil Nernes und Karin Park wirkt nicht zuletzt durch die fast schon amish-artigen Outfits und die schräge Bühnenperformance ziemlich extravagant. Rund die Hälfte der Songs, die die Band spielt, stammen vom neuen Longplayer „Who Do You Love“, die restliche Setlist setzt sich aus Songs vom Vorgängeralbum „The Gospel“ und dem selbstbetitelten 2013er Album zusammen. Leider muss das Konzert aus organisatorischen Gründen etwas früher beginnen als geplant, weshalb die Publikumsreihen noch recht licht sind – das schmälert aber nicht den äußerst positiven Eindruck, den ÅRABROT bei den anwesenden Zuschauern hinterlassen – zumal die musikalische Umsetzung und der Live-Sound ausgesprochen gelungen sind.

  1. The Gospel
  2. Warning
  3. And The Whore I The City
  4. Maldoror’s Love
  5. The Dome
  6. Tall Man
  7. Pygmalion
  8. The Horns Of The Devil Grow
  9. Story Of Lot

Etwas weniger schräg wird es im Anschluss bei ROSETTA. Die stilistische Nähe zu THE OCEAN COLLECTIVE ist sofort ersichtlich: Tonnenschwere Sludge-Riffs treffen hier auf stimmungsvollen Post-Metal. Einzig der Prog-Faktor steht bei ROSETTA deutlich weiter im Hintergrund. Das macht aber nichts, denn die wesentlich geradlinigere Version dieser Musik, die sie dem Publikum entgegenschmettern, funktioniert ähnlich effektiv wie die ihrer Kollegen. So dauert es keine halbe Minute, bis das Publikum sich bereits von den kraftvollen Riffs mitreißen lässt. Dank eines enorm druckvollen Sounds entfaltet sich heute das volle Potential der Musik. Damit gelingt ROSETTA ein wahnsinnig starker Auftritt, der die Messlatte für das nun folgende THE OCEAN COLLECTIVE schon mal in schwindelerregende Höhen legt.

  1. (Untitled II)
  2. Neophyte Visionary
  3. Ryu / Tradition
  4. King Ivory Tower
  5. Qohelet

Doch einmal mehr ist auf die Kult-Formation Verlass: Zu „The Cambrian Explosion“, dem archaischen Intro ihres neuesten Werkes „Phanerozoic I: Palaeozoic“, betreten die sechs Musiker von THE OCEAN COLLECTIVE die Bühne, ehe sie mit „Cambrian II“ und „Ordovicium“ richtig loslegen. Schön umgesetzt sind dabei vor allem die Klargesangparts, die sich Sänger Loïc Rossetti mit Schlagzeuger Paul Seidel teilt. Anders als bei ihrer Special-Tour zu „Precambrian“, kommen heute aber auch Fans der Vorgängerwerke nicht zu kurz: Mit „Orosirian“ und „Statherian“ sind erneut zwei „Precambrian“-Songs dabei, die die Band unter großem Beifall vorträgt. Beim meisterlichen „Firmament“ vom „Heliocentric“-Album geht schließlich richtig die Post ab, während Mastermind Robin Staps mitsamt Gitarre Crowdsurfen geht. Erfreulicherweise steht der Live-Sound dem von ROSETTA in absolut nichts nach, sodass die teils verspielten, teils doomigen Stücke heute gleichermaßen kraftvoll wie auch transparent durch die Anlage schallen.

Besonders schön ist auch die auf die Musik abgestimmte Lichtshow, die die Songs nicht nur rhythmisch, sondern auch durch passende Farbwahl unterstützt. Zum großartigen, vorerst abschließenden „Permian“ tauchen sie die Bühne in jenes grüne Licht, das auch das Albumcover schmückt. Nachdem THE OCEAN COLLECTIVE die Bühne verlassen haben, werden sie vom begeisterten Publikum noch einmal für eine Zugabe zurückbeordert. Diese besteht aus dem zuletzt auf einer Split mit Mono veröffentlichten, ausschweifenden „The Quiet Observer“ und dem „Pelagial“-Abschlusstrack „Benthic“. Diese wirken allerdings im Doppelpack, verglichen mit dem restlichen Konzert, eher anstrengend und zäh. Ein etwas weniger schleppender Rausschmeißer als Zugabe hätte dem Konzert sicher gutgetan.

  1. The Cambrian Explosion
  2. Cambrian II: Eternal Recurrence
  3. Ordovicium: The Glaciation Of Gondwana
  4. Hadopelagic II: Let Them Believe
  5. Firmament
  6. Silurian: Age Of Sea Scorpions
  7. Statherian
  8. Orosirian: For The Great Blue Cold Now Reigns
  9. Permian: The Great Dying
  10. The Quiet Observer
  11. Benthic: The Origin Of Our Wishes

Dennoch: THE OCEAN COLLECTIVE beweisen, dass sie auch 17 Jahre nach ihrer Gründung, nach etlichen Alben und Besetzungswechseln nichts an Power eingebüst haben. Die neuen Songs entfalten live eine ganz besondere Atmosphäre und machen gespannt auf den zweiten Teil von „Phanerozoic“, der 2020 erscheinen wird. Auch ROSETTA erweisen sich mit ihrem fetten Post-Metal als perfekt passender Support und die Norweger von ÅRABROT bekommt man hierzulande hoffentlich mal im Rahmen einer eigenen Headliner-Tour zu Gesicht. Wer die Chance hat, THE OCEAN COLLECTIVE Ende des Jahres bei ihren letzten vier Deutschlandterminen zu sehen, sollte diese Chance unbedingt nutzen.

Publiziert am von Simon Bodesheim und

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