Review Årabrot – Who Do You Love

„Ich interessiere mich für Gefühle, sowohl für die stillen als auch für die extrem lauten. Was dazwischen liegt, interessiert mich nicht.“ Dieses Zitat von ÅRABROT-Frontmann Kjetel Nernes ist auch auf dem neuen Album der Norweger Programm: irgendwie Noise-Rock, ja, man könnte auch (im Sinne der Band) Art-Rock sagen, denn avantgardistisch angehaucht ist „Who Do You Love“ ohne jede Frage. Eigentlich klingt das Album ein bisschen so, als wenn die Melvins mit den Swans nach einer Party rumgemacht und dabei nicht aufgepasst haben – und neun Monate später ist plötzlich ÅRABROT da.

Im Vergleich zum Vorgänger „The Gospel“ ist die neue Platte nicht so richtig sperrig, im Gegenteil. Die ersten Tracks sind knackige Noise-Rock-Nummern mit einer Schippe Postpunk, eher auf die zwölf und bezüglich Arrangement und Spieldauer überschaubar. Hier fühlt man sich, wie bereits angedeutet, in erster Linie an die Melvins, Killing Joke und in manchen Momenten sogar an New Model Army erinnert, was sicher nicht die schlechtesten Referenzen sind – zumal ÅRABROT nicht einfach kopieren, sondern sich gut inspirieren haben lassen. Mit „Sinnermann“ hat die Band übrigens auch ein ziemlich cooles Nina-Simone-Cover im Portfolio. Manchmal schleicht sich im ersten Albumdrittel sogar ein leichtes Seattle-College-Rock-Feeling ein, aber die Songs sind zu reudig, um wirklich Indie zu sein.

Damit ist es spätestens bei „Pygmalion“ dann vorbei, denn hier übernimmt Nernes Ehefrau Karin Park (die unter diesem Namen auch solo unterwegs ist, wobei ihr eigenes Material tendenziell in Richtung Electronica im Stil von Fever Ray oder The Knife geht – nur nicht ganz so schräg) die Leadvocals und erinnert einmal mehr an Jarboe und die Swans. Zumal der Song ohne das klassische Rockinstrumentarium auskommt und lediglich auf Synthesizern und Keyboards basiert – ein Wechselspiel, das die New Yorker Artrock-Legende um Michael Gira über Jahrzehnte hinweg perfektioniert hatte und somit einen schönen Kontrast zu den restlichen Stücken auf „Who Do You Love“ darstellt.

In der zweiten Albumhälfte ändert sich der Grundtenor noch einmal merklich, die Songs werden schräger und düsterer. So hat „Look Daggers“ durchaus ein bisschen was von Faith No More’s „Smaller And Smaller“, was nicht zuletzt an den markanten Synthesizerflächen liegt. Parks Keyboard ist tatsächlich in vielen Fällen das i-Tüpfelchen, wie auch im Song „Sacrifice“: Die erste Chorus-Hälfte besticht durch ein melodisches Piano, während in zweiten Teil ein fast schon disharmonischer Synthesizer dafür sorgt, dass die Nummer dauerhaft im Ohr kleben bleibt.

Aufgenommen wurde die Platte übrigens nicht in einem klassischen Tonstudio, sondern in einer ehemaligen Kirche in den Wäldern von Dalarna in Schweden, in der Nernes und Park gemeinsam leben – was der Soundqualität aber keinen Abbruch tut. Die Produktion tönt warm und voll, durchaus analog anmutend aus den Boxen und den sehr coolen Drumsound hat Recording-Legende Steve Albini zu verantworten. Unterm Strich ist „Who Do you Love“ ein abwechslungsreiches und spannendes Album geworden, auf dem sich abermals zeigt, welche Bereicherung Karin Park für die an sich schon großartigen ÅRABROT ist. Gerne mehr davon.

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Wertung: 8 / 10

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