Review Faun – Midgard

Mit „Midgard“ veröffentlichen FAUN dieses Jahr ihr drittes Werk unter Major-Label-Flagge und begeben sich nach Ausflügen in die magischen Welten der Elben und der Nacht thematisch nun auf die Reise in die nordische Mythologie. Die große Empörung über den plötzlichen Stilwechsel der Band haben die meisten “alten” Fans mittlerweile hinter sich gelassen und das Schiff für diese Reise in den Norden entweder längst verlassen, oder sich ein dickes Fell zugelegt und trotzdem neugierig angeheuert. Viele konzentrieren sich mittlerweile auf die Bühnenauftritte der Band: Während auf den letzten beiden Studioalben die atmosphärischen Kompositionen und der Pagan-Anteil in den Hintergrund gerückt sind, um massentauglicheren Klängen Platz zu machen, ist davon live nichts zu spüren. Den kontroversen Labelwechsel haben die FAUNe somit durchaus mit einem vertretbaren Kompromiss gemeistert. Nun werfen sie “Midgard” ins Rennen um die Gunst der Zuhörer – und knüpfen insbesondere mit der Mischung an leicht bekömmlichen, träumerischen Mitsing-Melodien und anspruchsvollen Überraschungen direkt an das Vorgängerwerk “Luna” an.

Ein kurzer Prolog stimmt mit Horn und Rabenschreien stimmungsvoll auf das Album ein. “Mit Mythen, Sagen und vor allem mit Musik wollen wir den alten Norden lebendig werden lassen. Wir nehmen den Hörer mit auf eine musikalische Reise in die Welt der Wikinger und Kelten, die in ihrer Zeit noch viel enger im Einklang mit der Natur lebten”, sagt Sänger Oliver s. Tyr, und das Intro hält, was er verspricht. Leider verpufft die Wirkung der ersten Minute auch sofort wieder, denn der zweite Song des Albums ist auch direkt die erste Single-Auskopplung und entsprechend mitklatsch-konform arrangiert. “Federkleid” weiß vor allem durch die schwungvolle Flötenmelodie durchaus mehr zu gefallen als das entsprechende Gegenstück auf “Luna”, “Walpurgisnacht”, bleibt aber trotzdem (in dieser Form) ein Fremdkörper auf der ansonsten angenehm schunkelfreien Tracklist. Im “Sonnenreigen (Lughnasad)”, einem Lied über das gleichnamige keltische Fest zum Herbstbeginn, bleibt FAUN zwar bei den Ohrwurm-Melodien, lässt aber Fiona Frewert die Hauptstimme singen, deren angenehme Stimmfarbe die hypnotisierende Melodie direkt melancholischer und mysthischer wirken lässt, als es Katja Moslehner mit ihrer glockenhellen und sehr direkten Stimme bei den Schunkelnummern möglich ist. In den Harmonien kombiniert, können die Stimmen Katjas und Fionas ihre jeweiligen Stärken viel deutlicher ausspielen. Dass Katja, so man sie auch mal eine halbe Oktave tiefer singen lässt und ihr einen dezenteren Klangteppich als Unterbau gibt, ebenso verzaubern kann, darf sie auf dem wundervollen Schlusstrack “Räven” beweisen, der den Zuhörer weg von der materiellen Welt, zurück zur Erde führen soll – was ihm hervorragend gelingt.
Unangefochtenes Herzstück des Albums ist jedoch das in Kooperation mit Einar Selvik, Sänger der Band WARDRUNA, entstandene Stück “Odin”. Neben “Blaue Stunde” vielleicht das beste Stück der FAUNe seit Jahren, überzeugt “Odin” über fast sechs Minuten Länge mit ethärischen Klängen, mit von Einar kraftvoll gesungenen Textstellen der Edda, mit prominenter Nyckelharpa und einem Rhythmus, der den Geist mitzieht, bis man vor dem inneren Auge mit Odin an der Weltesche hängt. Hier ist FAUN ein Geniestreich gelungen, der hoffentlich auch bei den Live-Auftritten einen Platz in der Setlist finden wird.
Weitere Höhepunkte des Albums finden sich in der ruhigen, ebenfalls von Oliver erzählten Geschichte um den schottischen König “MacBeth” (Harfe, endlich wieder Harfe!), und überraschenderweise in der Neuauflage des Stückes “Alba”, das auf dem Album “Eden” zwar seine perfekte Form gefunden hat, aber, so die FAUNE, so beständig weiterentwickelt wurde, dass es eine weitere Aufnahme verdient habe. Während “Alba II Intro” leider das einzige und viel zu kurze Instrumentalstück auf “Midgard” bleibt, bietet “Alba II” eine interessante Variante der balladesken Original-Version. Etwas enttäuschend dagegen fallen Stücke wie beispielsweise “Brandan” aus, das durch die prominente Drehleier, den schönen Text und die Stimme von Stephan Groth einerseits viel Potential zum Alben-Schmuckstück innehat, aber dafür doch viel zu sehr an “Blaue Stunde” erinnert, um eigenständig zu sein. Auch die bei Szenekennern allseits bekannte “Rabenballade” ist zwar ganz nett geworden, fügt den gefühlt hundert bestehenden Versionen des Liedes aber keine neue Facette hinzu. Erfreulich bleibt aber, dass auf “Midgard” eigentlich keine richtigen Ausreißer nach unten zu finden sind. Hier haben sich die Musiker wieder auf ein Niveau hochkomponiert, das neuen wie alten Fans gefallen dürfte. Lediglich die vielen Lieder in fremden Sprachen und die einzigartigen Instrumentalstücke werden weiterhin schmerzlich vermisst, wodurch die ganz große Begeisterung leider ausbleibt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

“Midgard” ist sicherlich kein Album für Liebe auf den ersten Blick, aber spätestens Liebelei auf den dritten Blick ist durchaus drin. Durch die vielen zur Verfügung stehenden Instrumente und Stimmfarben ergibt sich trotz dem immer noch spürbaren Label-Korsett eine abwechslungsreiche, stimmungsvolle Tracklist, die für jeden Geschmack den passenden Mittelalter-Soundtrack liefert. Und Stücke wie “Odin”, “Gold und Seide” oder “Sonnenreigen” machen neugierig auf ihr Pagan-Gewand, das FAUN ihnen sicherlich für die Live-Auftritte verpassen wird. Es bleibt also weiterhin spannend, die vielbeschäftigte Band auf ihrer weiteren Reise zu begleiten.

Wertung: 7 / 10

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