Review Leprous – The Congregation

LEPROUS aus Norwegen gehören zu den wenigen Progmetal-Bands, die man schon nach Sekunden erkennt. Mit ihren letzten beiden Alben „Coal“ (2013) und „Bilateral“ (2011) haben sie sich einen unverwechselbaren Sound erarbeitet und mehr als deutlich bewiesen, dass sie zur kreativen Sperrspitze der Szene gehören. Ihre Musik ist dicht, düster und komplex – im einen Moment hart und treibend, im nächsten elegisch und pastoral. Ihre Songs sind voller Energie, Melodie, Spielfreude und Hirnschmalz.

Das gilt auch für ihr neues, mittlerweile fünftes Werk „The Congregation“, das wie eine logische Weiterentwicklung von „Coal“ klingt, und doch ganz anders ist. Um den Blickwinkel auf die eigene Musik zu ändern, hat Sänger und Keyboarder Einar Solberg den Großteil des Materials dieses Mal am Computer komponiert. Das kommt dem Sound der Band sehr zu Gute. Ihre ohnehin perfektionistische Musik wirkt nun noch vollkommener und kühler. Das Riffing tönt mechanischer denn je, die Keyboards werden nicht als Melodie-, sondern als Rhythmusinstrument eingesetzt. Diese mathematische Genauigkeit gleichen LEPROUS mit dem energiegeladenen und emotionalen Gesang von Einar Solberg wieder aus. Genauso wie der instrumentale Unterbau ist auch seine Stimme vielseitig und einnehmend – mal zerbrechlich, dann wieder voller Inbrust keifend. Dabei sind seine Gesangslinien oftmals erstaunlich einprägsam und erleichtern den Zugang zur Musik enorm.

Vor allem die erste Häfte von „The Congregation“ ist bärenstark. Der Opener „The Price“ nimmt den Hörer sofort gefangen, „Third Law“ ist wunderbar schräg und hat ein gigantisches Hauptriff. „Rewind“ präsentiert während seiner sieben Minuten Spielzeit so viele Stimmungswechsel und Ideen wie andere Bands auf ganzen Alben – kompromisslos hartes Extreme-Metal-Finale inklusive. Das darauffolgende „The Flood“ mit seinem so einfachen wie tristen Synth-Rhythmus ist das Highlight des Albums. Eine wunderschöne Strophe, die mich in ihrer Zerbrechlichkeit an Anathema und deren Leadsänger Vincent Cavanagh denken lässt, trifft auf einen energiegeladenen Refrain und einen perfekten Spannungsbogen. Ähnlich sphärisch wird es noch einmal bei „Moon“, dem man ohne Probleme das Etikett „New Artrock“ anhängen kann.

Aufgrund der Schwere, die LEPROUS immer wieder zelebrieren, wirkt „The Congregation“ am Stück gehört ein wenig langatmig. Das hat zur Folge, dass die Songs in der zweiten Hälfte des Albums zunächst unscheinbarer erscheinen. Ihre stilistischen Eckpfeiler und Spielereien haben die vier Norweger bis dahin abgesteckt und beeindruckend zur Schau gestellt, im Anschluss wird die aufgebaute Atmosphäre mit ähnlich gestrickten Tracks aufrecht erhalten. Die sind zwar nicht schlechter, bieten aber wenig Neues. Genau hier liegt auch der Unterschied von „The Congregation“ zu einem Album wie „Bilateral“: Heutzutage kreiert die Band Stimmungen, in die sich der Hörer fallen lassen kann; auf „Bilateral“ wollte sie zu jeder Sekunde möglichst vielseitig und Grenzen sprengend klingen.

Auch mit diesem kleinen Mangel ist „The Congregation“ aber ein eindrucksvoller Beweis ihrer kompositorischen Stärke und Zielstrebigkeit. LEPROUS sind im Grunde ihr eigenes Genre – und das bedienen sie perfekt. Sie machen einzigartige Musik, die ich nicht immer hören kann, die mich aber über alle Maßen fasziniert.

Wer nicht genug von der Band bekommen kann, sollte sich die Limited Edition oder die 2LP-Version von „The Congregation“ holen, die den Bonustrack „Pixel“ enthält.

Wertung: 8 / 10

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