Oktober 2020

Review Necrophobic – Dawn Of The Damned

  • Label: Century Media
  • Veröffentlicht: 2020
  • Spielart: Black Metal

Ein Review damit zu beginnen, wie lange es eine Band schon gibt, ist billig. Jede Band hat ein Alter, es geht also immer – aber weder ist das Alter einer Band ein Qualitätsmerkmal noch sonstwie spannend. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt: Wenn schon ihr Alter einer Band Gewicht verleiht, sie zur Instanz werden lässt: Wenn etwa Destruction im 37. Jahr ihrer Karriere ein Live-Album herausbringen, das vor jugendlicher Energie überquillt – oder die 1989 gegründeten NECROPHOBIC nach all den Jahren und einer Reihe bemerkenswerter Alben ihr (bisheriges) Meisterwerk veröffentlichen.

Drei Dekaden ist es also her, dass der spätere Dark-Funeral-Gründer David Henning „Blackmoon“ Parland und Schlagzeuger Joakim Sterner NECROPHOBIC aus der Taufe hoben, um extra-düsteren Death Metal zu spielen. Schon bald wurde daraus extra-düsterer Black Metal – und NECROPHOBIC eine feste Größe in der schwedischen Szene. Weder der Ausstieg von Blackmoon 1996 noch verschiedentliche Lineup-Wechsel bis zum unrühmlichen Ende von Tobias Sidegård als Sänger und Gitarrist (nach dessen Verurteilung wegen häuslicher Gewalt) konnten NECROPHOBIC stoppen; vielmehr wirkten die Schweden bereits mit „Mark Of The Necrogram“ und ihrem zurückgekehrten „The Nocturnal Silence“-Sänger Anders Strokirk stärker denn je. Dass sich die Band vor rund einem Jahr wohl nicht ganz im Guten von Bassist Alex „Impaler“ Friberg getrennt hat, scheint daran nicht das Geringste geändert zu haben.

Auf ein herrlich „majestätisches“ Gitarren-Intro lassen NECROPHOBIC neun Black-Metal-Hymnen hören, wie man sie selbst aus Schweden lange nicht gehört hat. Bereits der eigentliche Opener, „Darkness Be My Guide“, begeistert mit typisch „schwedisch“ eingängiger Melodieführung zu rabiatem Riffing und Drumming in extrem hohem Tempo – vor allem aber perfekt arrangierten Vocals: Ähnlich Kris Olivius von Naglfar oder dereinst Jon Nödtveidt von Dissection versteht sich Anders Strokirk perfekt darauf, durch die entsprechende Phrasierung des Gesangs den Schwung eines Riffs aufzugreifen und so zu multiplizieren. Abgerundet durch für das Genre fast zu gute Gitarrenarbeit, wie sie auch die beiden genannten Bands auszeichnet, spielt schon dieser Track in der obersten Liga des Genres.

Damit haben NECROPHOBIC mitnichten ihr Pulver verschossen: Da wären etwa „Mirror Black“, das in den schnellen Passagen mit noch furioserer Gitarrenarbeit aufwartet, „Tartarian Winds“, das gelungen den Geist von Dissection aufleben lässt, oder „The Infernal Depths“ mit perfekt eingeflochtener Akustik-Gitarre. Da wären der Titeltrack mit Naglfar-Groove, „The Shadows“ mit kräftigem Thrash-Einschlag oder das (zunächst) tatsächlich (etwas) ruhigere „The Return Of A Long Lost Soul“. Und dann ist da noch der Rausschmeißer „Devil’s Spawn Attack“, der durch ein Feature von Thrash-Legende Schmier am Mikrophon nicht nur das Beispiel aus dem Vorspann dieses Reviews erklärt, sondern (wie sollte es anders sein) tatsächlich fast nach Thrash Metal klingt.

Am stärksten jedoch ist „Dawn Of The Damned“ – und zwar nicht der Song, sondern das Album als Ganzes: NECROPHOBIC haben ihr Material nämlich komplett dem Albumgedanken unterworfen. So sind die Songs vielleicht eine Nuance weniger eingängig als auf dem Vorgänger, verleihen dem Gesamtwerk aber gerade dadurch nochmal eine ganz andere Tiefe: „Dawn Of The Damned“ schreit förmlich danach, wieder und wieder gehört zu werden, um den neun Songs jede noch so tief steckende Melodielinie zu entreißen, alle Parts im Detail kennenzulernen und sich das Album so zu erarbeiten.

Mit „Dawn Of The Damned“ setzen Joakim Sterner und seine Mannen genau dort an, wo sie vor gerade einmal zwei Jahren mit dem kraftstrotzenden „Mark Of The Necrogram“ aufgehört hatten – und machen doch nicht bloß dort weiter: Veredelt mit einem gewohnt stimmungsvollen Artwork von Genre-Legende Necrolord und dem perfekten Klangbild aus den Chrome-Studios von Unleashed-Gitarrist Fredrik Folkare enthält „Dawn Of The Damned“ alles, was man sich von NECROPHOBIC und dem Genre des schwedischen Melodic Black Metal wünschen kann: Herausragende Instrumentalarbeit, einen stimmigen Mix aus Härte, Groove und Melodik und für alle, denen das noch nicht reicht, sogar ein Album-umspannendes Textkonzept. Vor allem aber die nötige kompositorische Tiefe, um mit jedem Durchgang zu wachsen, statt banaler zu klingen. Vielleicht bedarf es deswegen zunächst ein, zwei Durchläufe mehr als beim etwas zugänglicheren Vorgänger – dafür verspricht „Dawn Of The Damned“ eines der Album zu sein, die „bleiben“, an dem man sich auch in vielen Jahren noch nicht sattgehört haben wird.

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Wertung: 9.5 / 10

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2 Kommentare zu “Necrophobic – Dawn Of The Damned

  1. Strike! Selten traf ein Review den Nagel so sehr auf dem Kopf wie hier. Einzig, dass NECROPHOBIC bisher kein wirklich schlechtes Album veröffentlichten („Womb Of Lilith“ lasse ich hier außen vor. „Mark Of The Necrogram“ fand ich nach der Veröffentlichung lediglich „gut“, da ich sehr hohe Erwartungen hatte. Rückblickend eines der besseren Alben in der starken NECROPHOBIC Diskografie. Bei „Dawn Of The Damned“ war es anders…das Album packte mich sofort. Selten war das Gitarrenduo Ramstedt/Bergebäck spielfreudiger als hier, welches nie zu lasten der düsteren Atmosphäre geht.
    Und wie im Review beschrieben muss man es als eine Einheit erfassen und hören. Denn trotz vieler Facetten wirkt es komplett homogen.
    Das Highlight 2020!

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