Review Pestilence – Levels Of Perception

Lange hat kein PESTILENCE-Album so für Furore gesorgt wie „Levels Of Perception“ – und das noch vor der Veröffentlichung: Als Agonia Records das Artwork vorstellten, gab es einen regelrechten Shitstorm, da die vier Porträts auf dem Cover durch den Einsatz künstlicher Intelligenz erzeugt worden waren. Um den Release zu retten, entschieden sich Band und Label dazu, das Album doch noch mit einem anderen Artwork zu versehen. Wobei „Artwork“ im Sinne seiner Wortbedeutung hier sehr hoch gegriffen scheint: War die erste Version vielleicht nicht unbedingt Werbung für KI-generierte Cover, so ist das neue Bild auch nicht gerade ein starkes Argument gegen KI-Cover: Das lieblos zusammengebastelte Motiv ist nicht nur auf ästhetischer Ebene eine Beleidigung, sondern auch eine Themaverfehlung – schließlich ist „Levels Of Perception“ kein Live-Album.

Aber was ist „Levels Of Perception“ eigentlich? Technisch gesehen handelt es sich um ein etwas aufwendiger produziertes „Best-of“, für das PESTILENCE das gesamte Material neu eingespielt haben. Den Sound zu homogenisieren, erscheint für ein solches Vorhaben nur logisch, schließlich klingen die Alben der Niederländer ja doch sehr unterschiedlich. Dass sich PESTILENCE allerdings darauf verständigt zu haben scheinen, den Sound der 1980er-Jahre als Referenz heranzuziehen, anstatt die alten Songs in die Jetzt-Zeit zu holen, überrascht dann doch. Statt druckvoller, moderner Versionen alter Klassiker gibt es nämlich das genaue Gegenteil zu hören: die neuen Songs in sonderbar „altem“, komplett substanzlosem Sound.

Schon der Opener „Horror Detox“ von „Resurrection Marcabe“ dürfte Technik-affinen Audiophilen einen gehörigen Schreck versetzen: Aber nein, keine Sorge: Hier ist nicht gerade der Tieftöner abgeraucht – das soll wohl so. Schön ist es allerdings nicht: Bei niedrigen Lautstärkepegeln klingen die Rhythmusgitarren nach kratzigem Rauschen, aus dem nur gelegentlich Leadgitarren herausbrechen. Da waren, so ehrlich muss man sein, auf ihre Art sowohl „Consuming Impulse“ als auch „Testinomy Of The Ancients“ im Original besser – oder zumindest: weniger anstrengend. Denn auch nach 45 Minuten hat sich hier kein Gewöhnungseffekt, sondern allenfalls großes Unbehagen und ein latenter Kopfschmerz eingestellt.

Der drastische Qualitätsabfall im Vergleich zu den letzten PESTILENCE-Alben ist übrigens schnell erklärt: Für „Levels Of Perception“ wurde kein Produzent engagiert, für Mix und Master zeichnet stattdessen Patrick Mameli als Debütant am Pult selbst verantwortlich. Dem Tüchtigen hilft das Glück? Eher: Schuster, bleib bei deinem Leisten.

Immerhin: Einheitlich (schlimm) klingt das dergestalt verhunzte Material. Das ist insofern nicht selbstverständlich, als die Songs eine Spanne von 35 Jahren abbilden und sich PESTILENCE stilistisch ja doch über die Jahre verändert haben. Allerdings erklärt sich ebenjene Einheitlichkeit leider nicht nur mit dem unsäglichen Sound, sondern auch mit einer ziemlich kruden Songauswahl: Von den beiden bereits genannten Meilensteinen im Tech-Death finden sich auf diesem „Best-of“ insgesamt vier Songs, das Debüt „Mallevs Maleficarvm“ wurde komplett außen vor gelassen – ebenso das seinerzeit visionäre „Spheres“. Die vier Alben nach der Reunion („Resurrection Macabre“, „Doctrine“, „Obsideo“ und „Hadeon“) sind mit je einem Track vertreten – und das aktuelle Album „Exitivm“ stellt vier (!) Songs.

Dieser Fokus auf ausgerechnet das neueste Werk ist in vielerlei Hinsicht bizarr. Zunächst dürften nur wenige Fans der steilen These folgen, dass gleich vier Songs dieses Albums zu den zwölf besten je geschriebenen PESTILENCE-Songs zählen. Vor allem aber profitieren diese Songs vom Re-Recording noch weniger als die alten: War etwa „Morbvs Propagationem“ auf „Exitivm“ mit seinem Streicher-Intro eine wirklich echte Tech-Death-Granate, klingt der Song in der neuen Version wie ein Schatten seiner selbst: Die Streicher gehen komplett unter, der Rest klingt im A-B-Vergleich, als hätte jemand den Song als 32-Bit-mp3 über ein defektes Autoradio abgespielt – und mit dem Handy mitgeschnitten. Und wieso Patrick Mameli es für eine gute Idee hielt, für „Land Of Tears“ aus Soundbank-Schnipseln ein Intro zu basteln, das klingt, als ob jemand Tischtennis im Park spielt, wird wohl auch für immer sein Geheimnis bleiben.

„Levels Of Perception“ wirft viele Fragen auf – am Ende lassen sie sich aber alle auf die eine, zentrale Frage eindampfen: Was soll das?

Vom Cover (egal, in welcher Version) über die Songauswahl bis zum Sound – abgesehen von der reinen Performance der Musiker ist an „Levels Of Perception“ wirklich alles missraten. Wenn PESTILENCE mit diesem Release nicht ihrem Label gehörig eins auswischen beziehungsweise sich mit Minimalaufwand aus einem Mehr-Album-Deal befreien wollten, fällt es schwer, in dieser Veröffentlichung einen Sinn zu sehen. Fans (egal welcher Schaffensphase von PESTILENCE) sollten von diesem Machwerk jedenfalls tunlichst die Finger lassen. Gehen Sie weiter, es gibt hier nichts zu hören … und ehrlich gesagt auch nichts, was Punkte verdient hätte.

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6 Kommentare zu “Pestilence – Levels Of Perception

  1. Dieses wahre Schmankerl für die Ohren entlockt sogar mir mal einen Kommentar…
    Der eingebettete Song klingt wirklich nach Kraut und Rüben. Ich bin wahrlich nicht audiophil genug um bei kleinsten Ausrutschern im Sound das Handtuch zu werfen, im Gegenteil, bei richtig gutem Material kann ich auch gerne mal über einige Schwächen im Sound hinwegsehen (ältere Saor Releases, hust hust).
    Wer das ernsthaft für eine gute Idee hält so ein Machwerk zu veröffentlichen, bei dem ist irgendwas falsch gelaufen, oder wie du sagst es ist nur um einen vertraglich verpflichtenden Release abgeliefert zu haben. Alleine die Idee, die neueren Songs in altem Soundgewand einzuspielen anstatt (eventuell) schlecht gealterte Klassiker soundtechnisch in die Moderne zu transportieren ist wohl schon (freundlich ausgedrückt) ein Alleinstellungsmerkmal.

    Auf alle Fälle immer wieder gerne gesehen und gelesen so ein ordentlicher Verriss XD

    1. Leider klingt das ganze Album so, und ja, auf die Idee, die neuen den alten Songs anzugleichen statt etwa umgekehrt, muss man erstmal kommen. Aber vermutlich merkt er das gar nicht …
      Und klar, es ist mal was anderes, wenn Verrissmaterial daherkommt als irgendwelcher mittelmäßiger Kram, aber ich hatte mich auf diesen Release eigentlich schon gefreut. Insofern finde ichs schon auch schade …

  2. Oh weh, habt ihr schon Post von Mameli bekommen? Als ich vor ein paar Jahren mal in einer Rezension ein Pestilence Album verrissen habe, hat er mich in mehreren E-Mails wüst beschimpft.
    Ich verstehe nicht, dass der Mann selbst nicht rafft, dass er damit Stück für Stück sein eigenes Denkmal einreißt.

  3. Au weier, ich habe jetzt nur das oben verlinkte Lied gehört. Saft und kraftlos. Was ihr euch manchmal geben müsst. Weiß nicht, warum man so ein Album veröffentlichen muss. Keine Energie oder sonst was. Aber der Mameli ist ja ohnehin ziemlich von sich selbst überzeugt, insofern.

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