Festivalbericht: Brutal Assault Open Air 2017 – Teil 2

11.08.2017 - 12.08.2017 Festung Josefov, Jaroměř (CZ)

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… unter anderem mit MADBALL, THE DILLINGER ESCAPE PLAN, MASTERS HAMMER, OVERKILL, BATUSHKA, HATEBREED, EMPEROR und OPETH !

Halbzeit auf dem BRUTAL ASSAULT 2017: Nachdem das Festival seit 2016 vier volle Tage lang geht, stehen den Besuchern nach zwei Konzerttagen noch zwei weitere bevor. Nach den sommerlich-heißen Temperaturen am Anreise-Dienstag und den beiden ersten Konzerttagen und dem Gewitter in der Nacht auf Mittwoch begrüßen schwere Regenwolken die Festivalbesucher am Freitag. Durchhalten ist angesagt – schließlich ist hinsichtlich des Programms noch einiges geboten!

Freitag, 11.08.17

Eine Serie von Gewittern und Schauern mit lediglich kurzen Unterbrechungen macht es den Bands an diesem Vormittag nicht leicht: DYSANGELIUM trotzen den Widrigkeiten ebenso wie die etwas glücklicheren PRIMARY RESISTANCE, doch nur die unerschrockensten Grindcore-Diehards sind bei TEETHGRINDER anzutreffen, und der Stilbruch hin zum schwerfälligen Death/Doom von DOOMAS zusätzlich zum miesen Wetter lässt das Publikum auf ein Minimum schrumpfen. Erst die moldawischen Modern/Nu Metaller INFECTED RAIN um Frontfrau Lena bringen wieder eine nennenswerte Fanschar zum hüpfen, die sich sich anschließend auch dankbar den Hard-/Metalcore-Routiniers FIRST BLOOD zuwendet. Inzwischen hat sich das Wetter endlich stabilisiert, sodass AVERSIONS CROWN aus Australien befreit den Härtegrad kräftig Richtung Tech Death anziehen können. Nun steht mit WOLFHEART eine erste deutlich bekanntere Band auf der Sea-Shepherd-Bühne; das mittlerweile einzige Projekt des umtriebigen Finnen Tuomas Saukkonen (BLACK SUN AEON, BEFORE THE DAWN etc.) wird entsprechend von Beginn an ordentlich vom Publikum gefeiert und liefert einwandfreie, angeschwärzte Melodic-Death-Metal-Kost. [FI]

Keine Gefangenen machen traditionell CROWBAR. Da wohl nur die Wenigsten die in breitem Südstaaten-Amerikanisch vorgebrachten Ansagen von Fronter Kirk Windstein verstehen, muss heute die Musik allein überzeugen – für die Sludge-Legende aus New Orleans keine große Herausforderung. Tonnenschwere Riffs und Kirks düsterer Gesang reichen völlig aus, um die Nackenmuskulatur in Bewegung zu versetzen. [MG]

GRAVEWORM sorgen nach der energiegeladenen CROWBAR-Show für Abkühlung: Der Melodic Black Metal der Südtiroler überzeugt mit messerscharfen Riffs, ohrwurmtauglichen Melodien und düsterer Atmosphäre. Zu diesem Zeitpunkt ist am Horizont über den Bühnen noch nicht zu erahnen, was sich während SACRED REICH dort abspielen wird. Zu den ersten Takten der US-Thrash-Institution ziehen sich dann aber innerhalb von kürzester Zeit im Wechsel eitrig-gelbe und tiefgraue bis schwarze Wolkenwände zusammen, die mit hoher Geschwindigkeit über das Gelände hinwegziehen. Während die begleitenden Windböen am Campground so manchen Pavillon aushebeln, halten SACRED REICH zunächst tapfer die Stellung.

Damit ist allerdings Schluss, als Sekunden nach dem kurz danach einsetzenden Starkregen in der ganzen Stadt der Strom ausfällt. Während die meisten Fans sich in die nicht nur bomben-, sondern auch wetterfesten Festungsinnenräume flüchten, genehmigen sich andere lediglich einen Schnaps auf den Schrecken und erwarten die Rückkehr der Thrasher. Nur 20 Minuten später ist der Spuk dann auch schon wieder vorbei, das Gewitter ist weitergezogen und die Amps röhren wieder: Von einer umso frenetischer feiernden Masse getragen, spielen SACRED REICH ihr Set zu Ende.

Das INCANTATION-Set wird dann von so manchem Camper verständlicherweise genutzt, um zu prüfen, was von der Unterkunft im Grünen noch übrig ist. Die Deather um Frontmann John McEntee hindert dies nicht daran, von der ersten Sekunde an Gas zu geben. Im Bewusstsein, noch einmal mit einem Doom-Set auf die Brutal-Assault-Bühnen zurückzukehren, machen die US-Amerikaner kurzen Prozess und lassen im Laufe der nächsten 50 Minuten keinen Stein auf dem anderen.[MM]

Derweil stellt sich Im Zelt das Trio ULCERATE aus Neuseeland mit seinem so komplexen wie virtuos dargebotenen Progressive Death Metal als echtes Kleinod heraus. Wer danach noch nicht wieder aufgewärmt ist, hat anschließend gleich zwei Möglichkeiten, sich die Regenkälte aus den Knochen zu moshen: Zunächst zum flotten, launigen Death/Thrash Metal der Schweden THE CROWN, danach bei den legendären, stilistisch ähnlichen aber stumpferen POSSESSED. [FI]

Vom überstandenen Unwetter ist bei AUGUST BURNS RED schon nichts mehr zu sehen – weder am Himmel, noch vor der Bühne, wo sich bereits wieder unzählige Fans versammelt haben, um zu dem Metalcore der Amerikaner zu feiern. Doch kurze Zeit später öffnen sich abermals ordentlich die Schleusen. Wer vor diesem letzten Schauer Zuflucht im Metalgate-Zelt suchen will, muss eine regelrechte Sumpflandschaft durchwaten. Das schreckt im Vergleich zum Wetter jedoch kaum ab, sodass drinnen alles bis auf den letzten Quadratzentimeter vollgestopft ist. Noch maßgeblicher für den Andrang verantwortlich ist aber offensichtlich IGORRR:  Bereits ohne einen Ton von sich gegeben zu haben, werden die vier Franzosen frenetisch abgefeiert, und die allgemeine Partystimmung lässt das komplette Set lang nicht nach. Zu Recht, denn so etwas wie der skurrile Barock-Electro-Metal-Cocktail aus DJ-ing, Live-Schlagzeug, ausgezeichnetem klassischem Gesang und rotzigen Black-Metal-Screams wird nicht alle Tage geboten, geschweige denn in solch erstklassiger Qualität. Als es sich draußen endlich ausgeregnet hat, übernehmen SWALLOW THE SUN, deren melancholischer Doom deutlich langatmiger daherkommt, aber ähnlich viel Fanliebe erfährt. [FI]

Wem auf dem BRUTAL ASSAULT zu wenig gehüpft und getanzt wird, der findet sich am frühen Abend bei ELUVEITIE ein. Chrigel & Co. scheinen heute aber nicht nur daran interessiert, für ihre Fans eine starke Performance hinzulegen, vielmehr erwecken sie den Eindruck, auch dem verbohrtesten Festivalgänger klarmachen zu wollen, was ihr Folk Metal kann. Dieser Plan dürfte aufgehen, denn ELUVEITIE liefern nicht nur Tanzbares, sondern punkten auch mit Tiefgang und Härte.

  TRIVIUM müssen sicherlich niemanden mehr von sich überzeugen. Zum bisherigen Tagesverlauf passend startet die Band um Matthew Heafy mit dem „Ascendancy“-Klassiker „Rain“ und nimmt das Publikum im Sturm. Die melodischen, ohrwurmtauglichen Riffs und der Abwechslungsreichtum der Vocals begeistern von der ersten Minute. Dass TRIVIUM überwiegend auf älteres, metallisch orientiertes Material setzen und zudem mit glasklarem Sound gesegnet sind, tut sein Übriges dazu, dass die Jungs aus Florida eine der stärksten Shows des Festivals liefern. Dem kann auch ein mit Warnleuchten bewehrter ToiToi-Truck keinen Abbruch tun, der sich nach der halben Show unversehens seinen Weg quer durch die Menschenmassen bahnt.[MM]

Auf der Oriental-Stage und unter mittlerweile sternklarem Himmel liefert derweil das Experimentalmusik-Kollektiv WREKMEISTER HARMONIES eine packende Show ab: Zwar dauert es etwas, bis die Musik der Amerikaner – eine Mischung aus Mono, Sólstafir und Wovenhand – zündet, spätestens ab der Hälfte des Sets hat die Band jedoch das ganze Publikum in ihren Bann gezogen. Das ganze? Nein! Ein kleine Gruppe betrunkener Franzosen hört nicht auf, der Atmosphäre durch lautes Grölen Widerstand zu leisten. Schade für alle anderen, stört das die ruhige Stimmung im malerischen Festungsinnenhof doch empfindlich. [MG] Im Anschluss bieten dort PHURPA mit tibetanischer Bön-Ritualmusik samt Kehlkopfgesang Kontrastprogramm der etwas anderen Art, während zu den Mainstages pilgert, wem der Sinn nach CARCASS steht. Die Death-Metal-Institution war anstelle der ausgefallenen MORBID ANGEL recht kurzfristig nachgebucht worden und füllt die große Lücke bravourös aus. Dass hier logistisch improvisiert werden musste (Fronter Jeff Walker zufolge leisteten mehrere Bands den Briten Hilfe durch Slottausch bzw. Equipment-Leihgaben, da unterwegs deren Instrumente verloren gegangen seien), macht sich hinsichtlich der Show nicht im geringsten bemerkbar und laute Fangesänge lassen den Eindruck entstehen, das routiniert performende Quartett habe von Anfang an als ein Highlight des diesjährigen Festivals festgestanden.

ELECTRIC WIZARD wiederum wollen sich als musikalische Erben von 70er-Jahre-Größen wie BLACK SABBATH und PENTAGRAM verstanden wissen und unterstreichen diesen Umstand nur allzu deutlich. Mag man die Kombination aus Okkultrock, Schlaghosen und einer psychedelischen Videoshow auch arg aufgesetzt finden und die Riffs nicht zu den spannendsten jemals erdachten zählen, so versteht die Band doch nichtsdestotrotz gefällig zu grooven. [FI]

Im Zelt können inzwischen die Electro-Industrial-Veteranen von FRONT LINE ASSEMBLY mit ihren unverkennbar düsteren Soundcollagen von sich überzeugen, um dann in einem der krassesten Stilbrüche des Festivals an ROTTEN SOUND weiterzugeben. Der bisweilen stark am Death Metal orientierte, räudige Grindcore der Finnen eignet sich hervorragend für ungebremste Circle Pits, denen die Fans dann auch sehr bald fröhnen. Das Material des aktuellen Outputs „Abuse to Suffer“ vermag dabei ob seines Abwechslungsreichtums durchweg zu überzeugen.

Kontrastreich fällt auch der Wechsel zu GOD IS AN ASTRONAUT aus. Wie um die vorangegangene Abrissbirne sacken zu lassen, nehmen sich die Iren dann auch eine gute Viertelstunde mehr Umbaupause als geplant. Als es dann allerdings doch losgeht, zieht das Quartett das prall gefüllte Zelt mit seinem instrumentalen Post Rock unmittelbar in seinen Bann. Bei kaum einem anderen Konzert an diesem Festival harmonieren Lightshow, Musik und Performance so perfekt miteinander wie hier.[MM]

Zeitlich überlappend garantieren auf der Sea-Shepherd-Bühne die schwedischen Crossover-Veteranen CLAWFINGER gute Laune. Überzeichnete Stilelemente wie das „Superman“-mäßig pathetische Intro, duckwalkende Gitarristen und der extravagante Aufzug von Fronter Zak Tell bereichern die Show auf eine sympathisch-augenzwinkernde Art ebenso wie Keyboarder Jocke Skogs rekordverdächtiges Laufpensum, und die unwiderstehlich tight eingespielten Stampfbeats und echte Hitpower wie bei „Biggest & The Best“ oder „Do What I Say“ bringen die Menge vorbildlich zum Ausrasten.

EINHERJER verfügen schon über merklich weniger Zugkraft, dies hindert die Viking-Altmeister jedoch nicht daran, für den harten Kern an der Jägermeister-Stage ein so launiges wie klassikerreiches Set (überwiegend vom Debütalbum „Dragons of the North“) zum Besten zu geben. Für heute ist damit im Freien Schluss – durch die Folgeverzögerung auf den Hauptbühnen seit SACRED REICH eine knappe halbe Stunde später als geplant. Ganz nach Plan sind dagegen DER WEG EINER FREIHEIT als letzte Band an diesem vorletzten Festivaltag noch einige Minuten länger zugange. Obwohl die emotional vielschichtige Musik der modernen Black-Metaller mehr Aufmerksamkeit verlangt als manche Zuhörer zu dieser Stunde aufbringen können, finden sich immer noch genügend Begeisterte, um die souveräne Leistung der Würzburger angemessen zu würdigen. Somit dürfte niemand den Weg vom Metalgate- ins eigene Zelt unzufrieden zurücklegen. [FI]

Samstag, 12.08.17

Wer, statt auszuschlafen oder ein deftiges Frühstück zu sich zu nehmen, seinen Magen lieber von Grindcore massieren lässt, ist nicht nur bei den einheimischen NUCLEAR VOMIT richtig, sondern bekommt anschließend von COLLISION aus den Niederlanden im gleichen Genre nochmal kräftig Nachschlag. Nicht minder grob geht es bei den Brutal-Deathern OCEANS ATE ALASKA und der Hardcore-Punk-Formation SKYWALKER zu: Wer sich so früh schon vor die Bühnen geschleppt hat, ist jetzt definitiv wach. Sollte er auch, denn der Prog-Metal von DISPERSE sowie der atmosphärische Black-Death von SVART CROWN haben alle Aufmerksamkeit verdient. Modern wird es anschließend bei SIKTH, die mit zwei Sängern ein buntes Gebräu zwischen Technical Metal, Metalcore und Death Metal kochen und damit vor allem die jüngeren Festival-Besucher vor die Bühne locken.

Oldschool-Sound ist dafür anschließend bei ARTILLERY geboten, die mit ihrem Thrash klar in Richtung Overkill gehen. Leider wackelt der Gesang heute etwas, ansonsten können die Dänen mit fetten Riffs punkten. Spätestens als Fronter Michael Bastholm Dahl den Gig im Publikum beendet, haben sich die Thrasher die Sympathien der Anwesenden erspielt. Im Erspielen von Sympathien sind die Crossover-Veteranen PRONG echte Experten – wie sie bei ihrem heutigen Tourabschluss-Gig nochmal unter Beweis stellen müssen: Sind die Reaktionen zunächst eher verhalten, gelingt es Tommy Victor und Konsorten im Laufe der Show, das Publikum mitzureißen und schlussendlich sogar zum Circlepit zu motivieren.

Während die tschechischen Industrial-Metaller MALIGNANT TUMOR das Programm der Metalgate-Zeltbühne eröffnen, geht es auf der Jägermeister-Stage mit Metalcore aus dem Hause WHILE SHE SLEEPS weiter, bevor die Besucher vor die Wahl zwischen dem Hardcore von NATURAL BORN FUCKERS (Zelt) und der polnischen Death-Maschine DECAPITATED (Sea-Shepherd-Stage) gestellt werden. Letztere hat mit dem aktuellen Songmaterial eine interessante musikalische Entwicklung von ihren Brutal-Death-Wurzeln hin zu Hardcore- und Crossover-nahem Death’n’Roll vollzogen, die man hier anhand eines dreiviertelstündigen Sets quasi live zurückverfolgen kann – bei großem Zuhöreraufkommen und zum allgemeinen Gefallen.

Schwer fällt auch die nächste Wahl – zwischen den female-fronted Post-Hardcorelern OATHBREAKER auf der Hauptbühne, sowie dem Berliner Noise-Sludge-Duo MANTAR im Zelt. Zwar beeindrucken letztere mit einer Soundwalze, die man zu zweit erst einmal so hinbekommen muss – jedoch verliert das Gebotene recht schnell an Reiz, da es dem Material schlichtweg an Abwechslung mangelt. [MG]

Bevor sich an gleicher Stelle die Klänge des New York Hardcore der Marke SHEER TERROR mit wüstem britischem Doom-Death aus dem Hause VALLENFYRE abwechseln,  machen sich draußen die kürzlich erst wiederbelebten Old-School-Thrasher DEMOLITION HAMMER nach dem Motto „Nomen est Omen“ daran, schonungslos den kompletten Festungsgraben über den Haufen zu fetzen. Die geballte und auch oftmals verbalisierte „Fuck You!“-Attitüde der Band mag nicht die reifste oder phantasievollste Ausdrucksform sein, wirkt aber im authentischen Gewand ihres kompromisslosen Hochgeschwindigkeitsmetals so frisch, dass man die Amerikaner direkt fragen möchte, wo sie eine komplette Headbanger-Generation lang denn nur gesteckt haben.

Umso dramatischer fällt der Kontrast zu TIAMAT aus: Hier steht alles im Dienst einer heraufbeschworenen feierlichen Atmosphäre, zu der die doomige Musik für sich genommen auch so manches beiträgt. Allein, Johan Edlund und seine unsägliche, druffe Schwafelei zwischen und über ausgedehnte Passagen IN den Songs machen alles zunichte. Dass er sich dabei oft verrent und Sätze im Nichts versickern, setzt dem Ganzen die Krone auf. Falls es denn mal gelingt, sich auf die viel zu randständige musikalische Komponente der Show zu konzentrierten, kann die Band punkten, doch insgesamt kann man am Ende froh sein, das Set geistig unbeschadet überstanden zu haben.

ARCHITECTS dagegen lassen absolut nichts anbrennen: In Topform setzen die Briten zu einem weiteren, diesmal aber weitaus melodiöseren Abriss der Festung an. Zur mitreißenden Metalcore-Performance wird Mal um Mal die Textsicherheit des Publikums geprüft und die Ergebnisse hören sich im vollgepackten Bereich vor den Hauptbühnen jedes Mal äußerst beeindruckend an. Dass einige persönliche Bemerkungen Samuel Carters einfließen und freilich auch dem tragisch verstorbenen Gitarristen Tom Searle gedacht wird, nimmt der Show nichts an Fahrt, sodass ARCHITECTS nach ihrem einstündigen, von Anfang bis Ende packenden Konzert mit lautem Jubel verabschiedet werden.

Im Innenhof ist Islands Death-Metal-Export ZHRINE ebenfalls gerade fertig und INCANTATION stehen in den Startlöchern für ihre Doom-Spezialshow, als das DEVIN TOWNSEND PROJECT auf die Jägermeister-Stage aufläuft. Sofort geht Devin dabei in seiner bekannten Pausenclown-Rolle auf, doch die Musik könnte auch locker für sich selbst sprechen: Mag die typische Prog-/Melodic-Metal-Soundwand sonst manchmal steril wirken, passt heute irgendwie einfach alles. Die Klasse der Musiker sowohl im Einzelnen als auch als Band kommt so deutlich zum Vorschein wie die zahllosen Stimmfacetten und das Showtalent des Bandleaders, und Gänsehautatmosphäre enststeht etwa bei den Halbballaden „Deadhead“ und „Supercrush“. Doch auch aus der treibenderen Ecke des riesigen DTP-Repertoires ist z.B. mit „Kingdom“ genug geboten. Alle diese Elemente finden schließlich im großartigen „Higher“ vom aktuellen Album zusammen und sorgen so für einen monumentalen Abschluss. [FI]

AMORPHIS haben sich mit Tomi Joutsen am Mikro längst zu den großen Live-Routiniers im finnischen Metal gemausert. Wer auf eine AMORPHIS-Show geht, weiß, was er bekommt: Bis ins letzte Detail geschliffenen Melodic Metal mit großartigen Harmonien, Gitarren zum Dahinschmelzen und mitsingtauglichen Refrains. So ist auch das heutige Headliner-Konzert eine Demonstration, wie träumerische Musik in härteren Gefilden zu klingen hat. Befördert wird dieser Eindruck durch die sehr runde Setlist: Ob nun der Evergreen „Into Hiding“, das vom aktuellen Album stammende „Under The Red Cloud“ oder das abschließende „House of Sleep“ (wie immer stilecht mit Singalong), AMORPHIS führen mit beeindruckender Souveränität durch ihre Diskographie. [MM]

Nachdem Black-Metal-Fans sich im Zelt durch die Shows der truen Norweger TSJUDER sowie der leicht avantgardistisch angehauchten FURIA aus Polen in Stimmung bringen konnten, steht mit MAYHEM auf der Hauptbühne nach Emperor die zweite Szene-Legende auf dem Programm. Ähnlich ihren progressiven Kollegen feiern auch MAYHEM ein Album-Jubiläum: Im Mittelpunkt des heutigen Auftritts steht (wie schon auf der letzten Europatour) das Black-Metal-Standardwerk „De Mysteriis Dom Satanas“. Obschon MAYHEM ihre Darbietung von damals eins zu eins reproduzieren, gelingt es MAYHEM nicht, die Atmosphäre der Clubshows im Frühjahr zu reproduzieren: Der Sound ist zunächst katastrophal, später bestenfalls in Ordnung, und auch spielerisch hat man die Norweger (wenn auch selten) schon besser erlebt. Gewiss, „De Mysteriis Dom Satanas“ bleibt ein Meilenstein – mit der heutigen Darbietung werden MAYHEM diesem jedoch nur in einzelnen Momenten wirklich gerecht.

Wer nach dieser schweren Kost nicht schon genug zu verdauen hat, bekommt anschließend bei der letzten Mainstage-Show des Brutal Assault 2017 mit dem Funeral Doom der Franzosen MONOLITHE den betäubenden Hammer auf den Kopf. Im Zelt folgen nun auf die tschechische Goregrind-Institution GUTALAX nur noch die US-Tech-Deather RECOVATION, die um 2:00 Uhr die zugleich ehrenvolle wie undankbare  Aufgabe übernehmen, das Brutal Assault Open Air 2017 zu beerdigen. [MG]

Fazit

Seinen Status als Geheimtipp in der Festival-Szene für Extreme-Metal verliert das BRUTAL ASSAULT OPEN AIR so langsam – seine einzigartige Atmosphäre bleibt jedoch die gleiche.

Zwar ist das Publikum 2017 internationaler denn je, durch die nach oben begrenzte Kapazität der Area bleibt hinsichtlich der Atmosphäre ansonsten aber zum Glück alles beim Alten: Deutsche Party-Festival-Touristen mit Strom-Aggregat und Bierbong sind hier immernoch fehl am Platz – im Mittelpunkt stehen nach wie vor Musik und entspannte Camping-Atmosphäre.

Bemerkbar macht sich der Wandel allerdings an den Preisen: Die Metalmarkt-Stände verlangen mittlerweile das Gleiche wie auf anderen Festivals. Und auch wenn Essen und Getränke im internationalen Vergleich preislich noch deutlich unter dem Durchschnitt liegen, bleibt der Preisanstieg doch nicht unbemerkt: Von 25 Kronen im Vorjahr auf stolze 40 Kronen ist der Bierpreis gestiegen, und das bei einem Anbieter-Wechsel zum tschechischen Billig-Bier-Produzenten Kozel.

Viele Neuerungen (Bändchen wird per Post vorab zugestellt, alles auf dem Gelände wird Cashless via Chip im Festival-Bändchen bezahlt, der per Smartphone aufgeladen werden kann) verbessern auch in diesem Jahr die Abläufe – lange Schlangen am Einlass gibt es in diesem Jahr nicht.

Ganz erreichen die Veranstalter das erklärte Ziel, Schlangen zu vermeiden, jedoch nicht: Dass man für die Naturtribünen-Bändchen nochmal gesondert (und lange) anstehen muss, ist unnötig, und auch, wer seinen Chip nicht via Smartphone laden will, muss mitunter längere Wartezeiten an den Top-Up-Containern in Kauf nehmen. Dass dort für die Aufladung des Chips über Kreditkarte eine Kommission verlangt wird, ist im Rahmen eines Cashless-Festivals fast wieder witzig.

Atmosphärisch und – vor allem – in Sachen Musik macht dem BRUTAL ASSAULT jedoch weiterhin so schnell keiner etwas vor: Nahezu durchweg brillianter Sound, packende Light-Shows und mitreißende Auftritte im atmosphärischen Festungshof mit seinen unzähligen Bars und Katakomben lassen das Festival auch 2017 zu einem einmaligen Erlebnis werden. [MG]

Publiziert am von Marius Mutz, Felix Indra (Gastredakteur) und

Fotos von: Christoph Emmrich

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