Konzertbericht: Rammstein w/ Duo Játékok

08.06.2019 München, Olympiastadion

Mag ihre Musik auch nicht jedermanns Sache sein, zumindest in einem Punkt gehen die Meinungen über RAMMSTEIN nicht auseinander: Unangefochten sind die Shows der Berliner Weltstars das größte derzeit erlebbare Rockspektakel. So ist es eigentlich ein Wunder, dass RAMMSTEIN erst jetzt, nach 25 Jahren Bandgeschichte, ihre erste reine Stadion-Europa-Tour spielen.

Kein Wunder ist hingegen, dass diese schon vorab als spektakulärer Erfolg verbucht werden kann: Binnen Minuten sind nahezu alle Stadien bis auf den letzten Platz ausverkauft – in vielen Städten sogar an zwei Tagen hintereinander.

So auch in München, wo im Olympiapark bereits am frühen Nachmittag Volksfeststimmung herrscht – schließlich öffnen die Pforten des altehrwürdigen Olympiastadions bereits um 16:00 Uhr. Schnell bilden sich allerorten Schlangen: Am Einlass, an den Toiletten wie auch am Merch-Truck von RAMMSTEIN, wo angestanden wird, als gäbe es etwas umsonst. Davon kann zwar beim besten Willen nicht die Rede sein – vergleicht man mit anderen Bands dieser Größe, sind die Preise aber doch fast fair.

Fair verhält sich auch das Publikum dem DUO JÁTÁKOK gegenüber, zwei französischen Pianistinnen, die als Resultat ihrer Mitarbeit am Notenbuch „Klavier“ von Rammstein persönlich eingeladen wurden und den Abend auf einer kleinen Nebenbühne in der Arena eröffnen. Zwar ernten die auf zwei Klavieren dargebotenen Interpretationen von Rammstein-Klassikern nur mäßig euphorische Reaktionen – dass die Darbietung nicht ausgebuht wird, ist aber in diesem Setting schon als Erfolg zu verbuchen. Gewiss, spielerisch ist der Darbietung nichts anzukreiden. Allerdings funktionieren fast nur die Balladen unter den gespielten Stücken so gut, dass sie vom Publikum mehrheitlich erkannt und mitgesungen werden, wie sich die beiden Französinnen dies gewünscht hätten. Dann – etwa bei „Ohne dich“, bei dem zumindest im Refrain fast das ganze Stadion dabei ist – kommt jedoch zumindest kurz Gänsehaut-atmosphäre auf.

  1. Klavier (Rammstein-Cover)
  2. Engel (Rammstein-Cover)
  3. Mein Herz Brennt (Rammstein-Cover)
  4. Du hast (Rammstein-Cover)
  5. Ohne dich (Rammstein-Cover)
  6. Frühling in Paris (Rammstein-Cover)
  7. Seemann (Rammstein-Cover)
  8. Sonne (Rammstein-Cover)

Punkt halb neun dann der Weckruf: Mit einem lauten Knall eröffnen RAMMSTEIN, was zumindest für die Novizen unter den Zuschauern der vielleicht imposanteste Konzertabend ihres Lebens werden soll. Die Bühne wird zu den Klängen von „Was ich liebe“ zur Raffinerie, schwarze „Rußschwaden“ wabern durch die Arena – so macht sogar das neue Material Spaß. Im Folgenden wechseln RAMMSTEIN recht konsequent zwischen alt und neu. Dass „Tattoo“ und „Zeig dich“ nicht die Wucht eines „Links 2-3-4“, die Tiefe von „Sehnsucht“ oder die Epik von „Mein Herz brennt“ mitbringen, spiegelt sich dabei nicht zuletzt in den hier doch deutlich verhalteneren Zuschauerreaktionen wider.

Während hinter der weltberühmten Dachkonstruktion des Olympiastadions die Sonne den Tag verloren gibt, setzen RAMMSTEIN zunächst vor allem auf Lichteffekte. Spektakulär ist die Bühnenkonstruktion im Industrieruinenlook ausgeleuchtet. Muss sie aber auch sein, damit die im weiten Rund des Stadions verteilten Fans etwas zu sehen haben. Leinwände gibt es nämlich quasi keine – nur auf einem verhältnismäßig kleinen LED-Schirm werden zwischenzeitlich Live-Aufnahmen eingeblendet.

Nahezu perfekt spielen RAMMSTEIN genau damit, als sie in Puppe Live-Bilder aus einer Kopfkamera von Till mit Videosequenzen mischen – und dazu vom Konfettiregen bis zum Pyro-Spektakel aus einem überdimensionalen Kinderwagen alle Register ziehen. Denn natürlich bleibt das Kernstück der RAMMSTEIN-Choreografie auch 2019 Feuer: Mal im Kleinen, wenn Till sich etwa in „Mein Herz brennt“ frisch und frei ein bengalisches Feuer an die Brust hält, mal im Großen, wenn RAMMSTEIN sich in „Mein Teil“ in ihrer Gigantomanie selbst perseflieren und sich in drei Schritten vom Handflammenwerfer zum Flammenwerferwagen hocharbeiten, mit dem Flake im entsprehenden Anzug in einem Meer aus Feuer regelrecht gebadet wird. Oder, wenn RAMMSTEIN zu „Sonne“ schließlich aus allen Rohren schießen und man von Hitzewellen gebeutelt das Gefühl bekommt, das halbe Stadion stünde in Flammen.

Und doch kann zumindest der langjährige Belgeiter der Band eine gewisse Inspirationslosigkeit beobachten: Außer dem Puppenwagen haben RAMMSTEIN diesmal keine neuen Effekte im Programm – sieht man von einer völlig verzichtbaren Rave-Einlage ab, bei der „DJ“ Richard Z. Kruspe im weißen Bademantel von einer Kanzel mit seinem „Deutschland“-Remix spielt, während Teile der Band in mit LED-Streifen beklebten Anzügen in einer mäßg gelungenen Choregorafie über die Bühne hampeln. Der neuen Bühnenkonstruktion geschuldet fehlt sogar ein Effekt-Klassiker: Tills Feuerflügel bei „Engel“.

Statt auf Gigantomanie setzen RAMMSTEIN ausgerechnet hier auf Minimalismus – und können auch damit punkten: Für „Engel“ und „Ohne Dich“ wechseln die sechs Berliner auf die kleine Bühne im Publikum. Nicht nur das Duo Jatekok wird als Begleitung hier noch einmal Teil der Show, sondern auch das Publikum: Aktiv wird per Videoeinspieler darum gebeten, die Lampen an den Smartphones anzuschalten – und wo die hochgehaltenen Geräte sonst nur stören, erzeugen die zigtausenden Lichter im weiten Rund des Stadions fraglos eine grandiose Kulisse für die beiden Balladen. Zu „Seemann“, instrumental vom Duo Jatekok gespielt, geht es dann den altbewährten Weg via Schlauchboot zurück auf die Bühne, wo RAMMSTEIN nach dem auch live wenig überzeugenden „Ausländer“ mit „Pussy“ (inklusive Penis-Schaumkanone), „Rammstein“ und „Ich will“ ein bombenstarkes Finale abliefern.

  1. Was ich liebe
  2. Links 2-3-4
  3. Tattoo
  4. Sehnsucht
  5. Zeig dich
  6. Mein Herz brennt
  7. Puppe
  8. Heirate mich
  9. Diamant
  10. Deutschland (Rmx by Richard Z. Kruspe)
  11. Deutschland
  12. Radio
  13. Mein Teil
  14. Du hast
  15. Sonne
  16. Engel (mit Duo Jatekok)
  17. Ohne dich (mit Duo Jatekok)
    — Seemann (Piano-Version von Duo Jatekok)
  18. Ausländer
  19. Du riechst so gut
  20. Pussy
  21. Rammstein
  22. Ich will

Spätestens, als RAMMSTEIN nach kurzer Verabschiedung in einem Aufzug gen Himmel fahren und (so suggeriert es zumindest die Leinwand) explodieren, ist im spektakulären Stadion-Setting deutlicher denn je zuvor klar: RAMMSTEIN sind die größte Band der Welt. Oder, um es mit den bescheidenen Worten von Till Lindemann in dessen tatsächlich einziger Ansage an diesem Abend – kurz vor dem mittlerweile obligatorischen Kniefall der Band zum Ende der Show – zu sagen: „Danke, danke, danke. Einfach nur geil. Vielen Dank.“

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