Konzertbericht: Vulture Industries w/ Foscor, Fortnight Circus

09.10.2017 München, Backstage (Club)

Es ist ein feuchtkalter Montagabend im Oktober, das ganze Areal des Backstage München liegt wie verlassen da. Das ganze? Nein. Der von einer Hand voll unbeugsamen Fans bevölkerte Club leistet der Tristesse Widerstand …

So ließe sich das Szenario beschreiben, das sich dem Betrachter am heutigen Abend bietet. Die Faktoren „Montag“, „München“ und „Nischenmusik“ haben wieder voll zugeschlagen, so dass das an sich reizvolle Tourpackage aus VULTURE INDUSTRIES und FOSCOR heute vollends unterzugehen droht.

Vor die internationalen Bands haben die Götter jedoch den „Local Support“ gestellt, und das sind heute FORTNIGHT CIRCUS. Diese dürften bei einer Bandprobe für den Freundeskreis schon mehr Zuschauer gehabt haben, als das nun hier der Fall ist: Mitglieder der anderen Bands eingeschlossen, verteilen sich 15 Personen im Raum des Clubs, der so wie ein Ballsaal wirkt. Die Enttäuschung lassen sich FORTNIGHT CIRCUS jedoch nicht anmerken: Unbeirrt bieten sie dem etwas verständnislosen Publikum ihren modernen Crossover mit fetten Samples, Metal-affinen Riffs und Gesang zwischen Hiphop und Radio-Pop. Dass die Band von der Optik her an Tokyo Hotel erinnert, rundet das schräge Bild, das FORTNIGHT CIRCUS abgeben, ab. Wenn die Truppe ihr Ding auch souverän durchzieht – zu den beiden eher avantgardistisch-schwarzmetallenen Hauptbands passt der Sound nicht im Geringsten. Das Publikum, allen voran Vulture-Industries-Sänger Bjørnar Nilsen am Merch-Tisch, lässt FORTNIGHT CIRCUS trotzdem nicht auflaufen und spendet nicht nur Applaus, sondern macht am Ende des halbstündigen Sets sogar beim in diesem Setting gewagten Mitsing-Spiel mit. Da sage noch einer, Metalheads wären nicht tolerant …

Weiter geht es nach kurzer Umbaupause mit FOSCOR – weniger skurril wird es dadurch nicht automatisch: Als Bühnendeko fungieren hier zwei mit weißen Leintüchern überworfene Mikrophonständer, das Outfit der Musiker reicht von true (in Lederweste) bis hipsteresk (Jeans und locker fallende Stoffkuttenjacke) und Fronter Fiar wirkt mit beschwörender Gestik und irrem Blick mitunter wie in Trance. Lässt man sich jedoch auf die Musik der Katalanen ein, bietet diese einen überwiegend spannenden Mix aus Dark und Black Metal. Zu überzeugen wissen dabei vor allem der Groove im Drumming und Fiars mystisch-klare Stimme, die der Musik eine packende Atmosphäre verleiht. Entsprechend gut kommt die Band aus Barcelona beim mittlerweile auf 25 Leute angewachsenen Publikum an und erntet für die Umstände ordentlich Applaus. Von ihrer ersten München-Show dürften sich FOSCOR zumindest kurz vor der Show weniger erwartet haben. Dankbar legen sie mit „Les Irreals Visions“ noch einen Song drauf und kommen so zur Freude der anwesenden Fans am Ende auf zehn Songs und somit stolze 50 Minuten Spielzeit.

  1. Instants
  2. Ciutat Tràgica
  3. Senescencia
  4. Altars
  5. Encenalls De Mort
  6. Malfiança
  7. Graceful Pandora
  8. Espectres Al Cau
  9. De Marges I Matinades
  10. Les Irreals visions

Kurz nach 22:00 ist es schließlich Zeit für den Headliner VULTURE INDUSTRIES – auch wenn es im Publikumsraum immer noch aussieht, als wäre es fünf Uhr nachmittags: Mehr als 30 Gäste sind es nicht geworden. Diese wandern jetzt jedoch zumindest geschlossen in den Bereich vor der Bühne und liefern in den folgenden 70 Minuten eine mindestens ebenso starke Leistung wie die fünf Herren auf der Bühne.

Zunächst sorgt jedoch das defekte In-Ear-Monitoring-System von Bassist Kyrre Teigen für einen echten Spinal-Tap-Moment: Ganze drei Songs lang hängt ihm der Soundtechniker beim verzweifelten Versuch, den Empfänger zu aktivieren, an der Hose. Doch wer VULTURE INDUSTRIES (und allen voran Sänger Bjørnar Nilsen) kennt, weiß, dass das nicht die einzige heitere Szene des Abends bleiben wird. Und in der Tat: Mal stellt sich Bjørnar auf zwei aus dem Backstage-Bereich gezerrte Getränkekisten (die natürlich nicht zueinander passen, abrutschen und Bjørnars Schutzengel so einiges abverlangen, um ihn vor einem verstauchten Knöchel oder Schlimmerem zu bewahren). Mal stellt sich der Fronter (nicht minder halsbrecherisch) auf eine Balustrade. Dann läuft er wieder wie wild durch das Publikum, kriecht zwischen den Beinen seines Gitarristen durch oder erheitert das Publikum durch seine amüsanten Ansagen.

Die Musik kommt dabei aber auch nie zu kurz: Bei astreinem Sound bieten VULTURE INDUSTRIES ein vielseitiges Set, das vom ersten bis zum aktuellen Album die ganze Diskographie der Band repräsentiert. Die neuen, auf Platte eher rockig produzierten Nummern fallen in der Live-Umsetzung deutlich härter aus – der Atmosphäre der Show ist das jedoch nur dienlich, da die stilistischen Unterschiede zwischen altem und neuem Material so weniger ins Gewicht fallen.

Spätestens, als Bjørnar beim finalen „Blood Don’t Eliogabalus“ mit dem Publikum einen entspannten Circlepit startet, der eher einer Polonaise ohne Anfassen gleicht, steht allen – Musikern wie Fans – die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: Nach dieser schweißtreibenden Gemeinschaftsleistung muss niemand enttäuscht oder frustriert nach Hause gehen.

  1. Tales Of Woe
  2. Strangers
  3. The Pulse Of Bliss
  4. The Tower
  5. The Hound
  6. As The World Burns
  7. Lost Among Liars
  8. A Path Of Infamy
  9. The Bolted Door
  10. Blood Don’t Eliogabalus

Am Ende steht trotz schlechter Vorzeichen ein Konzertabend zu Protokoll, nach dem alle Beteiligten einen Grund haben, stolz zu sein: FORTNIGHT CIRCUS auf ihre Tapferkeit. FOSCOR auf eine gute Darbietung. Und VULTURE INDUSTRIES mitsamt ihrem Publikum auf die ausgelassene Stimmung, an einem Montagabend, der auch trist und frustrierend hätte ausgehen können. An solchen Shows zeigt sich der wahre Charakter einer Band: VULTURE INDUSTRIES haben sich der Herausforderung gestellt und die Situation angekommen. Auf die Fans, die heute dabei waren, können sich die Norweger dafür beim nächsten Mal zu 100 Prozent verlassen.

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