2010

Review Blind Guardian – At The Edge Of Time

Tatsächlich – seit dem Output des Vorgängers „A Twist In The Myth“ sind doch wirklich schon wieder vier Jahre vergangen. Die Wartezeit auf den Vorgänger kam mir länger vor, ich schiebe das jetzt mal darauf, dass die angesprochene Platte eine hervorragende Langzeitwirkung hatte. Umso schöner, dass aus Deutschlands symphonicmetallischster Stadt Krefeld neues Material kommt. Einzelne Songfragmente geisterten schon seit einiger Zeit durch das Internet, auch die erste reguläre Singleauskopplung kam vor Monatsfrist in den Handel. Der echte Hardliner wartete natürlich bis zum 30. Juli, ehe er sich die ersten Takte zu Gemüte führte, dann aber gleich in den Genuss der vollen 63 Minuten kam. Natürlich ließ es sich nicht vermeiden, dass die eine oder andere Meinung unterschiedlichster Art und Weise aufgeschnappt wurde, trotzdem bilde ich mir ein, insgesamt vollkommen objektiv an die Sache herangehen zu können.

Ich muss schon zugeben: gering war die Vorfreude nicht, als ich den Laden verließ und die Scheibe sogleich im Autoradio platzierte. Interessant ist schon mal der Anfang; BLIND GUARDIAN hatten ja schon immer ein Faible für sehr orchestrale Momente, aber der Opener erinnert gleich mal schwer an die Expo-Platte der Veteranen The Scorpions: ein reiner Orchesterpart, zu dem sich bald die Band gesellt und eine Art langes Intro im ersten langen Song spielt. Überhaupt hat man sich diesmal weitgehend von kompakten Nummern verabschiedet, lediglich „Ride Into Obsession“ und „War Of The Thrones“ bleiben ganz knapp unter der 5-Minuten-Marke. Lassen sich hier etwa schon Rückschlüsse ziehen? Jein! Zum einen wecken derartige Songstrukturen zunächst einmal den Verdacht, dass es sich um unzugängliches Material handeln könnte, dem man aber genauso gut eine gesteigerte Langzeitwirkung, die ja schon den Vorgänger auszeichnete, unterstellen kann. Nach einigen Durchläufen gewinne ich mehr und mehr den Eindruck, als ob Hansi und Co. mal wieder der richtig große Wurf gelungen wäre. Denn gleich zu Beginn gibt es einige Nummern, die sich sofort im Ohr festsetzen („Tanelorn“ und „Control The Divine“), andere Lieder entwickeln sich erst mit der Zeit, zeigen dafür aber ihre ganze Pracht.

So eine Beschreibung habt Ihr schon öfter gehört? Stimmt, unter dem Strich erinnert einiges an das Überalbum „Nightfall In Middle-Earth“, sogar einige Riffs oder ganze Passagen hätten schon vor über zehn Jahren auf einem Album stehen können. Bestes Beispiel dafür ist das angesprochene „Tanelorn“. Möglicherweise haben Neufans damit einige Schwierigkeiten, für die alten Hasen unter den Hörern könnte der Song mit seiner relativen Schlicht- und Erhabenheit aber ein Highlight der Platte darstellen. Andere Songs, wie beispielsweise „Valkyries“, bilden da einen schönen Kontrast: eher schwer zugängliche Parts, progressivere Instrumentalarbeit, aber immer die typische BLIND-GUARDIAN-Stimmung mit mächtig Pathos, viel Chor und insgesamt dichten, stimmigen Arrangements.
Überhaupt stehen die Chöre neben dem gesteigerten Orchesteranteil ganz klar im Mittelpunkt. Gut, auch das ist man aus der Vergangenheit ziemlich gewöhnt, aber ich werde den Eindruck nicht los, dass man es diesmal noch ein Stück weiter in Richtung Perfektion getrieben hat. Wo soll das denn noch hinführen, fragt man sich verzückt.

Suchen wir ein wenig nach dem Haar in der Suppe? Ok, mal sehen, ob es da was gibt…die Songs: definitv nicht, das Songwriting ist – wie gesagt beinahe – noch ein Level höher als die bisherigen Bestleistungen. Die Instrumental- bzw. Vocalbemühungen: ebenfalls keineswegs, aber auch das ist ja nichts Neues, da sind einfach Burschen am Werk, die sich voll und ganz auf ihr Handwerk verstehen. Das Artwork: auch nicht, Fantasy-Metal erlaubt ja fast alles und bei BLIND GUARDIAN erinnere mich eigentlich nur beim Erstling „Battalions Of Fear“ und „A Night At The Opera“ an Fehlgriffe. Hier erinnert mich das Cover zwar ein wenig an die Fernsehserie Stargate, aber insgesamt ist alles im Rahmen. Die Produktion: am ehesten vielleicht noch hier, wobei ich das abschließend kaum beurteilen kann, habe ich mir doch den Genuss gegönnt und „At The Edge Of Time“ bislang nur über Kopfhörer gehört. Da ist allerdings alles glasklar, man hört alle Instrumente und auch die verzwickten Klassikpassagen hat man ausgesprochen gut hinbekommen.

Das einzige, was man vielleicht bemängeln könnte, ist, dass ich mich ernsthaft frage, wie das nächste Album werden soll. Besser geht es doch schon fast nicht mehr. Meine Güte, ich glaube, ich habe in den nächsten Monaten gar keine Lust, irgendetwas anderes zu hören! Aber trotzdem möchte ich der Band noch eines mit auf den Weg geben: die Höchstwertung bleibt nur aus dem Grund aus, damit es für die nächste Platte noch Steigerungsmöglichkeit gibt. KAUFT DIESE CD! ALLE!

Wertung: 9.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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