Review Entwine – Painstained

Denkt man an Finnland, fällt einem zunächst melancholische Musik ein. Melancholische Musik führt einen unweigerlich weiter zu Sentenced. Da es Sentenced seit einigen Jahren nur noch im Backkatalog gibt, ist man mit dieser Gedankenreise prinzipiell am Ende angekommen. „Halt!“, schreit hier der Fachmann und der Laie schließt sich gerne an, denn dem langsam verebbenden Fahrwasser der Mannen vom Polarkreis entsteigen immer mehr Bands, die nicht nur Musik spielen können, sondern allmählich auch die verdiente Aufmerksamkeit erhalten.

ENTWINE sind allerdings selber ein wenig Schuld, dass es damit etwas verzögert vor sich geht. Mit dem 2002er Hammeralbum „Time Of Despair“ war passenderweise mit dem dritten Album der Band der Grundstein für eine schöne Karriere gelegt, die im Info zurecht als kommerzialisiert-amerikanische-elektro-Veröffentlichung bezeichnete Nachfolgeplatte „DIEversity“ bremste den Fünfer aus Lahti leider erst mal etwas aus. Zum Glück besann man sich eines besseren, nahm „Fatal Design“ auf und landete schließlich wieder in der alten Spur, welche ENTWINE im Jahre 2009 melodischer und melancholischer denn je präsentiert. Erstaunlich finde ich gleich beim ersten Hören den Aufbau von „Painstained“; wie man es von vielen anderen Bands kennt, wartet der Opener gleich mal mit einem ordentlichen Blast-Beat auf, dem folgt die in meinen Ohren recht belanglose Radio-Single „Strife“, um danach zwei absolute Glanzlichter zu setzen. Sowohl „Dying Moan“ als auch „Beautifully Confined“ zeigen eindrucksvoll, wozu die Herren um Mika Tauriainen fähig sind, schöne, unglaublich eingängige Strukturen sorgen in Rekordtempo für Wohlfühlmetal vom Feinsten. Auch wenn gerade zweitgenanntes zumindest in Richtung Halbballade geht, kann man es als solche nicht werten. Präziser kann man auf der gesamten CD kein Lied mit diesem Attribut versehen, was einerseits zwar bemerkenswert für eine finnische Band ist, andererseits aber ausnahmsweise überhaupt nicht (negativ) auffällt. Insgesamt tragen einfach alle Songs eine gewisse Schwere in sich, erfreulicherweise driftet man aber nicht in Kitsch und Klischees ab, sondern hält übertriebenen Pessimismus genauso raus aus den Liedern wie diese Tränensusigkeit, die vielen anderen Bands ähnlicher Spielart so häufig auf dem Weg zu höheren Zielen als dem gotischen Eigenbrötler in der von dezentem Kerzenschein und von Patchouli-Rotwein-geschwängerten Luft erfüllten Kammer zum Verhängnis wird. Dafür wird die Rock`n`Roll-Attitüde groß geschrieben, teilweise rocken die Songs (Greed Of Mankind!!!) ganz einfach, Punkt.

Wirklich negativ fällt wenig ins Gewicht, bei Platten mit durchgehend hohem Niveau wird ja gerne mal bemängelt, dass es keine Ausreißer noch oben gibt. Hier verhält es sich ein wenig anders und diesen Umstand zu beschreiben, macht es für mich etwas zwiespältig. Mir kommt es eben genauso vor, dass es ein Niveau gibt, aus dem zum Beispiel die genannten Songs hervorstechen, irgendwie werde ich aber das Gefühl nicht los, dass sich doch die eine oder andere Durchschnittsnummer eingeschlichen hat. Ich will es mal so formulieren: Alben, die von vorne bis hinten super sind und dann auch noch drei, vier Hits parat halten, die will man erst mal gar nicht mehr aus dem Player lassen. „Painstained“ gestattet da schon die eine oder andere Pause und ohne ENTWINE da jetzt einen Strick draus drehen zu wollen, ist dies ein etwas mehr als nur ein vages Indiz, dass es doch noch einen Tacken besser geht. Zufrieden darf man aber auf jeden Fall sein, wenn die am Ende ihrer Schaffenszeit leider immer mehr der Unkreativität verfallen Sentenced so ein Album abgeliefert hätten, wären sicher alle froh gewesen. Reinhören schadet ohnehin nicht, bei der Überlegung bezüglich einer käuflichen Anschaffung sollte man bedenken, dass es wesentlich schlechtere Alternativen gibt.

Wertung: 8 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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