Review Equilibrium – Renegades

Man kann den bayerischen Metallern EQUILIBRIUM sicher eine ganze Menge nachsagen: Kommerziellen, mainstream-orientierten Spaß-Metal etwa, der simpel genug gehalten ist, um bloß keinen Zuhörer zu überfordern. Nicht nachsagen kann man ihnen indes, dass sie musikalisch nie über den Tellerrand geblickt hätten. Ursprünglich mit dem Debütalbum „Turis Fratyr“ aus dem Pagan-Folk-Metal kommend, brachten die seither beinahe 15 vergangenen Jahre der Band nicht nur hinsichtlich der Besetzung, sondern eben auch musikalisch die eine oder andere Veränderung ein. Diese gingen jedoch nie so weit, dass EQUILIBRIUM nach einer vollständig anderen Band geklungen hätten. Während etwa das 2016er-Album „Armageddon“ mit dem Pagan Metal vergangener Zeiten nur noch wenig zu tun hat und doch als typisches Album der Band erkennbar ist, steht mit „Renegades“ ein erneuter, dieses Mal radikaler Stilbruch an.

Somit gerät das Album ins Spannungsfeld der im Metal vielfach diskutierten Thematik der Veränderung. Während sich eine Band bei der konsequenten Aufrechterhaltung eines Stils den Vorwurf mangelnder Innovation gefallen lassen muss, gehen bei einem Stilwechsel diejenigen auf die Barrikaden, die darin nicht mehr „ihre“ Band erkennen können. Mit ihrer neuen Platte nehmen EQUILIBRIUM unverhohlen letztgenanntes Risiko auf sich. Anstelle eingängigen Folk-Metals mit hie und da noch herauszuhörenden Pagan-Anleihen gibt es auf „Renegades“ eine recht bizarre Mixtur, die sich wohl am ehesten als Alternative Metal mit Melodic-Death-Einschlag und gelegentlich eingestreutem Alibi-Folk bezeichnen lässt. Und um es vorweg zu nehmen: Gelungen ist dieser Paradigmenwechsel mitnichten. Sicher, im Kontext der bisherigen Diskographie mag die Musik auf „Renegades“ neuartig klingen, insgesamt fällt sie aber enttäuschend nichtssagend aus. So sorgt gleich der Opener „Renegades – A Lost Generation“ nicht nur bezüglich des veränderten Klangs, sondern auch hinsichtlich der lieblos-konventionellen 0815-Alternative-Rock-Riffs für Stirnrunzeln. Gewisse Assoziationen zu (wohlgemerkt modernen) In Flames stellen sich unweigerlich ein, welche im Folgenden durch den metalcoreartigen Clean-Refrain von „Tornado“ gleich verfestigt werden, der in der Tat eine nicht verwendete Aufnahme von „I, The Mask“ sein könnte.

Wirklich besser wird es im Laufe des Albums nur ganz selten. An der einen oder anderen Stelle merkt man doch, dass EQUILIBRIUM ihre bisherige Zuhörerschaft nicht ganz vergraulen wollten. Doch selbst bei den wenigen Songs, die mit etwas gutem Willen als typische EQUILIBRIUM-Nummern zumindest von „Erdentempel“ oder eben „Armageddon“ stammen könnten, beispielsweise „Himmel und Feuer“, ist man höhere Qualität gewohnt. Und auch wenn es zu den geringeren Problemen der Platte zählt: Wer auch immer EQUILIBRIUM davon überzeugen konnte, dass es eine gute Idee wäre, den The-Hooters-Klassiker „Johnny B“ zu covern, hatte ganz offenkundig den Schalk im Nacken.

Charakterlose Alternative-Metal-Gitarren, Metalcore-Pop-Refrains und sogar Rap von The Butcher Sisters: EQUILIBRIUM vollziehen ihren stilistischen Wandel nicht etwa authentisch und nachvollziehbar, sie wollen ihn mit der Brechstange herbeiführen und schrecken dazu vor keinem noch so unpassenden Element zurück – entsprechend geht das Vorhaben vollkommen nach hinten los. Veränderung ist eben dann gut, wenn sie sich als logische Konsequenz aus dem angestammten Sound einer Band heraus entwickelt, Veränderung einfach nur um der Veränderung Willen ist dagegen nichts Erstrebenswertes. So bleibt unter dem Bilanzstrich festzuhalten, dass „Renegades“ das musikalisch untypischste, mit sehr großem Abstand aber auch schwächste Album in der zuvor qualitativ durchgehend hochwertigen Diskographie der Band ist.

Wertung: 3 / 10

Publiziert am von Pascal Weber

3 Kommentare zu “Equilibrium – Renegades

  1. Hallo Alex!

    Zunächst einmal vielen Dank für den konstruktiven Kommentar. Und du hast in gewisser Weise schon Recht, die von dir genannten Aspekte sind wirklich die wesentlichen Veränderungen. Allerdings werden eben diese Aspekte aus meiner Sicht so auf die Spitze getrieben und auf so breiter Front umgesetzt, dass es für mich wirklich wie eine komplett andere Band klingt – und das nicht im positiven Sinn. Am Stilwandel an und für sich liegt es im Übrigen gar nicht mal unbedingt. Persönlich bin ich im Modern-/Alternative Metal, und genau danach klingt „Renegades“ für mich am ehesten, nicht unbedingt fest verwurzelt, habe aber auch keine generelle Abneigung dagegen. Zu Equilibrium passt die Art von Musik, die sie auf dem Album zelebrieren, für mich aber überhaupt nicht.

    Auch der erhöhte Anteil an Clean-Vocals müsste nichts Schlechtes sein, doch auch hier scheitert es für mich eher am „wie“ als am „was“. Soweit ich informiert bin, kommt der Klargesang ja von einem der neuen Bandmitglieder und mir sagen die Vocals überhaupt nicht zu. Da fand ich Robse Dahns vergleichsweise selten eingesetzte Clean-Vocals auf „Erdentempel“ oder „Armageddon“ wesentlich ausdrucksstärker und weniger „glattgebügelt“.

  2. Ich kann die Einschätzung zwar nachvollziehen, aber nicht teilen.
    Verändert haben sich eigentlich nur zwei Dinge:
    1) Synths: Statt in die Klischee-Pagan Truhe greift man jetzt in die Klischee-Modern-Metal Kiste. Die Melodiebögen sind weiterhin typisch Equilibrium, wenn man mal genau hinhört.
    2) Klargesang
    Im Grunde machen Equilibrium auf Renegades nichts anderes als auf Armageddon, nur eben im modernen Gewand und mit Klargesang. Armageddon war bereits so dermaßen eingängig, dass ich es durchaus als logischen Schritt empfinde, zum catchy Songwriting catchy Vocals hinzuzufügen. Ich empfinde die Platte noch um ein Vielfaches interessanter und abwechslungsreicher als die (ebenfalls starken) letzten beiden.
    Wie gesagt, nachvollziehen kann ich das Review , und ich sollte anmerken, dass ich durchaus auch etwas mit Bands wie Amaranthe anfangen kann. Nette Unterhaltung für den Alltag. Wem sowas nicht gefällt, wird (natürlich) auch keinen Spaß an Renegades haben.

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