Review In Extremo – Sterneneisen live – Laut sind wir und nicht die leisen (DVD)

Nein, wirklich überraschend kam die Ankündigung der neuen IN EXTREMO-Live-CD/DVD mit dem ausführlichen Titel „Sterneneisen live – Laut sind wir und nicht die leisen“ nicht. So ist es beim erfolgreichsten Mittelalter/Folk/Metal-Projekt Deutschlands mittlerweile Usus geworden, nach einem neuen Studiowerk und der dazugehörigen Tour eine Live-Erinnerung in audiovisueller Form auf den Markt zu bringen. Die vereinzelten Aufschreie in Richtung „Kommerz“ ignorieren Micha und Co. dabei gekonnt, da besonders die für Folkverhältnisse opulente Bühnenshow bei InEx immer wieder für Überraschungen im Live-Programm sorgen. Dennoch erreicht die aktuelle Veröffentlichung nicht die Qualität vorangegangener DVDs wie „Am Goldenen Rhein“.

Im direkten Vergleich, aber auch allein für sich betrachtet, ist die Bildqualität der „Sterneneisen“-Liveproduktion nicht überzeugend. Besonders die Nahaufnahmen der weniger gut ausgeleuchteten Musiker wie Die Lutter geraten extrem pixelig und grob. Entsprechend wenig eindrucksvoll wirkt das teils virtuose Instrumentenspiel der einzelnen Musiker an Dudelsack, Harfe und anderen Melodieinstrumenten, da zu wenige Details zu sehen und die Schnitte bzw. Blickwinkel unglücklich gewählt sind.
Als großes Plus verbucht die DVD hingegen die Audio-Qualität: In den Münsteraner „Principal Studios“ wurden die Möglichkeiten von Stereo und 5.1-Surround-Sound ausgereizt. Verantwortlich dafür zeigten sich Vincent Sorg und Jörg Umbreit. Eben jene Qualität legt allerdings auch schonungslos offen, dass IN EXTREMO am 21. April 2011 im Siegerland noch alles andere als eingespielt sind: Die Spiel- und Timingfehler sind zahlreich und manchmal sogar störend („Küss Mich“, „Spielmannsfluch“). Dazu wirkt die Abstimmung  extrem ausbaufähig: Ein Grund dafür dürfte der bandinterne Wechsel am Schlagzeug sein, da Specki T.D. zwar zu den besten seiner Zunft zählt, aber bis zur DVD-Aufnahme nicht ausreichend Zeit hatte, um sich live auf seine neuen Kollegen einzustimmen. Diese schlagen vom Grundtenor her eine deutlich härtere Gangart an als seine vorherige Band, die Letzte Instanz. Dementsprechend wenig grooven IN EXTREMO mangels eingepieltem Taktgeber als Kollektiv und besonders auf der Live-CD wird dies fernab der Soloparts überdeutlich.

Hinzu kommt, dass manche Songs vom aktuellen Album „Sterneneisen“ auch im Live-Gewand nicht überzeugen, allen voran „Hol Dir Die Sterne“ und „Unsichtbar“. Stücke wie „Viva La Vida“ und „Gold“ funktionieren in leicht rougheren Versionen hingegen deutlich besser als im Studio, da die banalen Textinhalte speziell im DVD-Part erfolgreich in den Hintergrund gerückt werden und das Publikum gerade bei diesen Songs in extremer Feierlaune ist. Hinzu kommen sehr schön getimte Pyroeffekte wie bei „Gold“, die besonders die DVD extrem aufwerten.
Klassiker wie „Herr Mannelig“, „Spielmannsfluch“ und „Liam“ gibt es bereits in sehr überzeugenden Livevarianten und demnach profitiert die „Sterneneisen“-Produktion von erprobten Umsetzungen jener Songs, untermalt von einer Menge Bühnenshow. Für InEx-Fans früherer Jahre ist dies hingegen weder eine Neuigkeit noch ein triftiger Kaufgrund.
So lenken Feuersäulen und kleinere Flammenbilder im hinteren Bühnenbereich auch gekonnt davon ab, dass Micha stimmlich in Erfurt nicht seinen besten Tag erwischt und beispielsweise Specki beim getrommelten Intro von „Zigeunerskat“ mit erhobenen Drumsticks an seinem Instrument steht.

Dennoch: „Sterneneisen Live“ wird garantiert seine Abnehmer finden, genau wie seine zahlreichen Vorgänger. Allerdings ist die Live-DVD/CD für IN EXTREMO kein Referenzmaterial. Insgesamt festigt sich besonders bei mehrmaligen Durchläufen der Eindruck, dass die Szeneveteranen hier einfach termingerecht eine weitere Veröffentlichung unter die Leute bringen wollten, weil es eben so auf ihrer Agenda stand. Die exzellente Audioqualität, die Songauswahl sowie die erprobten Livequalitäten der Band retten die Produktion objektiv betrachtet allerdings vor einer niedrigeren Wertung. Im Gegenteil: Durch den Einfluss alter Stärken und älterer Stücke hinterlässt das „Sterneneisen“ live sogar einen etwas besseren Eindruck. Mit einer entsprechenden Bildqualität und besseren Inszenierung wäre letztlich aber deutlich mehr möglich gewesen. So bleibt „Am Goldenen Rhein“ die Nummer 1 bei IN EXTREMO-Liveveröffentlichungen.

Wertung: 6 / 10

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