Review Lycosia – ApokaLipstik

Wenn man eine Review schon mit dem Artwork beginnt, muss es sich da um ein wirklich Besonderes handeln. Entweder besonders gut oder LYCOSIA möchte ich hier meinen. Sicherlich haben sich die Jungs aus Paris „Glam-Goth-Deluxe“ auf ihre Fahnen geschrieben und wie ich annehme, geht es in diesem Metier durchaus farbenfroh zur Sache. Aber eine Mischung aus rosa und grün, die das Frontcover ziert und dabei einen Atompilz sowie eine sich schminkende Frau abbildet, muss nun wirklich nicht sein. Die Krönung ist jedoch der als Rakete aufgepeppte Lippenstift auf der Rückseite. In diesem Fall bin ich wirklich froh, nur einen Pappschuber erhalten zu haben und nicht das gesamte Artwork beurteilen zu müssen.

Entsprechend skeptisch näherte ich mich diesem, inzwischen vierten, Album in zehn Jahren Bandgeschichte der Pariser Combo an. Mit der Zeit ist zumindest ein bisschen der Skepsis der Erkenntnis gewichen, dass französischer Gothic, auch wenn er mit ordentlich „Glam“ daher kommt, nicht unbedingt schlecht sein muss. Dies zeigt sich unter anderem beim Opener „Last Splash“ oder auch bei „Follow Me“, welche mich aus recht unerfindlichen Gründen an die großartige Finnen-Goth-Platte „Time Of Despair“ von Entwine erinnert, auch wenn auf der MySpace-Seite der Band eher Depeche Mode und Joy Division angegeben werden, was aber auch in Ordnung geht. Überhaupt könnten die Nordmänner den Kollegen aus der Baguette-Hochburg hier und da Pate gestanden haben. Auch andere (Genre-)Größen schimmern hier und da durch, so gibt es bei „Leftover“ ein kurzes Sample, welches AC/DC’s „Thunder“ nicht unähnlich ist.

Den Ausführungen mag man entnehmen, dass man dem Vierer vielleicht einiges vorwerfen mag, nicht aber, dass Abwechselung klein geschrieben würde. Neben Gothic, Glam und traditionellen Einflüssen begegnen dem Hörer im weiteren Verlauf noch Elemente aus Punk und Industrial. Vor allem Titel Nummer 6, „Kiss Me Hard“, hat einen starken Punkeinschlag, ist dabei aber ein Ohrwurm par excellence, auch wenn er, wie viele Stücke von „ApokaLipstik“ (dass der Name irgendwie idiotisch ist, sollte an dieser Stelle ruhig einmal erwähnt werden) nicht im ersten Augenblick zündet, sondern zunächst den einen oder anderen Durchlauf benötigt. Dies gilt im besonderen Maße für das an Marilyn Manson (soweit ich das beurteilen kann) erinnernde, industrialmäßig angehauchte „Say Fuck Yeah!“, in welchem merkwürdig verzerrte Stimmen und ebensolche Gitarren zum Einsatz kommen. „Light Years“ schlägt noch mal in eine ähnliche Kerbe und bleibt nach einer Weile ebenso im Ohr hängen wie „Ymhae Apaka“ (ich hoffe, dass ich den Titel halbwegs richtig wiedergegeben habe, hier wird nämlich kyrillische Schrift angeboten), in dem es auch tempomäßig mal ein bisschen zur Sache geht.

So weit so gut, und die Pluspunkte auf „ApokaLipstik“ wären genannt. Als klarer Minuspunkt muss jedoch durchgehen, dass, bei aller Abwechselung, die CD mitunter ziemlich am Hörer vorbeifließt. So fällt es schwer, auch nach häufigem Hören einzelne Songs identifizieren zu können. Auch wenn kein Song wie der andere klingt, regiert zu häufig die Langeweile und das Gefühl; irgendein Lied nach dessen Ende sofort wieder hören zu wollen, stellt sich praktisch gar nicht ein. Ich will die CD damit nicht schlechter machen, als sie ist, denn das ist sie nicht, aber ein bisschen mehr Prägnanz bei zumindest einzelnen Stücken hätte schon gut getan. Einige nette Ansätze sind durchaus vorhanden, aber das sollte man bei einer Band, die nunmehr seit zehn Jahren unterwegs ist und in der Zeit vier Platten aufgenommen hat, auch erwarten können. Fans der Band werden vermutlich recht blind zugreifen und das können sie auch, denn sie werden sicher das bekommen, was sie sich erhoffen, alle anderen sollten aber erst mal kräftig reinhören, ob ihnen LYCOSIA anno 2006 gut genug gefällt. Unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass hier nicht alles Silber ist, was glänzt, vom Gold ganz zu schweigen.

Wertung: 5.5 / 10

Publiziert am von Jan Müller

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