Interview mit Simon Füllemann von By Norse

Simon Füllemann ist gemeinsam mit Einar Selvik (Wardruna) und Ivar Bjørnson (Enslaved)  Mitbegründer von BY NORSE, einer Plattform für norwegische Kunst und Kultur. Darüber hinaus ist er CEO bei All Independent Service Alliance (AISA) und der Band-Beratungsagentur All Access Agency involviert. Im Interview klärt der gebürtige Schweizer, wie er all das auf die Beine gestellt hat – und welche Auswirkungen die Covid-19-Restriktionen auf das Musik-Business haben.

Könntest du kurz deinen beruflichen Werdegang umreißen?
Meine erste Firma, eine Kombination aus Label, Booking-Agency und Magazin, habe ich zusammen mit guten Freunden 1997 gegründet. Damals hatte ich jedoch weder Ahnung von Ökonomie noch die nötige Geduld, um ein Unternehmen zum Erfolg zu führen. Die Firma ging schnell bankrott. So landete ich als Projektmanager für Großprojekte bei Swisscom, dem Schweizer Pendant zur Deutschen Telekom, und studierte berufsbegleitend Betriebsökonomie, während ich meine Bands weiter vorantrieb. 2006 entschied ich mich, erneut den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Ich war da unter anderem bei Metal Blade Europe tätig. Meinen heutigen Geschäftspartner, Luis Alvarenga, lernte ich im 2013 in Norwegen kennen, wo wir beide bei Indie Recordings arbeiteten. Etwa gleichzeitig dazu führte ich die All Access Agency, ein Beratungsunternehmen, das Künstlern bei Fragen zu Eigentumsrechten (Intellectual Property) zur Seite stand. All Access Agency war quasi die Fortführung meiner Firma, die ich in 2006 gegründet hatte.

Wie ging es dann weiter zu AISAmusic?
Im Jahr 2014 stieg ich bei Indie Recordings aus, um mich auf All Access Agency zu konzentrieren. Ich erlebte damals hautnah, wie sich die digitale Welt auf PR, Vertrieb, Label und Management auswirkte. Man musste alte Strukturen hinter sich lassen und in Zukunft auf allen Ebenen geschickter arbeiten. Diversifikation und die digitale Welt waren unaufhaltbar in der Musikindustrie angekommen. Alles andere war für mich nicht mehr erfolgsversprechend. Ich wollte geistigem Eigentum ein neues Kostüm verleihen und die Dienstleistungen mit Distribution, Label Services, Management und D2C (Direct to Consumer) erweitern. Ich wollte Menschen, die ich mag und respektiere, einen Partner geben, der alles unter einem Dach vereint, transparent arbeitet und kein geistiges Eigentum besitzen möchte. Einen Partner, der zum Wachstum beiträgt und hilft, das Endergebnis für alle Parteien zu steigern. Daraus entstand im Jahr 2015 AISAmusic.

Und wann kam BY NORSE ins Spiel?
BY NORSE entstand 2016 aus der Idee heraus, Showcases und Veröffentlichungen nach unseren Wünschen und Vorstellungen umzusetzen. Wir fingen in London mit einer dreitägigen Veranstaltung an. Bands wie Wardruna, Enslaved, Skuggsjá und BardSpec waren dabei, aber auch eine Kunstausstellung mit unter anderem Gemälden von Gaahl. Die Veranstaltung war so erfolgreich, dass wir eine weitere in New York und Oslo organisierten. Zur gleichen Zeit wollte Ivar „Vikingligr Veldi“ von Enslaved auf Vinyl veröffentlichen, während Einar Selvik und ich drüber diskutierten, das nächste Wardruna-Album selbst zu veröffentlichen.

Viele Firmengründungen und Ideen. Hat alles funktioniert wie geplant?
Heute, fünf Jahre nach der Gründung, fühle ich mich sehr gut mit AISAmusic und seinem Wachstum. Der Hauptfokus ist, die angebotenen Dienstleistungen rund um das intellektuelle Eigentum unserer Kunden perfekt zu stricken. Qualität vor Quantität. Ich sage lieber neunmal „nein“ und einmal „ja“. Bei uns muss sich jeder auf das Projekt konzentrieren. Das Hier und Jetzt zählt. AISAmusic ist ausschließlich hier, um jeden Tag das Beste für seine Kunden zu tun. Wir haben zudem das Glück, großartige Kunden zu haben und mit diesen erfolgreich zusammenzuarbeiten. Daher wachsen wir – was heutzutage nicht einfach zu bewerkstelligen ist. Wie sich das nun in der heutigen Situation weiterentwickelt, werden wir sehen. Ich bin kein Hellseher, aber die Welt, unsere Welt, wird sich sicher sehr verändern und es wird alles länger dauern, als wir alle gehofft haben. Aber ich bleibe positiv!

© Janica Lönn

Wie sind die Aufgaben in den einzelnen Firmen verteilt? Was genau macht ihr für die Bands außer Promotion?
Ich bin Mitgründer und CEO von AISAmusic (Schweiz, USA und Norwegen) und BY NORSE. In beiden Firmen habe ich Partner. Ich bin hauptsächlich der Geschäftsleiter der Firmen und kümmere mich um die großen Projekte. Strategie, Ökonomie und Networking sind meine primären Stärken. AISA USA fokussiert sich hauptsächlich auf Vertrieb und D2C sowie das Management von US-amerikanischen Kunden. Norwegen kümmert sich hauptsächlich um unsere nordischen Bands und um die Wardruna-Produktion für die USA. Am Hauptsitz in der Schweiz kümmern wir uns um das Management der meisten Bands, den EU-D2C-Bereich und den EU-Vertrieb. Ich persönlich konzentriere mich auf Wardruna und Enslaved, meine zwei Mitarbeiterinnen in der Schweiz auf das Management anderer Bands, auf D2C und Distribution.
Zudem haben wir in Deutschland unsere eigene Merchandise-Abteilung unter AISAmerch.de, wo wir nicht nur Merchandise unserer Management-Kunden anbieten, sondern auch Merchandise anderer Labels und Bands, wie etwa von Eivør, Zeal & Ardor, Mayhem oder 1349. Bei den Labels sind wir europaweit für Logistik und Webshop spezialisiert. Profound Lore, eOne, Trascending Obscurity oder auch Edged Circle sind einige unsere Kunden. Und da kommt bald was Neues! Ich bin schon sehr aufgeregt!

© Uta Arnold

Bist du nicht auch Tourmanager von Wardruna?
Tourmanagement für Wardruna mache ich aus Liebe zur Band. Ich war von Ende 2015 bis Ende 2019 auch der Booking-Agent der Band, ich habe also alle Shows für Wardruna gebucht. Bei diesem Aufbau war es für mich sinnvoll, in allen Belangen involviert zu sein. So wusste ich immer, was mit welchen Mitteln möglich war und wo der Horizont ist.

Kann man so einfach den Tourmanager machen, mit Learning by Doing?
In der Musikbranche, vor allem im Indie-Bereich, sind viele einfach „reingerutscht“. Zum Beispiel, weil ein erfolgreiches Hobby zum Beruf wurde oder weil eine „Helping Hand“ zum Manager aufstieg. Es ist eine gesunde Mischung aus Leuten, die durch Learning by Doing den Beruf erlernt haben und solchen, die etwa Marketing oder Betriebsökonomie studiert haben. In meinem Fall lief es ähnlich. Ich bin schon sehr früh, etwa 1984, in diese Szene gekommen. Tape-Trading und Bass-/Gitarrespielen waren meine Hauptleidenschaft Mitte der 1980er. Da habe ich schon in die „DIY-Mechanismen“ der Industrie reinschauen können. Nebenbei habe ich von 1989 bis 2006 in verschiedenen Bands gespielt und dabei viel an Praxis gelernt – von Tourmanagement-Aufgaben über Merch verkaufen bis hin zu ganzen Strategien. Ich konnte dabei mit verschiedenen Partnern arbeiten und sehr viel lernen. Ich war in der glücklichen Lage, großartige Mentoren zu haben. Das ist sehr wichtig! Somit hatte ich eine gute Mischung aus Learning by Doing, Studium und Glück. Ich würde jedem empfehlen, die Chancen zu ergreifen, die sich bieten. Man lebt nur einmal – und Scheitern gehört dazu. Ich habe das mehr als einmal erlebt. Es stärkt den Charakter. (lacht)

© Janica Lönn

Kannst du dich erinnern, wann und wie du Wardruna das erste Mal live gesehen und wann du die Bandmitglieder kennengelernt hast?
Ich kenne Wardruna seit 2009, als ihr Debüt in meinen Augen schlichtweg die Welt verändert hat. Zum ersten mal live habe ich sie dann 2013 auf dem Inferno Switzerland Festival im Schloss Chillon in der Schweiz erlebt. Mit einem Alphornbläser! Das werde ich nie vergessen. Einar Selvik kannte ich bereits vorher durch meine Tätigkeit bei Indie Recordings, aber die Band habe ich erst an diesem Wochenende in der Schweiz näher kennengelernt.

Hättest du dir je träumen lassen, dass du eines Tages so eng mit ihnen zusammenarbeiten würdest?
Nachdem ich mit Einar Mitte 2012 angefangen hatte zu arbeiten, war mir relativ schnell klar, dass wir menschlich gut zusammenpassen. Wir hatten die gleichen Visionen und Ansichten. Aber dass es mal so weit kommt, das konnte sich niemand vorstellen. Es ist einfach ein Traum. Ich höre die Musik heute noch täglich und bin immer noch ihr größter Fan – in meinen Augen zumindest. (lacht) Ich arbeite tagtäglich mit der Band und bin froh, ein Teil des Teams zu sein und meinen Teil beigetragen zu haben.

Und wie ist es bei Enslaved?
Enslaved habe ich schon früh gekannt und respektiert, aber erst mit „Below The Lights“ 2003 lieben gelernt. 2011 bin ich mit ihnen persönlich in Kontakt gekommen, wobei Ivar Bjørnson und ich schnell auf gleicher Wellenlänge waren. Auch im Fall von Enslaved hätte ich es mir nicht erträumen lassen, mal so tief in einem Projekt, das ich so liebe, mitarbeiten zu dürfen. Es ist ebenfalls ein Traum, da diese Band ein Teil meines Lebens ist.

Zwischen Einar, Ivar und mir hat es von Anfang an geklickt. Ideen, Ziele und Visionen, einfach alles passte zusammen. Es war im Grunde genommen Magie. Wir sind ein gutes Team. Schlussendlich darf man einfach nur glücklich sein, wenn man machen darf und kann, was man liebt. Ich bin quasi Stratege von Beruf, aber es ist immens wichtig, im Hier und Jetzt zu leben. Das Jetzt bestimmt die Zukunft.

Das klingt nach enger Freundschaft. Bringt es auch Schwierigkeiten mit sich, wenn Privates und Geschäftliches so verschmelzen?
Das ist richtig, wir sind Freunde, über die Arbeit hinaus. Der gegenseitige Respekt und die Freundschaft sind uns sehr wichtig. Wir kommunizieren ja auch täglich miteinander. Wir trennen dabei jedoch strikt das Private und das Geschäftliche. Da gibt es kein Vermischen – darf es nicht! Freundschaft ist gut und kann helfen, aber meiner Erfahrung nach kann es oft zum Gegenteil führen: Sobald es geschäftlich richtig schwer wird, kann Freundschaft die Objektivität nehmen. Das wollen wir nicht. Das war für uns von Anfang an klar und wir haben vertraglich geregelt, was Geschäft ist und was nicht. Hier gibt es keinen Spielraum. Sollte es mal hart auf hart kommen, müssten die Anwälte eine Grundlage haben, zu entscheiden. Aber genau diese klare Linie in allen Belangen macht unsere Freundschaft so stark. Es gibt keinen Spielraum und keine Unsicherheiten. Ich musste diesbezüglich viel lernen und aufgrund solcher nicht gesetzter Regeln ging mein erstes Geschäft den Bach runter. Da habe ich alles verloren – das war mir eine Lehre.

Nehmt ihr nur Bands in den Firmen auf, die ihr euch quasi selbst aussucht und die in euer Konzept passen, oder kann sich im Prinzip jede Band bewerben?
Jede Band kann sich bewerben, aber sie muss ins Konzept von BY NORSE passen. Da sind wir sehr streng. Uns geht es nicht um Wachstum oder Umsatz um jeden Preis. Wir wollen Qualität und Alben releasen, die wir selbst super finden.

Wie ist eure Aufgabenverteilung innerhalb der Firma?
Die internen Aufgaben sind klar geregelt: Ich führe das Label, mache die ökonomische und strategische Planung der Firma. Ivar ist im Accounting tätig und Einar ist ganz klar der musikalische Treiber bei BY NORSE. Natürlich hat Ivar Einfluss und ich gebe Input und Anregungen, aber Einar ist klar künstlerisch federführend. Entscheidungen fällen wir zu dritt, wenn es aber knapp wird, lasse ich Einar freie Hand. Melanie ist unser Head of BY NORSE und regelt mit mir das Tagesgeschäft. Ohne sie ginge nichts. Sie ist ein großer Teil von BY NORSE und AISAmusic. Ich bin sehr dankbar, so tolle Menschen um mich zu haben.

Welche eurer derzeitigen Bands liegen euch besonders am Herzen?
Bei AISAmusic sind es klar Wardruna und Enslaved mit jeweils neuen, unglaublich guten Alben in den kommenden Monaten. Den besten Alben beider Bands in ihrer Karriere, wenn du mich fragst. Bei BY NORSE haben wir momentan drei weitere sehr gute Projekte am Start, auf die ich sehr stolz bin: Kalandra, Tvinna und noch ein Projekt, zu welchem ich noch nichts sagen darf, aber auf das ich mich sehr freue!

Zudem starten wir ein neues Produkt im aisamerch.de-Umfeld, auf das ich mich ebenfalls sehr freue. Das wird vielen Künstlern helfen, diese Zeit und auch ähnliche Situationen in der Zukunft besser zu meistern. Wie gesagt, es ist bei AISAmusic Philosophie, vernetzt zu denken und zu helfen, wo wir können. Es ist einfach, Geld zu spenden. Aber in meinen Augen ist es viel wichtiger, für seine Leute und Partner längerfristig zu denken.

Hast du selbst eine musikalische Ausbildung in irgendeiner Form? Oder beurteilst du die Musik quasi nur aus Fan-Sicht?
Ich habe lediglich in der Schule Musikunterricht gehabt. Somit kann ich nicht behaupten, ein ausgebildeter Musiker zu sein. Von Mitte der Achtziger an war es jeweils Learning by Doing – also tägliches stundenlanges Üben. Das Produzieren habe ich mir ebenfalls selbst angeeignet. In der Musikindustrie kann man nur rund 20 % selbst bestimmen – wenn überhaupt. Die restlichen 80% sind reines Glück. Ich habe mich darauf spezialisiert, die 20 % so professionell wie möglich zu gestalten, damit es die 80 % leichter haben. Wenn ich einen Künstler oder ein Album anhöre, denke ich – leider – sofort über das Potenzial nach. Früher war das einfacher. Heute, bei der Masse an Veröffentlichungen und Bands, ist das schwieriger. Grundsätzlich gehe ich aber nach dem „Wow-Effekt“: Es muss mich also ansprechen und berühren. Ich mag ehrliche Musik.

Welche Bands/Musiker waren die Helden deiner Kindheit?
Ganz klar: Zuerst war da ABBA. Dann kamen Slade, Slayer und Iron Maiden. Diese Bands haben mich sehr geprägt. Vom Musikgeschmack bis dazu, wie ich die Gitarre spielte.

Was muss ein gutes Album mit sich bringen, so dass du es dir auch privat kaufen würdest?
Das Gefühl! Ich muss es spüren. Es muss meiner Seele, meinem Geist, Herz und meinen Ohren zusagen. Ich bin ein Musik-Nerd und höre mir jeden Freitag Playlists der Neuheiten und neue Platten an. Am Wochenende und unter der Woche sind das etwa 15 bis 20 Stunden. Ich liebe das! Wie damals, als ich in den Plattenladen gelaufen bin, um mir das neueste Album auf Vinyl anzuhören, bevor ich es dann gekauft habe.

Welches war das letzte Live-Konzert, das dich so richtig begeistert hat – abgesehen von den eignen Bands, die mit eurer Firma arbeiten?
Da gibt es ein paar! Legion Of The Damned, Testament, Death Angel, Mari Boine, Behemoth, Slipknot und Vltimas beispielsweise, um nur einige zu nennen.

Aktuell werden wegen der Coronakrise reihenweise Festivals und Konzerte verboten und abgesagt. Ohne Frage die richtige Entschedung – die Gesundheit geht vor. Aber was hängt da alles dran, auf was für Kosten bleiben Künstler und Label in so einem Fall sitzen?
Grundsätzlich hängt das von den Verträgen ab, die man hat, und dann von der Menschlichkeit dahinter. Die meisten größeren Klubs haben natürlich eine Absicherungsklausel für Ausfälle, für die der Vertragsnehmer geradestehen muss. Aber diesen Virus konnte niemand vorhersehen und hatte niemand spezifisch abgedeckt. Diese Situation betrifft uns alle. Vom High-Level-Management bis zum Die-Hard-Fan. Es ist schrecklich, mitanzusehen, dass so viele sich – aus heutiger Sicht – in Unkosten gestürzt haben und nun höchstwahrscheinlich darauf sitzenbleiben. Ich bin auch Fan und verstehe somit auch diese Implikationen mit gebuchten Flügen, Festival-Tickets, Hotels und so weiter.

In unserem konkreten Fall ist das natürlich ebenfalls eine große Katastrophe, da wirklich alles zusammenhängt: Planung, Album-Release, das ganze Tour-Booking, Einkommen für alle Mitarbeiter und auch für das Label. Nun ist der Worst Case eingetroffen und es muss alles verschoben werden, inklusive Release. Dies wiederum führt zu Verschiebungen der Video-Premieren, die Vorverkäufe ändern sich und ein Großteil der Arbeit muss nochmals verrichtet werden, und, und, und … bei so einer Veranstaltung hängt ein Rattenschwanz an Folgen dran. Man kann sich kaum vorstellen, was das monetär bedeutet  – und zwar für alle Parteien, von den Stage-Hands bis zu Sony Music. Somit ist das jetzt für uns das Worst-Case-Szenario. Wir werden nicht nur im finanziellen Bereich quasi einen doppelten Schaden tragen, sondern auch doppelt und dreifach arbeiten. Nicht zu vergessen die PR-Ausgaben für die Konzerte, die nun nicht stattfinden.

Generell gesagt müssen wir für die kommenden zwei Jahre eine komplett neue Strategie ausarbeiten – und das möglichst schnell. Das müssen wir nicht nur für Wardruna machen, sondern auch für den Brand „Nordic Night“, unter dem wir viele Events und Veranstaltungen geplant hatten und für den ja in Gelsenkirchen die zweite Veranstaltung als EU-Kick-Off geplant war. „Red Rock“ in den USA letzten Oktober war der erste Event in der Reihe. Mehr dazu zu einem anderen Zeitpunkt.

Was bedeuten die Verschiebungen von heute dann für die Szene im kommenden Jahr?
Das Problem ist, dass man alles in ein paar Monaten nachholen „muss“. Viele Bands – unsere eingeschlossen – können nicht einfach canceln. Somit nehmen wir Zeit und Platz für Bands weg, die für das nächste Jahr ihren Release geplant haben. Eine Verschiebung hat also großen Einfluss auf alle Branchentätigen. Den Schaden kann man jetzt noch nicht absehen, aber er wird beträchtlich sein. Wie sollen denn dann die Fans alle diese Events, die nachgeholt werden, plus die neu angesetzten bewältigen? Es sind so viele Fragen offen, auf die ich und auch kein anderer heute eine Antwort hat. Was wir jedoch versuchen, ist menschlich zu bleiben. Zu verstehen, kein Egoist zu sein und zu versuchen, das Beste daraus zu machen – ohne willentlich anderen auf die Füße zu treten. Wir alle haben ein Anrecht auf ein Leben und einen Platz an der Sonne. Wir sind alle zuerst Menschen. Geld kommt und geht. Wie du richtig gesagt hast: Die Gesundheit geht einfach immer vor.

Wie siehst du die Zukunft der Musikbranche, wenn all das vorüber ist? Werden nur die ganz großen Bands „überleben“?
Ich denke ja, da diese genug Reserve haben. Am schlimmsten trifft es die Stage-Hands, Booker, Agenten, Promoter, Tourmanager, Techniker … einfach alle, die von den Bands direkt leben. Dann folgt der Rattenschwanz mit Managements und so weiter. Es wird vor allem Bands treffen, die viel Touren müssen, um zu überleben – die Klein- und Mittelständler quasi, wie überall. Alle, die entweder groß sind oder es nur als „Hobby“ machen, also nicht davon leben müssen, werden überleben. Die kommerzielle Landschaft wird sich generell weltweit ändern. Wie, das wissen wir heute noch nicht. Ich denke, es wird von allem viel weniger geben, je nachdem, wie lange sich diese Krise hinzieht.

© Janica Lönn

Damit kann man die derzeitige Situation wohl ruhig als Tiefpunkt deiner Karriere bezeichnen …
Ja, das ist jetzt wirklich der schlimmste Moment. Weil man es einfach nicht selbst in der Hand hat. Aber es gibt immer Licht am Ende des Tunnels. Ich sehe auch die jetzige Situation als Chance. Man darf nicht nur schwarzsehen. Auch wenn ich bereits massenhaft Events absagen musste und meine Einkünfte täglich schwinden sehe, weiß ich, dass diese Situation nicht ewig anhalten wird. Ich plane für danach und bin positiv gestimmt, was 2021 angeht. Natürlich wird die Welt eine andere sein, aber wir versuchen, das in „unserem Universum“ so gut wie möglich hinzukriegen. Was andere machen, kann ich nicht beeinflussen.

Gab es sonst schon Tiefpunkte, vielleicht sogar Momente, in denen du an deiner „Job-Wahl“ gezweifelt hast?
Ich habe schon öfter an meiner Job-Wahl gezweifelt. In der Musikbranche zu arbeiten hat mit Herz zu tun, nicht mit Einkommen. Es gibt nur ganz wenige, die viel haben. Ich habe ja nicht nur 1997 alles hingeschmissen. Das ist insgesamt dreimal vorgekommen. Es dauerte beim ersten Mal neun Jahre, den Weg zurück zu wagen. Alles hat seine Zeit und seinen Platz. Aber das Leben ist ein Kreis: Jedes Ende ist ein neuer Anfang. Wieder aufzustehen und innovativ zu sein gehört zu meiner Natur. Alle machen Fehler. Aber dazu zu stehen und daraus zu lernen können nicht viele.

Im Gegensatz dazu interessieren uns jetzt natürlich auch die Höhepunkte!
Jeden Tag gesund aufzustehen. Sich jeden Tag und jeden Moment zu freuen, meinen Traumjob machen zu können. Eine Familie und Freunde zu haben, die man liebt und die einen unterstützen. Das ist das Wichtigste. Realität findet nicht online statt.

Was machst du in guten Zeiten gerne in deiner Freizeit?
Ich war immer sportlich unterwegs. Ich wollte sogar mal Fußballer werden, als ich jung war. Sport gehört zu meinem Leben wie arbeiten oder schlafen. Work-Live-Balance ist mir sehr wichtig. Ich brauche einen gesunden Körper und Geist, um mein Leben so zu führen, wie ich es tue. Ich mag aber auch Gartenarbeit, lange Spaziergänge in der Natur und Gespräche. Ich bin ein großer Naturliebhaber. Ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß – es gibt dir neue Perspektiven. Zudem schaue ich gerne Filme. Ich bin kein Binge-Watcher, aber mag es, Filme zu schauen, die meine Gedanken woanders hinführen. Das Geschäft ist doch sehr präsent in meinem Leben.

Vielen Dank für das Interview. Zum Abschluss ein kurzes Brainstorming:
Bücher:
Das wichtigste Fortbildungsmittel, als ich aufgewachsen bin. Bücher sind Magie für mich.
Religion: Ich bin aus der Kirche ausgetreten. Ich bin Atheist.
Star Wars: Religion. (lacht) Nein, eine der innovativsten Erfindungen überhaupt. Wegweisend in allen Belangen.
Spongebob: War nie mein Ding, bringt mich aber zum Lachen – schon allein aufgrund der Absurdität der Figur.
Tierschutz: Ganz wichtig! Ich liebe Tiere und unterstütze den Tierschutz aktiv.

Danke nochmals für deine Zeit und Antworten!

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Publiziert am von Uta A. (Gastredakteurin) und

Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
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