Interview mit Phil von Debemur Morti Productions

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Seit nunmehr 15 Jahren steht der Name DEBEMUR MORTI PRODUCTIONS für düsteren Black Metal – nicht nur aus Frankreich, der Heimat des Labels, sondern aus ganz Europa. Zum Jubiläum veröffentlicht das Label den Sampler „Servants Of Chaos II“. Ein aus der Zeit gefallenes Format oder immer noch Kult? Darüber, vor allem aber über die Geschichte des Labels, die wichtigsten Releases und die Zukunft der CD sprachen wir mit Labelchef Phil.

DEBEMUR MORTI wurde vor 15 Jahren gegründet. Was war damals deine Motivation, ein eigenes Label zu gründen?
Meine eigenen Erfahrungen mit Underground-Labels und das Gefühl dass „etwas fehlt“ haben die Idee 2003 aufkommen lassen. Dieses allgegenwärtige amateurhafte und die mangelnde Ernsthaftigkeit sind für mich völlig inakzeptabel; „Underground“ bedeutet nicht „Mittelmaß“. Es war der Wille, eine Struktur zu schaffen, die Black Metal als künstlerischen Ansatz propagiert, der mich dazu brachte, die ursprüngliche Idee zu verwirklichen. 

Warum hast du DEBEMUR MORTI als Namen für dein „Baby“ gewählt?
„Debemur Morti“ bedeutet „Zum Sterben verdammt“. Ich habe es von Horaz übernommen (Ars Poetica, 63). Der ganze Satz lautet „Debemur morti nos nostraque“ und bedeutet „Wir sind dazu verdammt zu sterben, wir und unser ganzes Hab und Gut“.
Abgesehen davon habe ich mich für diesen Namen entschieden, weil ich einen hoffnungslosen Namen mit einem starken Ausdruck wollte, der zu meiner Art zu sein passt. Versteh mich aber nicht falsch: Hoffnungslos bedeutet nicht, dass ich meine Zeit mit Jammern verbringe. Es ist die Menschheit, die hoffnungslos ist und an ihrer Zerstörung arbeitet.

Wie bist du zu den ersten Bands gekommen, die du unterschrieben hast und wie hast du sie von DEBEMUR MORTI überzeugt?
Zuerst habe ich angefangen, Vinyl-Releases zu veröffentlichen. Mit HAEMOTH (DMP0001) war ich befreundet. Früher habe ich mit dem Bandleader Musik gemacht. Es war ganz logisch, als „Satanik Terrorism“ auf CD erschien, ihnen eine Vinyl-Veröffentlichung anzubieten. Meine zweite Veröffentlichung, eine Split-7″, enthielt einen Track von meinem Soloprojekt (VULVA INFERNUM) und einen von einer finnischen Band, mit der ich damals in Kontakt stand, VERIVALA.  Ich war ziemlich aktiv und mit einem Haufen Leute in Kontakt. Ich habe XASTHRU und NOCTERNITY angeschrieben und war auch in Kontakt mit Shatraug von HORNA. Die Dinge liefen langsam, aber reibungslos. Ich hatte keinerlei Erfahrung, also musste ich einfach alles Stück für Stück selbst schmieden. Dann habe ich mich von allen Einschränkungen freigemacht und beschlossen, auch CDs zu veröffentlichen. Mein ganzes Engagement und meine Ernsthaftigkeit führten dazu, dass HORNA bei mir unterschrieben, was natürlich ein großer Schritt für mein Label war. Mit harter Arbeit entwickelten sich die Dinge weiter. Besserer Verkauf, effizientere Werbung…. da war keinen Platz für Stagnation!

Zumindest in Deutschland ist HORNA wegen einiger unklarer Aussagen über NSBM umstritten. Was hältst du von der Politik im Black Metal und welche Bedeutung misst du ihr bei, wenn du Bands unterschreibst?
DEBEMUR MORTI PRODUCTIONS ist ein Musiklabel, ein künstlerisches Projekt, keine Gruppe von politischen Aktivisten.

Rückblickend, was war das wichtigste Album für den Erfolg von DEBEMUR MORTI?
Ich glaube nicht, dass es „ein“ wichtiges Album gibt, sondern ein paar Unterzeichnungen, die der Schlüssel waren und die unsere Sichtbarkeit erhöht haben. Wie ich gerade schon sagte, waren HORNA der erste Schritt. Dann kamen ARCKANUM. Die ARCHGOAT-Tour, die ich organisiert habe, als sie sich zurückgemeldet haben, hat mir ebenfalls sehr geholfen. Die Band stand zunächst bei meinem Partnerlabel Blasphemous Underground unter Vertrag und kam dann zu DEBEMUR MORTI, nachdem Blasphemous Underground seine Aktivitäten eingestellt hatte. Also ja, ARCHGOAT waren ein wichtiges Signing für DEBEMUR MORTI. Danach waren es ohne Zweifel BLUT AUS NORD, die dazu beitrugen, die Dinge auf ein ganz neues Level zu heben.

Und umgekehrt: Auf welche Karriere einer Band aus deiner Liste bist du besonders stolz?
Das ist schwer zu sagen, denn man weiß nie genau, wie eine Band/ein Album auf einem anderen Label funktioniert hätte … oder auch zu einem anderen Zeitpunkt. Außerdem will ich nicht überheblich klingen. Ich bin immer bestrebt, meine Bands so gut wie möglich voranzubringen. Allerdings profitierten vielleicht WHITE WARD, die ein beachtliches Debütalbum veröffentlicht haben, von unserer Stellung. Vielleicht. Ich weiß nicht, um ehrlich zu sein. Wenn dem so war, bin ich stolz darauf, dass ich helfen konnte, etwas Licht auf ihr Killer-Album zu bringen. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten, ihr nächstes Werk zu hören und zu veröffentlichen!

Gab es einen konkreten Höhepunkt für DEBEMUR MORTI, an den du dich immer gerne erinnerst?
Wenn man bedenkt, dass ich „The Work Which Transforms God“ (BLUT AUS NORD) als eines meiner Top-5-Alben aller Zeiten betrachte, würde ich sagen, dass der Tag, an dem ich die Zusage von Vindsval erhielt, dass sie bei DEBEMUR MORTI unterschreiben, ein Tag war, den ich nie vergessen werde!

Gab es auch Tiefpunkte, Momente, in denen du an der Zukunft von DEBEMUR MORTI gezweifelt hast?
Ja, natürlich. Ich denke, es ist Teil des menschlichen Geistes, zu zweifeln. Wir alle durchleben schwierige Zeiten, in denen das Leben dich hart trifft, wir alle fürchten, was als nächstes kommt, überlegen was passiert, wenn dies oder jenes nicht funktioniert. Aber Leidenschaft und Hingabe helfen mir, trotz der schwierigen Zeiten voranzukommen. Ich liebe es, das zu tun, was ich tue. Wie du ja schon ganz richtig gesagt hast, ist DEBEMUR MORTI PRODUCTIONS mein „Baby“.

Wie viele Mitarbeiter sind heute bei DEBEMUR MORTI beschäftigt?
Zweieinhalb. Zwei von uns haben neben dem Label noch einen anderen Job. Was wir „Brotjob“ oder einen Job zum Bezahlen der Rechnungen nennen. (lacht) Gersende ist für die gesamte Verpackung/Versand und Abrechnung zuständig. Cedric war für die Promotion verantwortlich, aber ich habe kürzlich seine Aufgaben übernommen. Ich mache alles andere, was Gersende nicht tut und Cedric (die „Hälfte“ in meinen zweieinhalb) hilft bei der Planung und so weiter.

Wie viele Promos von hoffnungsvollen Newcomern bekommt ihr jede Woche und wie geht ihr mit ihnen um? Hört ihr euch alles an, sortiert ihr im Voraus aus oder haben solche Zusendungen bei euch sowieso keine Chance?
Wir bekommen viele Direktbewerbungen. Etwa zwei pro Tag, was verrückt ist, wenn man da mal darüber nachdenkt! Die einzigen, die ich direkt entsorge, sind die von Bands, die gleichzeitig eine E-Mail an X verschiedene Labels schicken, in der Hoffnung, dass man ihnen einen Deal anbietet. Das ist der schlechteste Weg, um zu versuchen, mit uns zusammenzuarbeiten. Ich denke, wenn jemand mit uns zusammenarbeiten will, hat das einen guten Grund, denn derjenige weiß, was wir tun und wie wir es tun. Wenn du den Unterschied zwischen uns und einem anderen Label nicht erkennen kannst, dann solltest du uns gar nicht erst kontaktieren. Abgesehen davon höre ich mir alles an, was ich bekomme, und außer denjenigen, die ich gerade erwähnt habe, beantworte ich auch alle. Ich denke, es ist das Mindeste, was ich aus Respekt den Leuten gegenüber tun kann, die sich bemüht haben, uns zu kontaktieren.

Zu eurem Jubiläum habt ihr jetzt einen Label-Sampler veröffentlicht – wofür hast du die Bands und Tracks ausgewählt?
Ja, zum 15-jährigen Jubiläum des Labels im Dezember 2018 habe ich die „Servants Of Chaos II“-Compilation mit 15 Tracks von 14 DEBEMUR-MORTI-Bands veröffentlicht. Alles, außer dem YERUSELEM-Song ist zu 100% exklusiv für diese Veröffentlichung und ich bin sehr stolz auf das Endergebnis. Was ich wollte, ist eine Veröffentlichung mit exklusivem Material von Bands, die zur Geschichte des Labels beigetragen haben (und/oder immer noch beitragen). Ich denke, es ist ein toller Überblick darüber, wofür wir stehen, und ich kann mich nicht genug bei allen Bands bedanken, die auf „Servants Of Chaos II“ vertreten sind.

Interessieren sich die Leute in Zeiten von Youtube Playlists und Spotify denn überhaupt noch für Sampler?
Ich weiß es nicht wirklich. Ich habe einen Beitrag für die Compilation verfasst, der im Booklet sowohl der CD- als auch der LP-Versionen zu finden ist, in dem ich schreibe, dass „Servants Of Chaos II“ mein Geschenk an mich ist, und an dich (jeden, der unsere Bands und das Label unterstützt). Ich gehöre zu den Menschen, die immer noch denken, dass Musikhören „besonders“ ist, dass es ein „Ritual“ sein sollte, bei dem man die Musik, die Kunst, den Text (wenn vorhanden) erlebt. Ich glaube nicht, dass Youtube und Spotify ein guter Weg dafür sind. Für mich sind das praktische Werkzeuge, die einen „schnellen Konsum“ ermöglichen. Heutzutage wollen wir alles „jetzt“ und „kostenlos“. Wir brauchen mehr, immer mehr. Und natürlich brauchen wir es schnell. Youtube und Spotify sind also „gute“ Antworten auf solche „Fast-Food-Mentalitäten“. Es ist kein Aufwand erforderlich. Gib einfach ein paar Schlüsselwörter in eine Suchmaschine ein und schau, was dir angeboten wird. Bei mir funktioniert das so nicht. Was ich an Playlists am meisten hasse, ist, dass man einen Track von dieser Band und dann einen Track von einer völlig anderen Band bekommt. Aber was die meisten Leute nicht verstehen, ist, dass die meisten (Black-)Metal-Alben als ein zusammenhängendes Ganzes produziert werden. Sie sollen von Anfang bis Ende durchlaufen, damit du sie wirklich erleben kannst. Es ist eine Reise, ein Ritual … nicht nur reine Unterhaltung. Nun, sorry, ich mag wie ein alter Sack klingen … (lacht), aber ja, ich gehöre immer noch zu den wenigen, die lieber ein physisches Album in meinen Händen halten.

Im Allgemeinen wird es immer schwerer, CDs zu verkaufen. Führt das zu großen Problemen für ein kleines Label wie dich?
Ich musste vor kurzem ein Auto kaufen, weil meins uralt ist und zu viele Vinyls transportiert hat, um noch länger zu halten. (lacht) Als ich mir neuere Autos angeschaut habe, war ich schockiert, als ich erfahren habe, dass man die nicht einmal mehr mit CD-Player bekommen kann. Nicht einmal als Option, verstehst du? Ist es ein erstes Zeichen, dass die CD zum Sterben verdammt ist? Wer weiß … der Umsatz ist deutlich niedriger. Ob das so ist, weil es heutzutage viel zu viele Alben gibt, die jedes Jahr veröffentlicht werden, oder weil die Leute jetzt mehr streamen als physische Kopien kaufen, weiß ich nicht. Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Als ich das Label gestartet habe, war das alles bereits rückläufig, sodass ich nicht sagen kann, dass es für uns damals viel besser war als heute. Aber ja, ein Underground-Label wie DEBEMUR MORTI PRODUCTIONS zu betreiben, ist schwierig. Wahrscheinlich mache ich es deswegen so gerne. (lacht)

Viele große Labels setzen immer mehr auf Merchandising und Sondereditionen. Welche Strategie verfolgt ihr, um Musik langfristig vermarkten zu können?
Nun, meine Arbeitsweise von Anfang an war es, sich immer auf Qualität statt Quantität zu konzentrieren! Ich glaube an das Konzept des „Gesamtkunstwerks“, der alles umfassenden Kunst. Deshalb versuche ich immer, eine passende „Verpackung“ zu haben, die dem dort vorgestellten Kunstwerk würdig ist.

Lass uns träumen: Welche Band würdest du gerne in der Liste von DEBEMUR MORTI haben?
SUMMONING!

Und wo siehst du DEBEMUR MORTI PRODUCTIONS in zehn Jahren?
Ich sehe, dass DEBEMUR MORTI die besten Metal-Alben des Jahres 2029 veröffentlicht! (lacht)

Zum Schluss noch ein kurzes Brainstorming:
Black Metal:
Eine Bewegung, die noch immer in den 90ern wandelt.
Kassetten: Old School. Ich habe immer noch welche und habe auch immer noch einen Spieler. Ich denke, ich werde gleich ein paar alte Demos anhören. (lacht)
Vinyl: Das Beste vom Besten. Erfordert Hingabe. Aber definitiv das beste Medium, um Musik als Ritual zu erleben.
CD: Praktisch, besonders im Auto (nicht mehr lange!). Ich liebe meine CDs.
Streaming: Nützlich, um einige Tracks vorab vorzustellen. Ansonsten … igitt!

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Dieses Interview wurde per E-Mail geführt.
Zur besseren Lesbarkeit wurden Smilies ersetzt.

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